Sei es ein Wunschtermin, Komplikationen, oder einfach nur Angst: Für eine Schnittgeburt gibt es viele Gründe. Die OP geht aber nicht spurlos an der Mutter vorbei. Eine neue Methode soll schonender sein – wird aber nur selten angeboten.

Die Überzeugung hört man ihr förmlich an. Sie würde es genauso wieder machen. Daran lässt Tania keine Zweifel. „Der Eingriff verlief einwandfrei und ich bereue ihn in keinster Weise“, sagt sie im Gespräch mit REPORTER. Die 34-Jährige hat vor ein paar Wochen ein kleines Mädchen geboren. Das Besondere daran: Ihre Tochter wurde durch eine neue Kaiserschnitt-Methode auf die Welt gebracht – dem sogenannten extraperitonealen Kaiserschnitt. Er soll schonender sein als die altbewährte Methode, weniger Risiken für die Mutter mit sich bringen und die postoperativen Schmerzen sollen geringer sein.

Und genau davon ist Tania so begeistert: „Nach dem Eingriff konnte ich bereits am gleichen Tag wieder aufstehen und duschen“, erzählt sie. Die häufig gefürchteten Schmerzen? Minimal. Nach ein paar Tagen konnten sie und ihre Tochter das Krankenhaus verlassen, nach ein paar Wochen konnte sie wieder Sport treiben. Wieder alles beim Alten.

Aus Skepsis wird Überzeugung

Die junge Frau gibt aber zu: Am Anfang sei sie etwas skeptisch gewesen, als ihr Arzt ihr erzählte, er würde die „neue Methode“ an ihr durchführen. Dann habe sie sich darüber informiert – und ihre Angst war plötzlich eine ganz andere: „Irgendwann hatte ich befürchtet, dass mein Baby vielleicht zu früh auf die Welt kommt, mein Arzt dann nicht da ist und ein anderer doch die klassische Methode durchführt.“ Sie sei so vom extraperitonealen Kaiserschnitt überzeugt gewesen, dass die traditionelle Methode keine Option mehr für sie gewesen sei.

Es hört sich nach einem wahren Loblied auf eine Technik an, die eigentlich kaum jemand kennt. Doch was macht sie so besonders? Und wenn sie so schonend ist, warum wird sie dann nicht häufiger durchgeführt?

Es wird geschoben statt geschnitten

Bei einem herkömmlichen Kaiserschnitt werden die Bauchhöhle geöffnet und die Bauchmuskeln durchtrennt. Der horizontale Schnitt durch die Gewebe- und Muskelschichten führt bei der Patientin häufig zu starken Schmerzen, der Heilungsprozess ist langwierig. Risiken des Eingriffs können außerdem Blutungen oder Infektionen sein.

Beim extraperitonealen Kaiserschnitt bleibt der Einschnitt in die Haut zwar weiterhin horizontal, Muskeln und Organe werden aber nicht aufgeschnitten oder gerissen, sondern lediglich zur Seite geschoben, um den Uterus der Frau freizulegen. Anders als beim klassischen Kaiserschnitt besteht dadurch keine Infektionsgefahr.

Kaiserschnitt ist nicht gleich Kaiserschnitt

Im Vergleich zu den Nachbarländern liegt die Kaiserschnitt-Rate in Luxemburg mit 31 Prozent recht hoch. Nur in Deutschland ist sie mit 31,3 Prozent noch höher, in Belgien liegt sie bei 20 Prozent, in Frankreich bei 21.

Gründe für den Eingriff gibt es viele: Er kann beispielsweise geplant oder ungeplant sein. Manche Mütter wollen auch einen Kaiserschnitt, auch wenn eine natürliche Geburt möglich wäre – weil sie entweder einen Wunschtermin auswählen, nicht wollen, dass ihr Körper sich durch die Geburt verändert, oder weil sie Angst vor einer natürlichen Geburt haben.

Gründe für einen nicht geplanten Kaiserschnitt sind meist Probleme während der natürlichen Geburt oder eine falsche Lage des Kindes. In Deutschland sind etwa 15 Prozent der Eingriffe begründbar. In Luxemburg gibt es keine konkreten Angaben dazu.

Während die Erholungsphase im Krankenhaus bei einem herkömmlichen Kaiserschnitt bei etwa fünf bis sechs Tagen liegt, können die meisten Frauen nach einem extraperitonealen Kaiserschnitt bereits am Tag nach der Operation verlassen. Auch Tania hätte es so machen können. Weil es ihr erstes Kind ist, hatte sie sich aber für einen längeren Krankenhausaufenthalt entschieden.

Kaum jemand weiß, wie es geht

Der Arzt, der die Operation bei Tania durchgeführt hat, will namentlich nicht genannt werden. Er wolle keine Werbung machen und sich nicht für oder gegen eine Methode aussprechen, sagt er. Er ist hierzulande der einzige Chirurg, der diese Technik anbietet – und kann. Und er ist einer von nur etwa zehn Frauenärzten weltweit, die die Methode beherrschen. Gelernt hat er sie in einem Klinikum in Paris, nachdem er im Internet darüber erfahren hatte. Eher durch Zufall ist er vor ein paar Jahren darauf gestoßen. Es gibt nur etwa eine Handvoll Ausbilder (vor allem in Frankreich und Israel), die die Technik an Kollegen weitergeben können.

Heute führt der Luxemburger Arzt nur noch den extraperitonealen Kaiserschnitt durch. Die klassische Technik führt er nur noch in Notfällen durch – weil sie schneller und unkomplizierter  ist.

Was sich wie eine ideale Alternative anhört, hat aber auch seine Tücken: Der extraperitoneale Kaiserschnitt ist gefährlicher als der Herkömmliche. Das liegt daran, dass der Arzt die inneren Organe präzise verschieben muss und während des Eingriffs an die Gefäße kommt. Er darf sie nicht verletzten, nicht zu sehr einquetschen. Jeder Griff muss geübt sein, jedes Organ und Gefäß richtig behandelt werden. Mit einem Schnitt ist es hier nicht getan.

Nicht zu unterschätzende Risiken

Das sagt auch Dr. Isolde Semm im Gespräch mit REPORTER: „Bei diesem Eingriff braucht man einen Arzt mit Erfahrung. Er muss die Technik richtig beherrschen, ansonsten ist sie keine Alternative, sondern gefährlich.“

Sie selbst führt die Methode nicht durch, bestätigt aber, dass sie schonender und der Heilungsprozess schneller ist – wenn sie richtig angewandt wird. „Dadurch, dass es keinen Schnitt durch die Bauchhöhle und die Muskeln gibt, bleiben die Nerven weitestgehend verschont“, sagt sie. Die Patientin hat weniger Schmerzen und ist danach auch weniger auf Schmerzmittel angewiesen.

Sie erinnert aber auch daran, dass beide Methoden Operationen sind: „Es handelt sich bei beiden Methoden um einen chirurgischen Eingriff. Und jede Operation birgt Risiken“, sagt die Ärztin. Dass die Plazenta sich nicht löst oder es zu Blutungen im Uterus kommt, könne sowohl beim klassischen als auch beim extraperitonealen Kaiserschnitt vorkommen, so Dr. Semm.

Kein „golden standard“

Warum wird der extraperitoneale Kaiserschnitt dann nicht von mehr Ärzten angeboten? Weil die Methode in der Medizin nicht als „golden Standard“ angesehen, also nicht offiziell anerkannt ist, sagt der Luxemburger Frauenarzt.

Die Mehrheit der Ärzte weltweit hält am klassischen Kaiserschnitt fest. „Bei Tagungen ist der extraperitoneale Kaiserschnitt immer ein emotional geladenes Thema“, so Dr. Semm. Es gebe Ärzte, die die Technik stärker verbreiten und andere, die an der traditionellen Weise festhalten wollen, weil sie sich bisher bewertet hat und schneller ist.“

In ihren Augen fehlt es auch an Studien, die beide Techniken miteinander vergleichen. Das ist auch der Tenor bei vielen Ärzten in Frankreich. Ob der extraperitoneale der bessere Kaiserschnitt ist, müsse erst analysiert und bewiesen werden.

Ein weiterer Punkt für Skepsis: Die Methode scheint noch recht unbekannt. Der bekannteste Befürworter ist wohl der französische Arzt Dr. Denis Fauck. Er wendet die Methode seit Anfang der 2000er Jahre an, bringt seitdem auch anderen die Methode bei. Wer sie aber lernen will, muss das von sich aus auch wollen, für die Ausbildung Zeit und Geld investieren  – und sich selbst engagieren.

Tania wusste schon früh, dass sie ihr Kind nicht auf natürlichem Weg auf die Welt bringen könnte. Es gab Probleme mit der Plazenta, das Kind lag außerdem nicht gut. Für sie steht aber jetzt schon fest: Auch beim zweiten Kind wird der extraperitoneale Kaiserschnitt eine Option für sie sein.