Die Täuschung hatte offensichtlich System: Über Jahre betrog ein gebürtiger Belgier ahnungslose Kunden, die in einer handwerklichen Notsituation waren. Nun muss Dino M. in Luxemburg in Haft. Ob damit auch seine Betrugsmasche definitiv vorbei ist, bleibt jedoch abzuwarten.
Ob man auch im Strafvollzug auf die Dienste von Handwerkernotdiensten zurückgreift, wenn mal ein Schloss klemmt, ist unklar. Klar ist hingegen, dass Dino M. seine Dienste in diesem Fall nicht mehr anbieten kann. Denn für die nächsten zwei Jahre ist der Unternehmer selbst Häftling. Zu dieser Entscheidung kam am vergangenen 4. März die 19. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg. Zudem muss Dino M. eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro zahlen.
Verurteilt wurde der Belgier unter anderem wegen Betrugs, Geldwäsche und Veruntreuung von Firmenkapital. Da Dino M. sich während der Ermittlungen geständig zeigte und in Luxemburg zudem keine Vorstrafen gegen ihn vorlagen, einigte die Staatsanwaltschaft sich mit dem Beschuldigten auf ein Strafmaß und das Gericht urteilte via „Jugement sur accord“. Weil er jedoch bereits in Belgien wegen ähnlicher Vergehen vorbestraft ist, wurde die Haftstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dennoch kam der Angeklagte angesichts des Ausmaßes seines Betrugs und den festgestellten Straftatbeständen recht glimpflich davon.
Reporter.lu hatte erstmals im November vergangenen Jahres über die Betrugsmasche von Dino M. berichtet. Das Vorgehen des 54-Jährigen war dabei fast immer gleich. Über unzählige Scheinfirmen betrieb er Handwerkernotdienste im Internet, die durch eine Suchmaschinenoptimierung stets ganz oben in der Suchliste angezeigt wurden. Mit luxemburgisch-klingenden Firmenbezeichnungen wie „Henri Reckinger“ oder „Henri Reddinger“ versuchten die Betrüger den Anschein eines seriösen Familienbetriebs zu erwecken. Wer einen Stromausfall oder einen Rohrbruch hatte und nach einem Notdienst suchte, gelangte fast zwangsläufig zu Dino M. Denn die angegebene Rufnummer der vermeintlich unterschiedlichen Firmen war immer dieselbe.
Einblicke in einen Betrügerring
Was nach der Kontaktaufnahme mit einer der Scheinfirmen passiert, skizziert das Gericht im rund 130-seitigen Urteil, das Reporter.lu exklusiv vorliegt, im Detail: Nach dem Erstkontakt erschien ein Techniker bei den Geschädigten, der nach einer kurzen Begutachtung des Schadens einen exorbitanten Kostenvoranschlag unterbreitete. Anschließend wurden die Betroffenen aufgefordert, den Betrag entweder sofort zu bezahlen oder eine Anzahlung von 50 Prozent zu leisten. Nachdem die Opfer den Voranschlag unterschrieben hatten, vereinbarte man einen Termin für die Arbeiten, der dann jedoch nicht eingehalten wurde.
Dabei sollen die Techniker vor Ort auch Druck auf die Betroffenen ausgeübt haben. Eine Zeugin, eine Frau Mitte 20, schilderte im Prozess gegen Dino M. vor Gericht, wie der Techniker immer wieder insistierte, dass sie sofort bezahlen müsse und sie, um den Mann aus der Wohnung zu bekommen, keinen anderen Ausweg gesehen habe, als ihm das Geld zu geben.
Das Protokoll des Gerichts deckt sich indes mit jenen Schilderungen, die Betroffene gegenüber Reporter.lu bereits vergangenen November dargelegt hatten. Neu sind Details zu den internen Absprachen innerhalb des Betrügerrings, die im Urteil geschildert werden. Ein Techniker der Firmen von Dino M. gab bei seiner Vernehmung etwa zu Protokoll, dass er nach dem Eintreffen bei den Opfern stets Dino M. kontaktieren musste: „(…) en lui décrivant la situation de fortune du client sous forme de code, code 1 signifiant client pauvre, code 2 client moyennement fortuné et code 3 client aisé/riche. En fonction de cette information, P1 (Dino M., Anm. der Red.) fixait le coût des travaux à facturer.“
70.000 Euro für Suchmaschinenoptimierung
Insgesamt traten bei der Verhandlung 13 Parteien als Nebenkläger auf. Zusätzlich wird im Urteil aus rund 37 Aussagen von Opfern gegenüber der Polizei zitiert. Die Schadenssummen belaufen sich dabei von etwa 200 Euro bis hin zu mehreren Tausend Euro. Wie viele Personen tatsächlich von den Firmen geschädigt wurden, ist unbekannt, denn die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Bleibt die Frage, was mit dem Geld der Opfer passiert ist. Auch hierüber liefert das Urteil neue Erkenntnisse, denn es enthält detaillierte Kontoauszüge der Scheinfirmen.
Einen beachtlichen Teil seiner unrechtmäßigen Einnahmen verwendete Dino M. zur Aufrechterhaltung seines Betrugsnetzwerks. Entscheidend war dabei, dass die Suche nach einem Handwerkernotdienst möglichst zuverlässig zu den Scheinfirmen des Belgiers führte. Und das sowohl in den sozialen Netzwerken als auch über eine Suchmaschinenabfrage. So finden sich in den Bilanzen der Firmen etwa wiederholt Überweisungen in Höhe von 7.000 Euro für eine Facebook-Werbekampagne.
Besonders kostspielig war anscheinend auch die Suchmaschinenoptimierung der Internetseiten sowie die dafür nötige Werbung. Insgesamt gab der Unternehmer dafür mehr als 70.000 Euro aus. Das Geld floss dabei an eine Firma mit Sitz in Ungarn. Diese war außerdem für die Gestaltung der einzelnen Internetseiten zuständig. In den Firmentransaktionen sind neben Direktzahlungen auch Gehaltszahlungen direkt nach Ungarn zu Dino M.s Geschäftspartner Balasz G. aufgeführt.
Leben auf großem Fuß
Diese eher legere Buchführung offenbart einen weiteren Geschädigten in dem Verfahren: den Luxemburger Staat. Denn der Unternehmer zahlte weder regelmäßig in die Sozialkasse ein, noch führte er rechtzeitig die Mehrwertsteuer an den Fiskus ab. Eine der Scheinfirmen von Dino M. häufte dabei Steuerschulden von mehr als 118.000 Euro an.
Geld, das stattdessen auch den extravaganten Lebensstil des passionierten Pokerspielers finanzierte. Eine Leidenschaft, über die Reporter.lu bereits im November berichtet hatte. So werden im Urteil neben direkten Firmenausgaben auch zahlreiche Privatausgaben von Dino M. explizit aufgeführt. Dies erklärt, wieso er auch wegen Veruntreuung von Firmenvermögen angeklagt war. Der Belgier gab beispielsweise 40.000 Euro für die Anmietung eines Land Rovers aus und kaufte Schmuck über das Firmenkonto. Die größten Ausgaben tätigte Dino M. jedoch mit einer auf die Firma angemeldeten Kreditkarte. Zwischen Juli 2018 und März 2019 wurden rund 112.000 Euro von der Karte abgebucht und das vornehmlich in Budapest und Wien. Beides Orte, an denen der 54-Jährige regelmäßig an Pokerturnieren teilnahm.
Ob der Staat und die Privatpersonen von Dino M. entschädigt werden müssen, steht indes noch aus. Denn das Strafgericht hat die Nebenkläger im Verfahren gegen Dino M. an das Zivilgericht verwiesen. Wer sich schlussendlich für weitere rechtliche Schritte gegen den Belgier entscheidet, ist offen.
Die Frage nach dem Sohn
Dass die Masche von Dino M. mit dem Urteil auch endgültig Geschichte ist, bleibt hingegen abzuwarten. Denn die Rolle, die der Sohn des Unternehmers, Djeremi M., bei dem Betrug gespielt hat, blieb bei Gericht weitestgehend außen vor. Als Zuschauer unterstützte er lediglich seinen Vater moralisch während des Prozesses. Bereits im November aber hatten Geschädigte gegenüber Reporter.lu geschildert, dass Djeremi M. sie in den Räumlichkeiten der Firma in der Route de Longwy in Luxemburg-Stadt begrüßt hatte.
Zudem sind seit Kurzem einige der Internetseiten, die für den Handwerksbetrug genutzt wurden, wieder online. Und erneut wird dort mit den Diensten eines vermeintlichen luxemburgischen Familienunternehmens geworben. Auch die Adresse des Betriebs ist auffallend ähnlich: Es ist die gleiche Anschrift in der Route de Longwy, die bereits Dino M. für seine Betrugsmasche nutzte.
