Knapp sieben Wochen fokussierte sich die Medizin auf die Corona-Patienten. Die Lage scheint momentan unter Kontrolle, die Zahlen der Ansteckungen gehen zurück. Nun dürfen sich Ärzte wieder vermehrt um Nicht-Covid-19-Patienten kümmern – deren Bedürfnisse wurden nämlich stark vernachlässigt. 

„Es kann nicht sein, dass wir uns so gut um Covid-Patienten kümmern und alle andern außen vor lassen“, formulierte es Dr. Alain Schmit deutlich bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Der Arzt und AMMD-Präsident ist aktuell als Koordinator des nationalen Gesundheitssystems für die Krisenzelle der Santé zuständig. Er präsentierte gemeinsam mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) die Exitstrategie für das Gesundheitswesen.

Patienten hatten in den vergangenen Wochen entweder große Angst, einen Arzt aufzusuchen. Oder ihnen wurde gesagt, dass ihre Untersuchung wegen der Pandemie warten muss. Die Covid-19-Krise scheint aber nun im Griff zu sein. Nachdem Stimmen laut wurden, dass Ärzte wieder praktizieren und Patienten wieder behandelt werden wollen, gibt es ab dem 4. Mai eine Rückkehr zu einer medizinischen Normalität.

Ab dann sind sämtliche medizinische Aktivitäten wieder erlaubt: Freischaffende aber auch fest angestellte Mediziner in Praxen und Krankenhäusern, sowie alle anderen Gesundheitsberufe fahren ihre Aktivität wieder hoch – allerdings nur unter strengen sanitären Sicherheitsmaßnahmen.

Ohne Terminabsprache keine Untersuchung

Termine müssen vorab vereinbart und Patienten sollen in der Praxis auf Covid-Symptome geprüft werden. Außerdem muss der Patient vor Betreten des Wartezimmers eine Maske tragen und sich die Hände desinfizieren. In den Wartesälen muss genügend Abstand gewährleistet werden.

In den Krankenhäusern bleibt weiterhin eine Abteilung für Covid-Patienten bestehen, außerdem können Menschen mit Symptomen auch weiterhin die Centres de Soins Avancés aufsuchen. Sie werden künftig nur noch Covid-Patienten betreuen. Dafür werden ab Mitte Mai die Maisons Médicales wieder wie gewöhnlich funktionieren, in Pflege- und Altenheimen sei die Gesundheitsversorgung durch Allgemeinmediziner gesichert. Auch der Notdienst der Zahnärzte soll vorerst bestehen bleiben.

Parallel dazu dürfen Zahnmediziner ihre Praxis wieder eröffnen. Weil sie einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, wird ihnen und ihrem Personal Schutzmaterial zur Verfügung gestellt. Vorgesehen ist Material für einen Monat – danach müsse man abwägen, was noch an Material gebraucht wird – und was an Vorräten da ist, so Dr. Carlo Ahlborn, Zahnmediziner und erster Vizepräsident der AMMD.

Telemedizin hat Grenzen – soll aber bleiben

Die AMMD begrüßt die Rückkehr zu einer medizinischen Normalität. „Zögern Sie nicht, warten Sie nicht“, so der Aufruf von AMMD-Vizepräsident Philippe Wilmes bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Es gebe heute keinen Grund mehr, sich nicht mehr behandeln zu lassen. Telemedezin sei zwar bisher ein gutes Hilfsmittel gewesen, stoße aber in manchen Fällen an ihre Grenzen, so Philippe Wilmes weiter.

Tatsächlich haben Mediziner darauf hingewiesen, dass eine Behandlung via Telefon und Computer oft schwierig ist. Nicht jeder Patient könne mit einem Computer umgehen und nicht jedes Krankheitsbild sei auf Distanz zu behandeln.

Dennoch soll Telemedizin auch weiterhin „bevorzugt“ werden, wenn dies möglich sei. Zumindest theoretisch. Denn so fordert es die großherzogliche Verordnung vom 28. April.

Reines Covid-19-Krankenhaus in Sicht?

Angst vor dem Gang ins Krankenhaus muss der Patient künftig vielleicht nicht mehr haben. Die AMMD ließ am Donnerstag verlauten, dass die Frage im Raum steht, ob nicht ein Krankenhaus zu einem reinen Covid-Krankenhaus umgestaltet wird. Dann würden dort sämtliche Covid-19-Fälle zentralisiert werden.

„Die Idee liegt weiterhin auf dem Tisch“, so Philippe Wilmes. Das Gesundheitsministerium sei nicht abgeneigt. Der Aufwand sei nämlich auf Dauer groß, zwei unterschiedliche Ströme – den Covid- und den Nicht-Covid-Strom – innerhalb eines Krankenhauses getrennt voneinander zu halten.

Problematisch dürfte bei einer Zentralisierung aber auch die Lage der Ärzte eines „Covid-Krankenhauses“ werden, die keine Covid-19-Patienten pflegen – und deren Arbeit dann bis auf Weiteres auf Eis liegt.