Knapp neun Milliarden Euro stellt die Regierung bereit, um möglichst viele Unternehmen durch die anhaltende Coronavirus-Krise zu bringen. Der Rettungsschirm hat jedoch einige Lücken, warnen die Wirtschaftsvertreter. Es droht eine Rezession mit ungewissem Ausmaß.

8,8 Milliarden Euro: Das entspricht dem Reichtum, den Luxemburg innerhalb von etwa sieben Wochen erwirtschaftet. Gemessen an der Wirtschaftsleistung stellt der Staat mehr Geld zur Verfügung als die zwei Billionen Dollar, die die USA gerade als Rettungspaket geschnürt haben.

Doch es gibt ein großes Aber. Denn bisher geht es vor allem um Zahlungsaufschübe und Bürgschaften. In Luxemburg machen die Steuern und Abgaben, die Unternehmen später zahlen können, mit 4,5 Milliarden Euro knapp die Hälfte des Pakets aus. Dazu kommen 2,5 Milliarden Euro an Garantien für Kredite.

Es bleiben schließlich 1,75 Milliarden Euro, die der Staat bereits jetzt ausgibt und die den Unternehmen und Beschäftigten tatsächlich zugute kommen. Und das sind dann „nur“ noch knapp drei Prozent des BIP. Ob das reicht, hängt vor allem davon ab, wie lange der „Lockdown“ dauert.

Ein Minus von drei bis fünf Prozent

Luxemburgs Wirtschaft droht durch die Coronavirus-Krise eine tiefe Rezession. Das Statistikamt Statec wird sich erst im Juni auf eine Prognose festlegen, geht aber auch bereits von „schlechten“ Zahlen aus. Die Regierung rechnet mit einem Wachstumseinbruch um drei Prozent, sagte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) am Wochenende  im „RTL-Background“.

Das könnte aber zu tief angesetzt sein. In einer ersten groben Schätzung gehen die Ökonomen der „Fondation Idea“ von einem Schrumpfen des BIP um fünf Prozent aus, erklärt Direktor Muriel Bouchet im Gespräch mit REPORTER. Zum Vergleich: 2009 schrumpfte die Luxemburger Wirtschaft um 4,4 Prozent, 2008 war es ein Minus von 1,3 Prozent.

Vor allem aber gilt dieses Szenario nur, wenn der „Lockdown“ Ende April beendet wird – was zumindest optimistisch scheint. Denn die Regierung will sich bisher nicht zu einer Exit-Strategie aus dem Ausnahmezustand äußern, auch wenn Experten daran gerade arbeiten.

Von V- und U-Kurven

Es ist das Szenario, das der „Sachverständigenrat“ der deutschen Bundesregierung aktuell für am wahrscheinlichsten hält: Ab dem Frühsommer kann sich die Wirtschaft wieder erholen, ähnlich wie es gerade in China passiert. Die Wirtschaftsleistung würde also stark absacken, dann aber die versäumte Produktion schnell wieder wettmachen – das wäre dann eine V-Kurve.

Ein deutlich schlechteres Szenario wäre eine U-Kurve: Die schwache Phase dauert länger und es braucht ebenfalls länger, bis die Wirtschaft sich erholt. Dann wären die Auswirkungen auch noch 2021 zu spüren, so die „Wirtschaftsweisen“. Pierre Gramegna geht davon aus, dass die Luxemburger Wirtschaft sich schneller erholt als etwa die deutsche. Dienstleistungen, die hierzulande vorherrschen, können deutlich schneller wieder in Gang kommen als die deutsche Industrie, so die Einschätzung des Ministers.

Was aber in den Szenarien der Ökonomen bisher fehlt: Es ist durchaus möglich, dass das Virus in Wellen zurückkommt, wenn die Maßnahmen gegen die Pandemie zu früh gelockert werden. Ein erneuter Anstieg von Infektionen und die entsprechenden Gegenmaßnahmen wären ohne Zweifel weiteres Gift für die Wirtschaft.

Doch die Unternehmen wünschen sich vor allem eine größere Transparenz seitens der Regierungen. „Die Politik muss ihre Kriterien und ihren Zeitplan für die gesundheitspolitischen Einschränkungen in einer Art Normalisierungsstrategie offenlegen“, fordern die deutschen „Wirtschaftsweisen“. Auch in Luxemburg mehren sich solche Forderungen, so etwa vom Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialrats, Jean-Jacques Rommes.

Bereits 7.000 Anträge auf Soforthilfe

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Tausende Unternehmen haben keine Einnahmen mehr, doch die Ausgaben laufen weiter. Vor allem kleine Betriebe haben kaum Rücklagen. Gerade sie brauchen schnelle Unterstützung. Diesen Zweck soll die Soforthilfe von 5.000 Euro pro Unternehmen bzw. Selbstständige erfüllen, die die Regierung am 25. März per Notverordnung verabschiedete. In weniger als einer Woche erhielt das Mittelstandsministerium 7.000 Anträge für diese Hilfe, meldete das „Luxemburger Wort“. Die Hilfe ist steuerfrei und muss nicht zurückgezahlt werden.

Allerdings hat diese Maßnahme offensichtliche Schwächen. Nur Unternehmen, die aufgrund des „Lockdowns“ schließen mussten – also etwa Restaurants, Bars oder Friseursalons – haben Anrecht auf die 5.000 Euro. „Hotels fallen nicht darunter, obwohl sie jetzt kaum noch Kunden haben“, kritisiert der Generaldirektor der Handelskammer, Carlo Thelen.

„Noch viel Luft nach oben“

Zudem ist der Betrag im Vergleich mit anderen Ländern äußerst bescheiden. In Deutschland sind bis zu 15.000 Euro pro Unternehmen möglich. Auf den Unterschied angesprochen, antwortet das Mittelstandsministerium: Man müsse das Gesamtpaket im Blick behalten. In Deutschland sei die Lohnfortzahlung bei Kurzarbeit auf 60 Prozent begrenzt, in Luxemburg seien es 80 Prozent, lautet ein Argument.

Trotzdem besteht ein deutliches Missverhältnis. Die Regierung rechnet mit Ausgaben von 50 bis 60 Millionen Euro – was zehn- bis zwölftausend Unternehmen helfen könnte. Es sind aber laut Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) insgesamt 15.000 Unternehmen von den Schließungen aufgrund des „Lockdowns“ betroffen. Es ist also wahrscheinlich, dass es für den Staat nochmals deutlich teurer wird.

„Bei der Soforthilfe ist noch viel Luft nach oben“, sagt Carlo Thelen. Er fordert, dass die Regierung schon jetzt an ein zweites Hilfspaket denken muss. Vor allem fällt auf, dass diese Liquiditätshilfe nur einen verschwindend geringen Anteil des Neun-Milliarden-Pakets ausmacht.

Großteil der Hilfen sind Kredite

Zwar fängt die Kurzarbeit-Regelung einen großen Teil der Personalkosten der Unternehmen auf. Doch die weiteren Liquiditätshilfen sind letztlich nur aufgeschobene Zahlungen. Unternehmen müssen die Steuern und Sozialabgaben später zahlen. Die staatlichen Beihilfen von bis zu 500.000 Euro müssen sie auch zurückzahlen – falls sie später wieder Gewinne machen. Bei Letzteren fallen zudem Zinsen an, wenn auch unter einem Prozent.

Ein großer Teil des Stabilisierungsprogramms besteht aus staatlichen Garantien. Diese sollen den Unternehmen helfen, kurzfristig an günstige Kredite zu kommen, um die aktuelle Krise zu überstehen und dann investieren zu können. In Luxemburg geht es dabei um ein Programm von maximal 2,5 Milliarden Euro. Dazu kommen Garantien der Europäischen Investitionsbank, der staatlichen Bank SNCI, des Exportbüros „Office du Ducroire“ und der „Mutualité“ der Berufskammern.

Aus der Sicht der Regierung sollen die Kredite die Finanzierung der Unternehmen in den nächsten Monaten sicherstellen und auch Investitionen nach der Krise ermöglichen. Allerdings entsteht durch diesen Ansatz auch ein Wust an unterschiedlichen Programmen, die jeweils eine andere Zielgruppe haben und an die unterschiedliche Bedingungen geknüpft sind.

Enorme Herausforderung für Banken

Die Banken werden in den nächsten Wochen eine zentrale Rolle spielen. Denn der Staat bietet in mehreren Programmen Garantien, aber die Kredite an die Unternehmen vergeben die Banken selbst. Die staatlichen Bürgschaften helfen nur, die Banken „zu beruhigen“, wie es der Finanzminister ausdrückt.

Es sei klar, dass die Banken vor einer logistischen Herausforderung stehen, sagt ABBL-Präsident Guy Hoffmann auf Nachfrage von REPORTER. Dabei ist die Personalsituation auch bei den Finanzdienstleistern bereits angespannt: Manche Mitarbeiter sind krank oder in Quarantäne, andere müssen sich um ihre Kinder kümmern.

Trotzdem werden die sechs Banken, die am Regierungsprogramm teilnehmen, bis spätestens Anfang Mai voraussichtlich mit Hunderten oder gar Tausenden Kreditanträgen konfrontiert sein. Allerdings hätten viele Kunden bereits Kontakt mit ihrer Bank aufgenommen, betont Guy Hoffmann. Außerdem würden die Banken in vielen Fällen die Situation der Unternehmen gut kennen, weil es langjährige Kunden seien. Das vereinfache die Kreditvergabe deutlich.

Kredite könnten zum Risiko werden

„Wenn das Business wieder läuft, dann können die Unternehmen das wieder zurückzahlen“, ist sich Pierre Gramegna sicher. Sein Nachfolger an der Spitze der Handelskammer ist da deutlich skeptischer: Ein Restaurantbetreiber habe kaum Möglichkeiten, die aktuellen und noch erwartbaren Ausfälle aufzufangen. Da stelle sich eben die Frage, wie diese Betriebe die Kredite zurückzahlen sollen, so Carlo Thelen.

Dazu kommt, dass die hiesigen Unternehmen nicht durch ihre Rentabilität glänzen – Luxemburg belegt in dieser Statistik den letzten Platz im EU-Vergleich. Das sei ein Faktor, den man beachten müsse, so Carlo Thelen. Zwar hat diese geringe Rentabilität viele unterschiedliche Gründe, wie das Statec 2018 feststellte. Dazu zählten große Unterschiede zwischen den Branchen. Doch gerade der Einzelhandel lag 2015 unter dem nationalen Durchschnitt.

Guy Hoffmann relativiert dieses Risiko: „Das erste Ziel ist es, ein Unternehmen mit angemessenen Summen am Leben zu erhalten“, so der Präsident der Bankenvereinigung ABBL. Es gebe in Luxemburg nur wenige Unternehmen, die dazu eine halbe Million Euro benötigen würden. Da wegen der Kurzarbeit unter anderem die Personalausgaben wegfallen, gehe es nicht um gewaltige Summen. Dazu kommen die niedrigen Zinsen, die es zwar den Banken nicht einfacher machen. Dafür sei es aber ein klarer Vorteil für jene Unternehmen, die jetzt auf Kredite angewiesen sind.

Parlament hält Nachbesserungen für nötig

Am Dienstag nahm das Parlament das Gesetz über Beihilfen für Unternehmen von bis zu 500.000 Euro an. Die Regierung geht von über 1.000 Anträgen dieser rückzahlbaren Hilfe aus, heißt es in der Genehmigung dieser Maßnahme durch die Europäische Kommission.

In der Debatte war die Dauer des „Lockdowns“ ein wiederkehrendes Problem. Denn das bestehende Stabilisierungspaket würde kaum ausreichen, wenn die sanitäre Krise monatelang anhält. Die Direkthilfe von 5.000 Euro pro Betrieb wäre dann unzureichend, sagte etwa der CSV-Abgeordnete Marc Spautz. Alle Parteien im Parlament unterstützten demnach eine Entschließung, die von der Regierung fordert, die maximale rückzahlbare Beihilfe falls nötig auf 800.000 Euro anzuheben. Doch auch das alleine dürfte die düsteren Konjunkturaussichten nicht verbessern.