In seinem neuen Jahresbericht geht der Wirtschafts- und Sozialrat (CES) neben der Bewältigung der Pandemie auch auf die Auswirkungen der Telearbeit in Luxemburg ein. Der Grundtenor: Neben Chancen birgt der Trend zum Homeoffice auch Gefahren für die heimische Wirtschaft. Auch, weil Luxemburg sich in einer paradoxen Lage befindet.

So ist das Großherzogtum EU-weit Spitzenreiter bei jenem Anteil an Arbeit, die sich aus dem Homeoffice erledigen lässt. Denn seine Wirtschaft wird vom Dienstleistungssektor und der Finanzindustrie bestimmt. Gleichzeitig hängt diese Wirtschaft jedoch maßgeblich von Pendlern ab und demnach von Arbeitnehmern, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Luxemburg haben.

Nicht zuletzt die Coronakrise habe dabei besonders Grenzgängern die Vorzüge der Telearbeit gezeigt. Das Wegfallen der täglichen Pendlerstrecke habe dazu geführt, dass das Homeoffice bei ihnen deutlich beliebter ist als bei Personen mit Hauptwohnsitz in Luxemburg. Zudem könnte das neue Arbeitsmodell zu flexibleren Arbeitszeiten und einer besseren Work-Life-Balance führen, so der Bericht des CES.

Allerdings dürften die Gefahren für den Standort Luxemburg nicht ignoriert werden, betont der Jahresbericht. Würde etwa jeder Grenzpendler nur einmal in der Woche auf das Homeoffice zurückgreifen, würde das täglich 40.000 Arbeitnehmer weniger bedeuten, die potenziell in Luxemburg ihr Geld ausgeben. Vor allem die Gastronomie würde unter diesem Ausfall leiden. So rechnet der Wirtschafts- und Sozialrat vor, dass dadurch der Tagesumsatz in der Gastronomie um rund 500.000 Euro zurückgehen könnte. Rechnet man diese Ausfälle hoch, bedeute dies jährliche Einbußen von 110 Millionen Euro und einen potenziellen Verlust von 1.000 Arbeitsstellen, so die Autoren des Jahresberichts.

Neben den direkten Folgen könnte der Homeoffice-Trend auch indirekte Konsequenzen für die Wirtschaft haben. Dies, weil Arbeitsmodelle, die vorher undenkbar waren, plötzlich möglich würden. Konkret könnte eine Stelle in Paris mit zwei Präsenztagen und drei Tagen Homeoffice für einen Universitätsabsolventen aus Lothringen in Zukunft attraktiver werden als ein Arbeitsplatz ohne Homeoffice-Regelung in Luxemburg. Ein Szenario, das den Fachkräftemangel in Luxemburg noch verschlimmern dürfte, so der CES.

Die gravierendsten Auswirkungen sieht der Wirtschafts- und Sozialrat allerdings in den Steuerfragen, die sich mit zunehmender Telearbeit stellen. Einerseits spricht sich der CES ausdrücklich dafür aus, die Steuerfreibeträge für Telearbeit möglichst großzügig zu gestalten. Andererseits stellt er die Frage, inwieweit man noch von einer territorial gebundenen, „nationalen“ Wertschöpfung sprechen könne, wenn die Arbeitnehmer einen Großteil ihrer Arbeitsleistung nicht mehr im Großherzogtum erbringen würden. Ein Dilemma, das dazu führen könnte, dass die Substanz von heimischen Firmen von den Steuerbehörden im benachbarten Ausland angezweifelt werden könnte. Auch wegen dieser Unklarheiten bestehe laut CES ein „reales Risiko“ einer Doppelbesteuerung von Luxemburger Unternehmen. (PS)