Das Ausländerwahlrecht ist seit dem Referendum von 2015 vom Tisch. Die Frage der Integration und Partizipation bleibt jedoch weiter aktuell. Nicht zuletzt wegen des zunehmend feindseligen Diskurses der neuen luxemburgischen Rechten. Eine Analyse.

Bis zum ominösen 1,2-Millionen-Einwohner-Staat ist noch etwas hin. Seit Beginn des Jahres ist Luxemburg aber immerhin schon offiziell bei der Hälfte angelangt. Die Überschreitung der Marke von 600.000 Einwohnern ist dabei nicht nur eine Statistik, sondern hoch politisch. Sei es der Ruf nach einem „qualitativen“ Wirtschaftswachstum (links bis mitte-rechts) oder die geschürte Angst vor der Überbevölkerung und dem gleichzeitigen Aussterben der luxemburgischen Identität (rechts außen): In einem Wahlkampf, der bereits jetzt von einer nebulösen Wachstumskritik geprägt ist, wird die Zahl wohl noch öfter zu hören sein.

Eine weitere Zahl wird dagegen voraussichtlich weniger eine Rolle spielen: 48 Prozent der zum 1. Januar 2018 im Land lebenden 602.005 Einwohner, bzw. exakt 288.234 Menschen, haben nicht die luxemburgische Staatsangehörigkeit – und damit auch kein Wahlrecht bei den kommenden Parlamentswahlen. Zieht man die ohnehin nicht wahlberechtigten Minderjährigen ab bzw. rechnet man frühere Erhebungen in diesem Punkt hoch, liegt die Zahl der bei Nationalwahlen nicht wahlberechtigten Einwohner über 18 Jahre schätzungsweise immer noch bei über 200.000 Menschen. Zum Vergleich: Rund 250.000 Luxemburger waren bei den Gemeindewahlen im Oktober 2017 wahlberechtigt.

Das grundlegende Problem bleibt bestehen

Nahezu die Hälfte der Bevölkerung wird bei den kommenden Wahlen also nur zuschauen dürfen. Was vor einigen Jahren von manchen Parteien als Skandal gebrandmarkt wurde, ist heute in der politischen Debatte kein Thema mehr. Der Grund ist offensichtlich. Im Juni 2015 sprachen sich fast 80 Prozent der Wähler im Referendum gegen das von der Regierung vorgeschlagene Wahlrecht für Nicht-Luxemburger bei Parlamentswahlen aus. Seitdem ist man sich parteiübergreifend einig: Das Thema ist vom Tisch.

Unabhängig davon bleibt das grundlegende Problem des wachsenden Demokratiedefizits aber bestehen. Die Demokratie, also die Herrschaft der durch Wahlen legitimierten und repräsentierten Mehrheit des Volkes, hat in Luxemburg einen beträchtlichen Makel. Denn in nicht allzu ferner Zukunft wird womöglich die Mehrheit des Volkes vom zentralen Moment dieser Herrschaftsform, der Wahl ihrer Vertreter im Parlament, ausgeschlossen sein.

DP, LSAP und déi gréng wollten das Ausländerwahlrecht einführen, haben es aber im Endeffekt auf unbestimmte Zeit verhindert. Besser hätten es CSV, ADR und „Nee 2015/Wee 2050″ auch nicht hingekriegt.“

Im politischen Post-Referendum-Diskurs scheint man sich mit dieser Perspektive abgefunden zu haben. Das Volk, in diesem Fall das luxemburgische Wahlvolk exklusive Ausländer, hat entschieden, damit stellt sich die Frage nicht mehr. Mehr noch: Aus Angst, die „80 Prozent“ der Wähler auch beim kommenden Urnengang im Oktober zu verprellen, wird die Frage selbst von jenen Parteien gemieden, die sich vehement für das „Einwohnerwahlrecht“ ausgesprochen hatten.