Immer mehr junge Menschen nutzen die Gelegenheit, in Luxemburg als Au-pair zu leben und zu arbeiten. Doch sobald Konflikte mit der Gastfamilie auftreten, ist das Au-pair auch hierzulande nicht hinreichend geschützt. Die Rufe nach mehr staatlicher Kontrolle werden lauter. 

Sie wollte nur noch nach Hause. Tränen der Erleichterung liefen ihr über das Gesicht, als Maria* Anfang Januar endlich im Flugzeug saß und in ihr Heimatland zurückfliegen konnte. „Vor einem halben Jahr bin ich mit großen Erwartungen nach Luxemburg gekommen“, erzählt sie. Luxemburg sei ja bekanntlich das Land der großen Möglichkeiten für Ausländer aus aller Welt. „Doch das gilt nur für reiche Expats, für Au-pairs wie mich gibt es hier weder Schutz noch Unterstützung. Viele von uns werden einfach nur ausgebeutet“, berichtet die junge Frau.

Eigentlich sollte es sich um eine klassische Win-Win-Situation handeln: Die Gasteltern werden entlastet, ihre Kinder bekommen eine weitere Bezugsperson und das Au-pair lernt relativ kostengünstig ein neues Land, neue Sprachen und ein neues Familienleben kennen. Ein Vertrag regelt Rechte und Pflichten der Beteiligten. Es gibt Kinderbetreuung gegen Kulturaustausch in einem geschützten Raum für alle.

Doch scheint der geschützte Raum häufig nur so lange zu bestehen, bis Konflikte auftreten. Reporter.lu hat mit mehreren Au-pairs, aber auch mit Gasteltern gesprochen, die bestätigen, dass die Betreuung der Au-pairs bei Problemen mit ihrer Gastfamilie nicht hinreichend gewährleistet ist. Auch die Nationale Menschenrechtskommission warnt in ihrem aktuellen Bericht zum Menschenhandel vor Missbrauch und spricht sich für eine verstärkte staatliche Kontrolle des Au-pair-Programms aus.

Mehr Missbrauch und Konflikte

Der „Service National de la Jeunesse“ (SNJ), der für das Programm in Luxemburg verantwortlich ist, ist sich einiger Probleme bewusst und versucht, Schwachstellen zu verbessern. Und doch wird auch Kritik an der Handhabung von Konflikten laut.

Es habe im Laufe der Zeit einen Mentalitätswechsel gegeben, beobachtet eine Gastmutter, die seit mehreren Jahren selbst Au-pairs bei sich zu Hause aufnimmt und nur unter Wahrung der Anonymität mit Reporter.lu sprach. Immer mehr Familien würden das Programm ausnutzen, um an billige Arbeitskraft zu kommen. Die Grundidee, nämlich der Kulturaustausch auf Augenhöhe (au pair), würde dabei oft missachtet.

Unbezahlte Überstunden, Haushaltsarbeiten wie Putzen und Einkaufen, eine Behandlung zweiter Klasse: Die Schilderungen betroffener Au-pairs bestätigen diese These. Eine junge Frau erzählt, sie habe nur unter der Woche duschen dürfen, nicht aber am Wochenende. Eine weitere bekam anderes Essen als die Familie, meist die Reste vom Vortag. Und eine andere Frau musste weiterarbeiten und im Haushalt helfen, obwohl sie erkrankt war.

„Die Kinder sagten die ganze Zeit, dass ich ihre Angestellte sei und für sie sauber machen solle, oft berührten sie meine Brust oder meinen Hintern. Ich sagte es der Gastmutter mehrmals und sie lachte nur. Es gab keinen Respekt“, schildert Maria die Situation, die ihren Aufenthalt im Dezember letzten Jahres frühzeitig abgebrochen hat.

Der SNJ als Mediationsorgan

Auch sie hatte sich Unterstützung vom SNJ erhofft, schrieb die Verantwortliche des Programms an und äußerte den Wunsch, die Familie zu wechseln. „Uns wird gesagt, der SNJ ist da, um uns zu helfen. Das ist aber falsch. Er handelt im Interesse der Gastfamilien. Gibt es Probleme, werden die Au-pairs unter Druck gesetzt und aufgefordert, in ihr Heimatland zurückzukehren“, erzählt die junge Frau. „Es ist sehr schwierig, diese Dinge allein durchzustehen und keine Unterstützung durch die Behörden zu erfahren.“

Für die allermeisten Familien steht weiterhin der kulturelle Austausch im Vordergrund, Konfliktsituationen bleiben die Ausnahme.“Nathalie Schirtz, SNJ

Der SNJ widerspricht und will die Vorwürfe so nicht gelten lassen. „Wir probieren, unsere Türen für beide Seiten weit aufzumachen“, sagt Nathalie Schirtz, stellvertretende Direktorin des SNJ. Gebe es Konflikte, würden beide Parteien zur Mediation mit dem SNJ geladen. „Bei uns handelt es sich um einen geschützten Raum. Wir sind neutral“, sagt die Verantwortliche für das Au-pair-Programm. Sie nimmt die Vorwürfe ernst und hat auch Erklärungen für die wachsende Unzufriedenheit mit dem Programm.

Der erste Grund sei rein rechnerischer Natur. Seit das Programm mit einem Gesetz im Jahr 2013 etabliert wurde, ist die Anzahl der Austausche jährlich gestiegen. Während 2014 noch 142 junge Menschen einen Antrag stellten, als Au-pair in Luxemburg zu leben, waren es im Jahr 2020 bereits 226, wie aus Statistiken des Bildungsministeriums hervorgeht. Im letzten Jahr nahmen 222 junge Frauen und vier junge Männer an dem Programm teil, sie kamen überwiegend von den Philippinen (61), aus Kamerun (27) aus Brasilien (17) und aus Madagaskar (17). Die Au-pairs waren im Durchschnitt 24 Jahre alt.

„Gehen die Austausche insgesamt in die Höhe, ist es logisch, wenn auch die Konfliktsituationen proportional ansteigen“, sagt Nathalie Schirtz. „Für die allermeisten Familien steht der kulturelle Austausch weiterhin im Vordergrund“, so ihre Überzeugung, „Konfliktsituationen bleiben die Ausnahme.“

Präventive Konfliktvermeidung

Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen diese These zu bestätigen. 19 Mal wechselte das Au-pair während des Aufenthalts die Familie, bei 15 Familien und ihren Au-pairs musste die Mediation eingeschaltet werden.

Dass es darüber hinaus jedoch weitere Konfliktsituationen gegeben hat, die von der Statistik nicht erfasst werden, weiß auch Nathalie Schirtz. Es komme immer wieder vor, dass nicht beide Parteien bereit seien, sich an einen Tisch zu setzen. „In diesen Fällen sprechen wir einzeln mit den Betroffenen, oft auch per Telefon“, erklärt die Leiterin des Programms. All diese Fälle tauchen in der Statistik nicht auf, ebenso wenig wie jene, die nicht bis zum SNJ durchdringen, sondern etwa durch einen frühzeitigen, eigenverantwortlich organisierten Abbruch beendet werden.

Die Menschenrechtskommission legt der Regierung nahe, das Gesetz zu verbessern, um einen höheren Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten.“Bericht über Menschenhandel

Um „Konflikte zu vermeiden und jeder Art von Missbrauch vorzubeugen“, wie es im Tätigkeitsbericht von 2020 heißt, wolle sich der SNJ in Zukunft verstärkt auf die präventive Konfliktvermeidung konzentrieren und die Kontrollmechanismen verschärfen. Das im Februar 2013 verabschiedete Gesetz zum Empfang von Au-pairs regelt die Rahmenbedingungen und schreibt Rechte und Pflichten sowohl der Gastfamilie als auch des Au-pairs vor. So darf die Teilnahme des Au-pairs an den täglichen Familienaufgaben, wie Kinderbetreuung und Haushalt, dem Gesetz nach nicht Hauptzweck seines Aufenthaltes sein und nicht mehr als fünf Stunden pro Tag und 25 Stunden pro Woche betragen.

Sowohl die Familie als auch das Au-pair müssen im Vorfeld einen Antrag auf Zulassung stellen, der vom SNJ geprüft und gegebenenfalls gebilligt wird. Eine individuell ausgearbeitete Konvention zwischen der Gastfamilie und dem Au-pair soll bereits im Vorfeld für Klarheit sorgen. „Bei der Ausarbeitung der Konventionen sind wir im Laufe der Jahre strenger geworden“, sagt Nathalie Schirtz vom SNJ. „Es sind oft Kleinigkeiten, die zu großen Konflikten führen können“, weiß sie aus den Erfahrungen der letzten Jahre. „Da geht das Gesetz nicht weit genug.“

Deshalb achte der SNJ verstärkt darauf, dass die Konvention über die im Gesetz festgeschriebenen Rahmenbedingungen hinaus gehe und auch Fragen, wie jene zu Reisekosten oder zur Beteiligung an Familienurlauben im Voraus kläre. „Das erspart böse Überraschungen für alle Beteiligten“, so Nathalie Schirtz.

Eine fragwürdige Privatisierung

Mit dem Ziel, die Betreuung der Au-pairs zu verbessern und bereits bei der Vermittlung passender Familien zu helfen, hat der SNJ zudem Anfang letzten Jahres eine Agentur engagiert. Als direkter Ansprechpartner vor Ort sollte „LuxAuPair“ sowohl für suchende Familien als auch für Au-pairs eine Anlaufstelle bieten, die über die beliebten Online-Plattformen wie „aupairworld.com“ oder „greataupair.com“ hinausgeht.

Doch die Agentur scheint nicht sehr aktiv zu sein. Reporter.lu hat trotz wiederholter Versuche der Kontaktaufnahme keine Antwort von den Verantwortlichen der Agentur zu ihrer Arbeitsweise erhalten. Nathalie Schirtz vom SNJ betont zwar, in regelmäßigem Kontakt mit der Privatfirma zu sein, bestätigt aber auch, dass die Dienstleistungen der Agentur bis heute kaum genutzt würden. „Eine Analyse ist im Gang“, sagt sie. „Wir planen eine Umfrage bei den aktuellen Gastfamilien, um herauszufinden, warum sie diesen Service nicht in Anspruch nehmen.“

Die Menschenrechtskommission kritisiert in ihrem Bericht ausdrücklich die Abgabe der Verantwortung an private Agenturen und spricht sich für eine stärkere staatliche Kontrolle aus. Vereinbarungen zwischen einem Au-pair und einer Gastfamilie könnten derzeit auch inoffiziell geschlossen werden und sich somit den Kontrollmechanismen des Bildungsministeriums entziehen, heißt es in dem Bericht.

Die Kommission legt der Regierung ausdrücklich nahe, das Gesetz anzupassen, um die Mängel zu beheben und einen größeren Schutz für die betroffenen Personen zu gewährleisten. Mit ausgeweiteter Verantwortlichkeit könnte auch der SNJ Missbrauch aktiver bekämpfen. So könnte Luxemburg vielleicht auch seinem Ruf als „das Land der Möglichkeiten für Ausländer aus aller Welt“, wie Maria das Großherzogtum beschrieb, ein Stück weit gerechter werden.


* Name von der Redaktion geändert