Schimmelpilz, giftige Gase, eine hohe Strahlenbelastung: Seit 1994 unternimmt die Umweltambulanz Messungen bei Menschen, die unter Umwelteinflüssen leiden. Der Dienst ist überlastet, unterbesetzt und bis Juni mit Terminen ausgebucht. Leidtragende sind dabei die Patienten.
Vielleicht ist die Umweltambulanz ein Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Vielleicht wurde sie aber auch einfach in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Wer heute einen Termin beim Dienst des Gesundheitsministeriums anfragt, muss sich bis Juni gedulden. Der Dienst funktioniert eher schlecht als recht. „An einem solchen Tiefpunkt wie jetzt hat sich der Dienst bisher noch nie befunden“, sagt Umweltmediziner Dr. Roby Thill im Gespräch mit REPORTER.
Dabei ist Umweltmedizin gerade heute in aller Munde. Erst vor ein paar Monaten wurde öffentlich, dass die Umweltklinik in das geplante „Südspidol“ kommen wird.
Die Umweltamblanz wurde 1994 vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufen. Ihre Mission besteht darin, Wohnräume oder Arbeitsplätze auf Schadstoffe zu untersuchen. Damit der Dienst bei Privatpersonen vorbeikommt, muss der Patient ein Attest des Arztes einreichen. Mittlerweile ist noch eine Person für diesen Dienst verantwortlich, ihr steht noch eine Sekretärin zur Seite. Mehr nicht.
Umweltmedizin beschäftigt sich mit Krankheiten und gesundheitlichen Problemen, die durch Umweltfaktoren entstehen. Das kann Schimmel an den Wänden sein, eine zu hohe Strahlenbelastung aber auch Pestizide. Der Umweltmediziner stellt die Diagnose und legt die Behandlung für den Patienten fest.
Geduld ist gefragt
Die lange Wartezeit zeigt einerseits, dass der Dienst gefragt ist. Andererseits kümmert sich aktuell nur noch eine Person um die Umweltambulanz. Eine zweite soll im Februar folgen. Für Dr. Roby Thill, Präsident der „Association Luxembourgeoise de la Médecine de l’Environnement“ (ALMEN) reicht das bei Weitem nicht aus. Ein Arzt sei in Rente, ein weiterer Mitarbeiter sei versetzt worden. Es mangele an Personal und es dauere zu lange, bis die Ergebnisse der Proben endlich beim Arzt ankommen. Das kann fünf bis sechs Monate dauern. Erst dann könne er aber bei manchen Patienten eine Diagnose stellen und mit der Behandlung beginnen.
Mitarbeiter sind im Bereich Umweltmedizin allerdings schwer zu finden. Diejenigen, die heute noch da sind, machen es aus reiner Überzeugung. „Das Konzept der Umweltambulanz muss komplett überarbeitet werden. So wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht mehr“, sagt ein Experte, der namentlich nicht genannt werden will.
Hinzu kommt, dass der Dienst nicht ausschließlich für medizinische Zwecke genutzt wird. Er muss auch für andere Probleme herhalten. So wird die Umweltambulanz auch genutzt, um beispielsweise Schimmelpilz in Wohnungen festzustellen, damit Mieter schneller aus ihren Mietverträgen rauskommen. Auch das sei zwar wichtig, so der Insider. Damit habe die Umweltambulanz allerdings ihr Ziel verfehlt. „Letztlich sind die Patienten die Leidtragenden, weil sie warten müssen.“
Von 25 auf drei Umweltmediziner
Während der Bau einer Umweltklinik im „Südspidol“ nach Jahren konkret wird, funktioniert die ambulante Umweltmedizin heute in Luxemburg eher schlecht als recht. Das hat gleich mehrere Ursachen: Es ist eine Frage des Personals und des Geldes.
Einerseits fehlt es an Umweltmedizinern. Von einer passenden Ausbildung für Ärzte, um biologische Auswirkungen von Giftstoffen und Strahlen zu beurteilen, ganz zu schweigen.
Dabei gab es unter dem ehemaligen Gesundheitsminister Carlo Wagner (DP) kurzzeitig eine passende Weiterbildung. „Zwischen 2000 und 2002 haben etwa 25 Ärzte sich im Auftrag des Gesundheitsministeriums zu Umweltmedizinern ausbilden lassen“, sagt Roby Thill. „Die haben aber fast alle wieder aufgehört.“
Kein Tarif, keine Anerkennung
Der Grund: Umweltmediziner sind in Luxemburg nicht offiziell anerkannt. Also bekommen sie von der Gesundheitskasse CNS auch keinen Tarif für ihre Arbeit. Der Patient zahlt praktisch alles aus eigener Tasche – eine Rückerstattung gibt es nicht. Als Allgemeinmediziner könnte Roby Thill 46,10 Euro pro Sprechstunde berechnen. Eine umweltmedizinische Untersuchung dauert allerdings mindestens eine Stunde – gerne auch länger.
Wie das „Lëtzebuerger Land“ schreibt, will das Sozialministerium aktuell zu Tarifen „noch nicht viel sagen“. Gesundheitsminister Etienne Schneider kann sich laut der Wochenzeitung allerdings eine Anerkennung der Berufssparte vorstellen – um so „bestimmte Auswüchse“ von Ärzten zu vermeiden, die ohne die nötigen Kenntnisse Diagnosen stellen und Behandlungen anbieten.
Der Vorteil der Umweltklinik: Sie wird aller Voraussicht nach als Pilotprojekt starten. Dann wird sie nicht von der CNS, sondern vom Gesundheitsministerium finanziert. In dem Fall müssen die Ärzte der Klinik nicht darauf warten, dass die CNS einen Tarif ausarbeitet.
Eine Klinik ist gut – löst aber nicht alle Probleme
Für Dr. Roby Thill ist die Klinik zwar eine gute Entscheidung, aber nicht die einzig wahre Lösung für die vielen Probleme rund um das Thema Umweltmedizin. „Die Stellen in der Umweltklinik müssen auch mit Experten besetzt werden – und die gibt es momentan in Luxemburg nicht.“ Außerdem sei nicht jeder Umwelt-Patient automatisch ein Fall für das Krankenhaus.
Dort sind neben ambulanten Leistungen ohnehin nur zwei stationäre Betten vorgesehen. Roby Thill glaubt, dass die schnell belegt sind – und nicht ausreichen. „Die Klinik und die ambulanten Sprechstunden müssen deshalb komplementär zueinander funktionieren“, wünscht er sich. Aktuell liegt der Fokus aber vor allem auf der Klinik.
Und die ambulante Umweltmedizin kämpft weiterhin ums Überleben. Mit der geplanten Klinik könnte sie bei der Politik gar ganz in Vergessenheit geraten. Von der Ein-Mann-Umweltambulanz einmal abgesehen.