Mit etwas Verspätung wurde das Audit beim „Film Fund“ zum Politikum. Bei aller Kontroverse sollte klar sein: Will Luxemburg eine eigene Filmindustrie, dann wird das auch weiterhin etwas kosten. Eine kritische Debatte darüber ist jedoch auszuhalten. Ein Kommentar.

Er wünsche sich manchmal etwas mehr „Lobgesang“ auf die Filmbranche, sagte der Produzent Paul Thiltges kürzlich in einem Interview mit „Radio 100,7“. Der Präsident des Verbandes der Filmproduzenten bezog sich dabei ausdrücklich auf die rezenten Diskussionen in Medien und Politik über den „Film Fund“.

Zur Erinnerung: Infolge von Verhandlungen über eine Erhöhung des Budgets der staatlichen Filmförderung hatte die Regierung ein Audit des „Film Fund Luxembourg“ in Auftrag gegeben. Dieser liegt mittlerweile seit über einem Jahr vor. REPORTER berichtete darüber in mehreren Beiträgen. Vor rund zwei Wochen griff auch „RTL“ das Thema nochmals auf und berichtete über „Interessenkonflikte und Intransparenz“ beim „Film Fund“.

Sachliche Kritik und gereizte Reaktionen

Die Kontroverse führte mittlerweile zu ungewöhnlich harschen Reaktionen. Sowohl Premierminister Xavier Bettel (DP) als auch „Film Fund“-Direktor Guy Daleiden (DP) und manche Branchenvertreter wehren sich stets vehement gegen jegliche Kritik. Das oft hervorgebrachte Totschlag-Argument: Wer den „Film Fund“ kritisiert, der stellt die ganze Filmindustrie in Frage. Und wer nicht mit uns ist, der ist zwangsläufig gegen uns.

Geld ist nicht alles, auch in der teuren Filmindustrie nicht.“

Die Repliken geschahen oft mit fragwürdigen Argumenten und in zweifelhaftem Ton. Ihn mache es „zunehmend nervös“, dass immer mehr Leute über etwas „braddelen“, von dem sie nichts verstehen würden, sagte etwa Guy Daleiden bereits Ende 2018 im Gespräch mit REPORTER. Mit dem bemerkenswerten Zusatz: „Wir leben nun einmal in einer subjektiven Welt, in der sich jeder zu Wort melden kann. Würden wir in einer objektiven Welt leben, in der ein Einzelner an der Spitze nach objektiven Kriterien entscheiden könnte, dann wäre Ruhe.“

Auf dieser Ebene lässt sich eine sachliche Debatte freilich schwer führen. Dabei gibt es letztlich auf beiden Seiten gute Argumente. Ja, die staatlich subventionierte Filmbranche lässt sich anhand von mehreren Beispielen als „Success story“ (Paul Thiltges) bezeichnen. Richtig ist aber auch: Parallel zu dieser Erfolgsgeschichte gibt das Förderungssystem vielfach Anlass zur auf Fakten basierten Kritik.

Beispiele für nachweisliche Missstände

Dazu gehört etwa die Tatsache, dass manche Produktionsfirmen es mit der Transparenz und dem Gesetz nicht so ernst nehmen. So veröffentlichte das Unternehmen „Tarantula Luxembourg“ jahrelang keine Geschäftsbilanzen, erhielt im gleichen Zeitraum aber mehrere Millionen Euro an staatlichen Finanzhilfen. Dabei handelt es sich nicht nur um mangelnde Transparenz. Die Veröffentlichung von Bilanzen ist laut Gesetz für jedes luxemburgische Unternehmen vorgeschrieben. Die besagte Firma reichte die Bilanzen mittlerweile nach.

Hinzu kommt, dass die Branche selbst eine „Finanzkrise“ des Sektors ausgerufen hat. Gleichzeitig geht es manchen Produktionsfirmen finanziell aber durchaus gut. „Iris Productions“, eine der größten Produktionsfirmen des Landes, machte etwa dank staatlicher Unterstützung im Jahre 2016 einen Gewinn von 1,5 Millionen Euro. Die Firma „Bidibul“ zahlte ihren Aktionären in den vergangenen Jahren konstant hohe Dividenden aus – in Gesamthöhe von 1,8 Millionen Euro.

Ohne staatliche Unterstützung gäbe es wohl keine nennenswerte luxemburgische Filmindustrie.“

Das Audit spricht in diesem Zusammenhang von einem Wirtschaftszweig, der quasi absolut vom Staat abhängig ist („proche de l’assistanat“). Die Produzenten, die sich bis vor wenigen Jahren auf einen kleinen Kreis reduzierten, könnten von einer „quasi vordefinierten Gewinnmarge“ ausgehen.

Ein weiterer Aspekt betrifft mögliche Interessenkonflikte. Wie das Audit feststellt, bezog der Produzent Paul Thiltges im Jahr 2016 ein Beraterhonorar des „Film Fund“ in Höhe von knapp 70.000 Euro. Gleichzeitig erhielt er über seine Produktionsfirma Finanzhilfen des Fonds. Laut dem Audit habe demnach „un risque de conflit d’intérêt et de fraude sur les actifs du Fonds“ bestanden. Das Problem sei zwar seitdem behoben worden. Doch, so das Fazit des Audits: „Un conflit d’intérêt pourrait subsister.“

Dies sind nur drei Beispiele für jene „Missstände“, die in der Berichterstattung aufkamen. Sie sind sicher kein Grund, um dadurch gleich die gesamte staatliche Filmförderung in Frage zu stellen. Aber es sind Aspekte, die einer Klärung bedürfen.

Es geht letztlich um Rechenschaftspflicht

Auf solche Dinge angesprochen, fallen die Reaktionen des Filmsektors und des „Film Fund“ aber regelmäßig merklich gereizt aus. Als sei jegliche Kritik an der mit bald 40 Millionen Euro an Steuergeldern pro Jahr subventionierten Filmbranche Majestätsbeleidigung, gehen die Verantwortlichen einer substanziellen Debatte bisher aus dem Weg. Stattdessen werden sie entweder ausfallend oder wünschen sich eine Hofberichterstattung – Stichwort: „Lobgesang“.

Eine Institution wie der „Film Fund“ kann sich einer Kontrolle schlichtweg nicht entziehen.“

Doch kritisches Nachfragen muss erlaubt sein – beim „Film Fund“ und bei jedem anderen Sektor auch, der sein Geschäftsmodell wesentlich auf staatlichen Geldern aufbaut. Hinter der Kritik verbirgt sich nämlich nicht mehr als der Anspruch auf ein Mindestmaß an Rechenschaft. Eine Institution wie der „Film Fund“, der jährlich viele Millionen Euro an Subventionen verteilt, die lange einem überschaubaren Kreis an Begünstigten zugute kamen, kann sich einer Kontrolle – sei sie politisch, journalistisch oder gesellschaftlich – schlichtweg nicht entziehen.

Denn in einem Punkt sind sich Kritiker und Kritisierte zumindest einig: Ohne staatliche Unterstützung gäbe es wohl keine nennenswerte luxemburgische Filmindustrie. Während die Beihilfen in den vergangenen 20 Jahren knapp vervierfacht wurden, gibt es quasi keine Produktion, die sich rein wirtschaftlich rechnet bzw. Geld zurück in die Staatskassen spült. Demnach sollte man bei der Kritik an der Funktionsweise des „Film Fund“ auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Ein Plädoyer für etwas mehr Gelassenheit

In einem weiteren grundsätzlichen Punkt sollte zudem ein Konsens möglich sein: Die Qualität der luxemburgischen Filmproduktionen hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten durchaus zugenommen. Auch wenn ein Film, wie jedes Kulturgut, eine Frage des Geschmacks ist, deuten diverse Filmpreise und andere Auszeichnungen darauf hin, dass die Steuergelder nicht vergebens investiert wurden. Geld ist nicht alles, auch in der teuren Filmindustrie nicht.

Die Branche sollte eine kritische Debatte über ihr staatlich garantiertes Geschäftsmodell zulassen – im eigenen Interesse.“

Allerdings wird selbst unter Akteuren der Filmbranche zum Teil kontrovers diskutiert, welche Prioritäten man in den kommenden Jahren setzen soll. Animationsfilme, klassische Filme oder Serien, Virtual-Reality-Filme? National relevante oder internationale, potenziell kommerziell erfolgreiche Produktionen? Unabhängig von der kritikwürdigen wirtschaftlichen und finanziellen Seite sollte man die rein kulturelle Perspektive der Debatte nicht ausblenden.

Aus journalistischer Sicht lässt sich jedoch ohne jegliche Polemik feststellen: Die Rolle der Presse ist es nicht, einen „Lobgesang“ anzustimmen, sondern kritisch zu berichten. Die Lobeslieder singen die Produzenten und die Verantwortlichen des „Film Fund“ schon selbst genug über sich. Das will ihnen auch keiner nehmen.

Doch gleichzeitig sollten die Branchenvertreter eine kritische Debatte über ihr staatlich garantiertes Geschäftsmodell zulassen – im eigenen Interesse. Angesichts ihrer andauernden „Success story“ sollte das in Zukunft doch mit ein wenig mehr Gelassenheit möglich sein.