Das Nachhaltigskeitsministerium hat so viele Kompetenzen und Macht wie nie zuvor. Und trotzdem taten sich die grünen Regierungsmitglieder in den vergangenen fünf Jahren schwer mit Antworten auf das enorme Wachstum. Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken. Ein Kommentar.

„Ich will mich nicht mit kleinen Schritten zufrieden geben“, sagte Nicolas Hulot bei seinem Live-Rücktritt auf „France Inter“ Ende August. Der nun Ex-Umweltminister klagte über die mangelnde Weitsicht in der Politik. „Die langfristigen Probleme überfordern unsere Gesellschaft“, so der Franzose.

Dieser Frust erinnert an Frankreichs allerersten Umweltminister. Le ministère de l’impossible nannte Robert Poujade die Bilanz seiner Amtszeit von 1971 bis 1974. Er klagte über widerspenstige Beamte, einflussreiche Lobbys und die fehlende Kontrolle über wichtige Verwaltungen. Das Ministerium des Unmöglichen könne nur dann zum Ministerium des Möglichen werden, wenn der Umweltminister mehr Macht bekomme – etwa bei der Landesplanung.

Die kleinen Schritte des Superministeriums

Genau darin lag eben nicht das Problem von Nicolas Hulot. Er war Nummer drei der französischen Regierung und kontrollierte alles von Naturschutz über Landesplanung bis Energie. Eine Machtfülle von der Robert Poujade nur träumen konnte.

Luxemburgs erster Umweltminister Josy Barthel (DP) war ab 1977 immerhin auch für Transport, Energie und Tourismus zuständig. Doch auch hierzulande nahm die Macht zu. Das grüne Trio François Bausch, Carole Dieschbourg und Claude Turmes kontrolliert heute ein Nachhaltigkeitsministerium, das von Transport über Landesplanung bis Wasserschutz alle nötigen Hebel in der Hand hält. Nur die Energiepolitik liegt noch in den Händen des Wirtschaftsministeriums.

Das Trio betonte kürzlich bei einer Bilanzpressekonferenz, wie sehr es die Verwaltungen umgekrempelt, das Zusammenwirken zwischen Abteilungen verbessert und Prozeduren gestrafft hat. Und dass es manchen von vorigen Regierungen vererbten Rückstand aufgearbeitet hat.

Noch nie zuvor war das Nachhaltigkeitsministerium so gut aufgestellt. Trotz dieser Durchschlagskraft blieb gerade im Umweltbereich der große Wurf aus. „Ich finde auch kleine Schritte wichtig“, verteidigt Carole Dieschbourg ihre Bilanz. François Bausch klagt seinerseits, wie schwer das außerordentliche Wachstum des Landes und seiner Bevölkerung die Arbeit des Nachhaltigkeitsministers mache – trotz Investitionen in Milliardenhöhe.

Bevölkerungsexplosion wie in Afrika

Gerade in Frankreich herrschte lange die Illusion, man müsse nur einen Minister mit ausreichend Macht ausstatten und dann würde Frankreich von alleine zum ökologischen Wunderland werden. Nun zeigt sich, dass das alleine nicht reicht. Auch für den nächsten Luxemburger Nachhaltigkeitsminister wird das eine bittere Erkenntnis sein.

Denn die Lage in Luxemburg ist dramatisch. Die CO2-Emissionen sind weiterhin hoch und steigen dieses Jahr wieder an. Die Luxemburger kaufen mehrheitlich Autos, die mehr CO2 ausstoßen als in den Nachbarländern. Und damit stehen sie dann pro Jahr im Schnitt über 30 Stunden im Stau. Trinkwasserquellen sind mit Pestiziden belastet, Badegewässer taugen nicht zum Baden. Die Bauern klagen über das Zubetonieren von Wiesen und Feldern.

In den letzten acht Jahren stieg Luxemburgs Bevölkerung um 100.000 Einwohner, betonte François Bausch anlässlich der Bilanz-Pressekonferenz. Das erinnere an Länder aus Sub-Sahara-Afrika, heißt es in einer Präsentation der Abteilung für Landesplanung.

Eine „Mission Impossible“

Das Modell der letzten 30 Jahre von hohem Wirtschaftswachstum und einer schnell zunehmenden Bevölkerung könne Luxemburg so nicht weiterführen, betonte Bausch. Wie eine Regierung es anders machen könnte, ließ er dagegen offen.

Doch nicht nur bei Déi Gréng herrscht Ratlosigkeit. Am Montagmorgen diskutierten die Spitzenkandidaten von CSV und LSAP über die Wachstumsfrage und der Zuhörer ist am Ende nicht schlauer. Claude Wiseler will ein geringeres Bevölkerungswachstum, Etienne Schneider die negativen Folgen des Wachstums bekämpfen. Konkreter wurde es nicht.

Doch politische Reden reichen nicht mehr, warnten am Wochenende 700 franzöische Wissenschaftler in einem flammenden Appell in „Libération“. Mit seinem Rücktritt wollte Hulot bezeugen, wie dringend das politische Handeln ist und wie wenig passiert. Diese Botschaft muss auch in der Luxemburger Politik ankommen. Sonst steht der nächste Luxemburger Nachhaltigkeitsminister – egal mit viel Macht ausgestattet – vor einer „Mission Impossible“.