Blau-Rot-Grün könnte es für die Neuauflage gemächlich angehen lassen. Doch die Eckpunkte des Koalitionsprogramms zeigen ein extrem ehrgeiziges Projekt, gerade in Steuerfragen. Manches ist gar zu ambitiös, um in fünf Jahren umgesetzt zu werden. Ein Kommentar.
„Et léiert een och. Dat rësselt een net sou aus dem Aarm“, sagte Formateur Xavier Bettel am Donnerstag. Er meinte damit die Lehren aus dem desaströsen Ausgang des Referendums von 2015. Das Vorhaben, die Bürger über Ausländerwahlrecht und weitere Fragen entscheiden zu lassen, war die Überraschung im Programm der ersten Auflage von Blau-Rot-Grün. Und ihr größtes Scheitern.
Doch Bettels Warnung passt genau so gut zur kompletten Umwälzung des Steuersystems, die die Koalitionäre umsetzen wollen. Die Steuerklassen sollen verschwinden und alle gleich besteuert werden, egal ob Single, verheiratet oder mit Kindern, kündigte Corinne Cahen (DP) an. Gleichzeitig soll niemand schlechter gestellt werden, so die Verhandlungsführerin der Liberalen. Das allein könnte eine Verwaltung überfordern.
Dazu kommen aber noch die Pläne, den Mindestlohn über eine geringere Besteuerung zu erhöhen, die Grundsteuer zu reformieren und die Kilometerpauschale ökologischer zu gestalten.
Die unmögliche Reform
Die Steuerreform sei die größte Herausforderung seiner ersten Amtszeit gewesen, sagte Finanzminister Pierre Gramegna vor den Wahlen. Und die Steuerreform 2017 war simpel im Vergleich zu dem, was Blau-Rot-Grün nun plant.
Die Koalitionäre sind nicht weiser geworden. Noch immer ist Vollgas das Motto – zumindest auf dem Papier.“
Die Regierung prüfe die Möglichkeit einer Individualisierung der Besteuerung, hieß es bereits im Programm 2013. Doch die Wahl, ob einzeln oder als Paar besteuert zu werden haben seit 2018 vor allem die Grenzgänger. Die zahlreichen Fragen, die sie zu dieser Änderung hatten, legte die Hotline der Steuerverwaltung während Wochen lahm. Insgesamt waren Finanzministerium und Verwaltung bereits in den letzten Jahren personell am Limit – ohne Jahrhundertreform.
Der frühere Direktor der Steuerverwaltung, Guy Heintz, hält die Abschaffung der Steuerklassen im Wesentlichen für unmöglich. Entweder zahlen manche Haushalte am Ende deutlich mehr Steuern oder die Reform führt den Staat in den Ruin, sagte er auf RTL. Eine solche Reform zaubert man nicht aus dem Ärmel. Zum Vergleich: Am Gesetz von 1967, auf dem das heutige Steuerrecht beruht, wurde ganze zwölf Jahre gearbeitet.
Neue internationale Steuerregeln lassen das Geschäft der Nischenpolitik bröckeln – was aber bis zu einem Viertel der Steuereinnahmen ausmacht.“
Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Blau-Rot-Grün zu ehrgeizig in Sachen Steuern ist. Die Reform der Grundsteuer stand bereits im Programm der Regierung „Bettel 1“. Doch zu Ergebnissen kam es nicht. Die Koalitionäre sind demnach in den letzten fünf Jahren nicht weiser geworden. Noch immer ist Vollgas das Motto – zumindest auf dem Papier. Doch anders als 2013 gibt es keine festen Deadlines mehr. Man wolle die vollen fünf Jahre nutzen, so Bettel.
Hoffen auf sprudelnde Steuereinnahmen
Dabei sind die Ziele der Dreierkoalition durchaus löblich. Das Steuersystem ist auf Ehepaare ausgerichtet. Nun wissen wir alle, dass Scheidungen zunehmen und viele Paare auch ohne Trauschein (oder Pacs) auskommen. Entsprechend benachteiligt sind Alleinerziehende. Eine Individualisierung ist also sinnvoll – aber eben extrem kompliziert und teuer für den Staat.
2013 war Blau-Rot-Grün als Sparkoalition angetreten und gab dann hunderte Millionen Euro aus. Vielleicht folgt diesmal das gleiche Schauspiel in umgekehrter Reihenfolge.“
Gleichzeitig sollen zahlreiche staatliche Leistungen gratis werden: öffentlicher Transport, Maisons Relais und Musikunterricht. All dies ist nur umsetzbar, wenn die Steuereinnahmen weiter sprudeln. Zwischen 2000 und 2017 stiegen die Einnahmen um 131 Prozent. Das ist mehr als eine Verdopplung, trotz Finanzkrise.
Doch ist alles andere als gesichert, dass es so weiter geht. Luxemburg hat fast alle Menschen in den Grenzregionen rekrutiert, die zu rekrutieren sind. Es werden also potenziell weniger Arbeitsplätze geschaffen und damit auch weniger Steuern gezahlt. Neue internationale Steuerregeln lassen das Geschäft der Nischenpolitik bröckeln – was aber bis zu einem Viertel der Steuereinnahmen ausmacht. Und schließlich können Brexit und Trumps Handelskriege eine kalte Dusche für die Luxemburger Wirtschaft sein.
2013 war Blau-Rot-Grün als Sparkoalition angetreten und gab dann hunderte Millionen Euro aus. Vielleicht folgt diesmal das gleiche Schauspiel in umkehrter Reihenfolge.