Luxemburgs Kläranlagen standen lange nicht oben auf der politischen Agenda. Seit 2006 war bekannt, dass sie die EU-Regeln nicht erfüllten. Es hat zwölf Jahre gedauert, bis Luxemburg alle Anforderungen der Abwasserreinigung erfüllte. Nun soll Brüssel endlich grünes Licht geben.
Seit 2013 muss Luxemburg wegen seiner Kläranlagen tief in die Tasche greifen. Sie waren veraltet und konnten die kommunalen Abwässer nicht ordnungsgemäß behandeln. Die Folgen waren zu hohe Stickstoff- und Phosphatbelastungen der hiesigen Gewässer. Im November 2013 verurteilte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) das Großherzogtum zu einem Strafgeld von zwei Millionen Euro sowie zusätzlichen 2.800 Euro pro Tag, an dem das Großherzogtum gegen die EU-Abwasserrichtlinie verstößt. Insgesamt zahlte Luxemburg seither rund sechs Millionen Euro Strafe.
Nun, fünf Jahre später, hat Luxemburg die Auflagen endlich erfüllt. Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) verkündete die so kurz vor den Wahlen doch sehr gelegene Nachricht vergangene Woche an. Seit Januar dieses Jahres seien die Werte EU-konform, sagte sie auf der Bilanz-Pressekonferenz des Nachhaltigkeitsministeriums. Die offizielle Bestätigung der EU soll noch diesen Monat folgen.
Bis zur Konformität war es ein weiter Weg. Lange hatte die Modernisierung der Kläranlagen keine politische Priorität. Dabei war das Problem spätestens seit 2006 bekannt. Damals fiel bereits das erste Urteil des Europäischen Gerichtshofs. 2011 wurde Luxemburg ein weiteres Mal zur Verantwortung gezogen. Das Großherzogtum konnte die Zahl der nicht-konformen Anlagen zwar reduzieren. Doch 2013 verletzten immerhin noch sechs Anlagen die EU-Auflagen.
Das Beispiel „Bleesbréck“
Insgesamt gibt es in Luxemburg 221 kommunale Kläranlagen. 107 davon sind sogenannte mechanische Anlagen, die die Abwässer nur unzureichend reinigen. Zwar handelt sich aber vorwiegend um kleine Anlagen mit geringer Kapazität. Dennoch will das Umweltministerium die Zahl schnellstmöglich auf Null reduzieren.
Welche Probleme solche veralteten Kläranlagen zur Folge haben, zeigt das Beispiel der „Bleesbréck“ bei Bettendorf. Es war die letzte Kläranlage, die den EU-Anforderungen nicht erfüllte.
Das Wasser hatte lange Zeit keine Lobby.“SIDEN-Direktor Roland Schaack
Genau wie die anderen von Brüssel bemängelten Anlagen konnte die „Bleesbréck“ weder Stickstoff noch Phosphor aus den Abwässern eliminieren. Gelangen diese in die Gewässer, hat das weitreichende Konsequenzen: „Die Gewässer werden mit Algen überwuchert, die den Pflanzen und Tieren den Lebensraum nehmen. Sie wandern ab oder sterben aus“, erklärt der Direktor des Abwassersyndikats SIDEN, Roland Schaack. Keine guten Voraussetzungen für Luxemburgs Gewässer, von denen sich ohnehin schon viele in einem schlechten Zustand befinden.
Doch Stickstoff aus den Abwässern abzusondern ist äußerst aufwendig. Die mechanischen Kläranlagen reichen dazu nicht aus. Es braucht dazu spezifische Bakterien. „Diese Bakterien benötigen sehr viel Platz“, erklärt Schaack. Die „Bleesbréck“ musste eigens deswegen auf das Sechsfache vergrößert werden: von 2.000 m3 auf 6.000 m3. Die Modernisierung der Kläranlage wurde zum Großbauprojekt. Die Kosten belaufen sich insgesamt auf 81 Millionen Euro.
Fehlende Lobby
Wieso Luxemburg so lange gebraucht hat, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, hat mehrere Gründe. Carole Dieschbourg sieht insbesondere die Vorgängerregierung in der Verantwortung. „Es wurde viel Geld bezahlt, dafür dass die Hausaufgaben nicht gemacht wurden“, moniert die Umweltministerin im Gespräch mit REPORTER. Obwohl das Problem lange bekannt war, wurde nicht reagiert.
Das bestätigt auch der Direktor des SIDEN. „Das Wasser hatte lange Zeit keine Lobby.“ Bis ein Projekt genehmigt wurde, konnten schon einmal zehn Jahre vergehen. Etwa bei der „Bleesbréck“: Der SIDEN übernahm 2004 den entsprechenden Bauvertrag vom Staat und ließ die ersten Studien erstellen. Doch das entsprechende Finanzierungsgesetz verabschiedete das Parlament erst im Dezember 2013, nach der Verurteilung Luxemburgs durch den EuGH. „Als wir endlich bauen durften, haben wir das ja auch gemacht“, so Schaack.

Druck auf die Gemeinden
Als Carole Dieschbourg sich zur Aufgabe machte das Kläranlagenproblem zu lösen, reichte es nicht, die Prozeduren zu beschleunigen. Denn Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung fallen in die Kompetenz der Gemeinden. Sie sind für Bau, Verwaltung und Modernisierung von Kläranlagen zuständig. Entsprechende Projekte können über den Wasserfonds des Staates subventioniert werden. Dieser wird durch Abgaben, sowie durch Gelder des Staatshaushaltes gespeist.
Die Gelder flossen in andere, für die Gemeinden viel prestigeträchtigere Projekte.“Carole Dieschbourg
Die Abwasserbehandlung habe nicht ganz oben auf der Agenda der Gemeinden gestanden, kritisiert die Umweltministerin. Carole Dieschbourg machte Druck. „Wir mussten die Zügel ordentlich anziehen.“ Sie hatte Erfolg: Die Zahl der mechanischen Kläranlagen sank seit 2013 von 117 auf 107. Darüber hinaus wurden 10 neue Kläranlagen in Betrieb genommen. Weitere 48 Projekte werden über den Wasserfonds subventioniert. 30 Dossiers werden zur Zeit noch bearbeitet.
Weniger Geld für Projekte
Dabei hatte die Regierung die Co-Finanzierungsrate im Rahmen des Zukunftspaketes von 90 auf 50 Prozent gesenkt. Die Hälfte müssen seitdem die Gemeinden tragen. Carole Dieschbourg relativiert diesen Einschnitt. Die Investitionen der Gemeinden würden über die Wasserabgabe gedeckt, die im Wasserpreis enthalten ist. Das sieht auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie so vor. Laut Dieschbourg haben die Gemeinden jedoch lange versäumt, diese Gelder in die Abwasserbeseitigung zu investieren. „Die Gelder flossen in andere, für die Gemeinden viel prestigeträchtigere Projekte.“
Für die Bürger machen sich die Gemeinde-Investitionen am Wasserpreis bemerkbar. Roland Schaack bestätigt: Die Mitgliedsgemeinden des SIDEN werden die Preise nach oben anpassen. Ähnliches hört man auch von anderen Gemeinden, die in die Abwasserbeseitigung investiert haben.
Carole Dieschbourg ergänzt, die Ausgaben des Wasserfonds seien in den letzten Jahren gestiegen. Lagen sie 2013 noch bei 59 Millionen Euro, waren es 2017 rund 95 Millionen Euro. Dadurch konnten zum einen mehr Projekte finanziert werden. Zum anderen wurden mehr Gelder für den präventiven Wasserschutz mobilisiert. „Im Gegensatz zu den Kläranlagen bringen solche Projekte den Gemeinden nämlich keine Einkünfte“, insistiert Dieschbourg.
Spurenschadstoffe sind ein großes Thema. Ab 2021 ist mit Verpflichtungen zu rechnen.“Carole Dieschbourg
Doch über den Wasserpreis gab es in den letzten Jahren auch Diskussionen. Besonders kleinere Gemeinden könnten sich die Eigenbeteilugung nicht leisten, warnt der SIDEN-Direktor Roland Schaack. Darüber hinaus habe die Beschleunigung der administrativen Prozeduren eine Gegendynamik ausgelöst. Das Wasserwirtschaftsamt habe so viele Projekte genehmigt, dass die Baufirmen zu viel zu tun haben. Die Preise für Investitionsprojekte sind gestiegen.
Spurenschadstoffe können zum nächsten Problem werden
Sind die Anlagen endlich konform, zeichnet sich schon die nächste Aufgabe ab. Bis heute gelangen Medikamenten- und Pestizidreste, genauso wie Mikroplastiken – winzige Plastikpartikel, die zum Beispiel in Shampoos oder Kosmetikartikeln enthalten sind – ungehindert in unsere Gewässer. Die hiesigen Anlagen können diese nicht herausfiltern, denn dazu bedarf es eines weiteren Ausbaus.
Carole Dieschbourg sieht vor allem die EU-Kommission in der Verantwortung. „Mit einer EU-Richtlinie kommen wir viel schneller zum Ziel“, so die grüne Ministerin. „Spurenschadstoffe sind ein großes Thema. Ab 2021 ist mit Verpflichtungen zu rechnen.“ Erst kürzlich hat sie einen Brief an Brüssel mit unterschrieben, in dem einige EU-Umweltminister Druck auf die Kommission machen.
In Luxemburg gibt es zwar entsprechende Pilotprojekte, doch einer Richtlinie vorgreifen will Dieschbourg nicht. Vorerst zieht sie eine risikobasierte Herangehensweise vor, die sich auf die großen Problemzonen konzentriert. Wenn ein Vorschlag aus Brüssel kommt, muss das Kapitel Kläranlagen also neu aufgerollt werden.