Der Wahlkampf findet auch in Luxemburg verstärkt in den sozialen Netzwerken statt. Wie beeinflusst das Internet den Verlauf von politischen Debatten? Ein Gespräch mit Kommunikationswissenschaftler Christian Nuernbergk.
REPORTER: Facebook, Twitter und Instagram spielen in der Politik eine immer wichtigere Rolle. Sind traditionelle Wahlplakate und Flugblätter bald passé?
Christian Nuernbergk: Generell stimmt es, dass der Plakatwahlkampf heute eine weniger zentrale Rolle spielt als noch vor einigen Jahren. Trotzdem sind Wahlplakate auch im Internetzeitalter weiterhin sehr wichtig für die Parteien. Denn über diesen traditionellen Weg erreicht man die breite Bevölkerung, und kann sie so daran erinnern, dass es wichtig ist, wählen zu gehen. Social Media erfüllen eher andere Funktionen. Nicht alle sozialen Netzwerke sind nämlich gleich dazu geeignet, breite Bevölkerungsschichten zu erreichen. Über sie erreicht man eher spezifische Gruppen, wie ohnehin politisch Interessierte, Aktivisten, Parteianhänger oder Journalisten.
Rücken politische Inhalte in den Hintergrund, wenn die Parteien verstärkt auf Social Media setzen?
Politische Inhalte spielen weiterhin eine tragende Rolle im Wahlkampf, denn sie erlauben den Parteien sich zu positionieren und damit von der Konkurrenz abzugrenzen. In sozialen Medien werden diese Inhalte allerdings leichter verpackt. So bekommt der typische Facebook-Nutzer eine Art „News-Snacking“ über seinen Newsfeed angeboten: Hier stehen größtenteils kurze Nachrichten-Häppchen zur Verfügung. Die Informationen darin sind einfach gestaltet, häufig zugespitzt, und stark visuell unterlegt. Auch Parteien verbreiten ihre Botschaften zunehmend auf diese Weise. Grundsätzlich neu ist das nicht, denn Plakate verwenden ja auch kurze Slogans und ausdrucksstarke Bilder. Das Internet bietet jedoch zusätzliche Möglichkeiten, weil hier verschiedene multimediale Formen benutzt werden können, um die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen.

Sinkt das Niveau der politischen Debatten dadurch?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Einerseits ergeben sich natürlich Nachteile, wenn der Diskurs sich insgesamt oberflächlicher gestaltet und für Argumente aufgrund des veränderten Informationsverhaltens wenig Platz bleibt: In Deutschland hat das im Zuge der Flüchtlingsdebatte wohl auch populistischen Parteien wie der AfD genutzt. Anderseits bietet das Internet aber gerade auch neue Möglichkeiten, politische Inhalte mit den Bürgern zu diskutieren und sie einzubinden. Man kann deshalb nicht von einer rein negativen Entwicklung sprechen.
Aber mal ehrlich: Auf Twitter dürfen Nutzer gerade mal 280 Zeichen benutzen, um sich auszudrücken. Kann man sich da ernsthaft über politische Themen austauschen?
Das hängt ganz davon ab, wie man damit umgeht. Der einzelne Tweet mag durchaus beschränkt sein. Aber Twitter bietet auch die Möglichkeit, Inhalte zu verknüpfen: So kann man zum Beispiel mehrere Mitteilungen hintereinander twittern und miteinander verlinken. Außerdem kann man Twitter nutzen, um auf längere Texte, wie Blogeinträge, aufmerksam zu machen. Einige Kandidaten nutzen das bereits sehr geschickt.
Nutzen die Parteien das positive Potential der sozialen Netzwerke denn ausreichend?
Mir fällt auf, dass es den traditionellen Parteien bisher nicht wirklich gelingt sich häufiger mit ihren Anhängern zu vernetzen. Ein typischer Fehler ist auch, dass Social Media-Angebote oft vor den Wahlen aus dem Boden gestampft werden, ohne sie dauerhaft am Laufen zu halten. Genau dieses dauerhafte Engagement wäre aber wichtig, um sich eine Unterstützer-Community aufzubauen, die die politischen Botschaften der Partei regelmäßig aufgreift und weiter verbreitet. Dieses sichtbare „Schwarmverhalten“ von Online-Unterstützern kann man stärker bei der AfD beobachten. Die etablierten Parteien tun sich dagegen schwer einen besonders aktiven Anhängerkreis im Netz aufzubauen.
Nutzt die AfD die sozialen Netzwerke effizienter als andere deutsche Parteien?
Ich würde nicht sagen, dass die AfD Online-Kanäle generell effizienter oder besser nutzt als andere Parteien. Dass AfD-Anhänger sich im Netz verbinden, hängt wohl eher damit zusammen, dass sie auf anderen Kommunikationskanälen schneller an Grenzen stoßen. In den traditionellen Medien, wie Fernsehen oder Zeitungen, sind etablierte Parteien sichtbarer als die AfD. Das begünstigte, dass sich die AfD-Anhänger stärker in den sozialen Netzwerken zusammengefunden haben und dort auch von der Partei erreicht werden.