Die Zahl der Musikvereine ist in den vergangenen 20 Jahren von 330 auf 295 gesunken. Den Dorforchestern fehlt es an Nachwuchs, dabei steigt die Zahl der Musikschüler aber seit Jahren. Erklärungen für das Paradox.

„Wer heute für sein Orchester zehn bis 15 Nachwuchsmusiker findet, wird in 25 Jahren noch einen davon im Verein haben.“ Die Prognose von Robert Köller fällt ernüchternd aus. Er ist Generalsekretär der Union Grand-Ducale Adolphe (Ugda) und weiß, wie schwierig sich für Dorfmusiken die Suche nach Nachwuchs gestaltet. Und wie kompliziert es ist, diesen zu halten.

Dabei gibt es in Luxemburg mehr als genug Nachwuchsmusiker. Die Zahl der Einschreibungen in den Musikschulen ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen (2015 waren es 15 657, dieses Jahr 16 868). Warum will aber niemand in die Dorfvereine?

Nicht jedes Instrument hilft weiter

Gründe gibt es gleich mehrere. Wobei es nicht immer unbedingt eine Frage des „Wollens“ ist. Laut Köller hängt vieles von der Bevölkerungsstruktur der einzelnen Ortschaften oder Gegenden ab. Er nennt als Beispiel die Stadt Luxemburg. Musikschüler gibt es dort viele – sowohl am Konservatorium als auch in den regionalen Schulen.

Aber: „Dort gibt es mittlerweile viele Familien, bei denen Vater und Mutter im Finanzsektor oder bei europäischen Institutionen arbeiten. Sie sind sozusagen das ausländische Bildungsbürgertum in Luxemburg. In dieser Gesellschaftsschicht gehört es zum guten Ton, Musik zu machen“, so Köller.

Die Kinder dieser Familien würden häufig eher Klavier oder Streichinstrumente spielen – alles Instrumente, die nicht in einer Dorfharmonie oder -fanfare vorkommen. „Das sind nicht die Kinder, die in ein klassisches Dorforchester gehen“, sagt der Generalsekretär.

Starker Norden, schwächelnder Süden

Besser aufgestellt sind hingegen die Vereine im Norden des Landes. „Viele Luxemburger sind in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten aufs Land gezogen und haben sich dort einen neuen Verein gesucht. Deshalb gibt es beispielsweise im Norden mittlerweile richtige große Orchester.“

Im Süden habe sich die Lage hingegen eher verschlechtert. Früher sind dort etwa durch italienische Gastarbeiter gleich mehrere große Musikkapellen entstanden. Sie haben die Musik aus ihrer Heimat mit nach Luxemburg gebracht und hierzulande populär gemacht. Heute ist in den meisten Fällen nicht mehr viel davon übrig. „Im Süden ist es in vielen Vereinen ein Kampf, um noch weiter bestehen zu können“, erklärt Köller.

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Und nicht nur dort. Die Statistiken der Ugda zeigen: Die Zahl der Musikvereine geht in Luxemburg langsam aber kontinuierlich zurück. Der Verband zählte 1998 noch 330 Vereine, heute sind es noch 295. Einige Orchester sind in Zwischenzeit fusioniert, andere komplett verschwunden. Weniger Kapellen bedeute aber nicht notgedrungen auch weniger Musikanten, wiederholt Köller. Man müsse sich nur überlegen, wie man den Nachwuchs in die Vereine lockt.

Die Verantwortung liegt bei den Vereinen

Demnach müssen sich die Vereine auch selbst verstärkt um Nachwuchsmusiker kümmern. Und vor allem bei ihnen sichtbar werden. Denn obwohl viele Kinder und Jugendliche in den Musikschulen eingeschrieben sind, wissen sie häufig nichts von den Orchestern in ihrem Wohnort oder ihrer Gemeinde.

Köller kennt Gemeinden, in denen die Einschreibungen für die Musikkurse in den Probenräumen der lokalen Musikvereine stattfinden. So haben die Kleinen sofort einen Einblick ins Orchester und die Vereinsmitglieder können über das Vereinsleben und Proben informieren. „Dort, wo der Verein die Sache selber in die Hand nimmt, dort gibt es auch weniger Nachwuchsprobleme“, stellt Köller fest.

Für den Generalsekretär der Ugda ist klar: Die Musikschule ist zwar wichtig, darf aber kein Selbstzweck werden. „Auch dort werden mittlerweile kleine Orchester oder Musikensembles gegründet. Wenn das Kind erst einmal dort mitspielt, schicken die Eltern es aber sicher nicht auch noch in einen Verein“, so Köller. Dagegen komme ein Dorforchester nicht an.

Die Aufgabe, neue Musiker anzulocken, sei sicher keine einfache, meint Köller. Sie sei aber auch nicht unmöglich. Und liefert gleich einen möglichen Lösungsvorschlag mit: „Die Vereine können beispielsweise neben dem Hauptorchster auch kleinere Musikgruppen für Kinder und Jugendliche anbieten und dafür werben.“ Dass es funktioniert, würden die Musikschulen ja bereits beweisen.