Über Luxemburgs Gesundheitssystem wird momentan viel diskutiert. Im Mittelpunkt der Gespräche: Ob die Politik den Ärzten mehr therapeutische Freiheit gewährt. Woran sich hierzulande die Geister scheiden, ist im Ausland gang und gäbe. Ein Überblick.

Der Radiologe Renzo Del Fabbro kann den direkten Vergleich ziehen: Während seine deutschen Studienkollegen alle eine Karriere in privaten Radiologiezentren einschlugen, hatte er nach seiner Ausbildung in Luxemburg keine andere Wahl als in einem Krankenhaus zu arbeiten.

Doch warum ist das so? Theoretisch ist der Arzt ein Freiberufler. So steht es auch in der Verfassung. Will heißen, dass er praktizieren kann, wie und wo er will. Dabei muss er sich an den Verhaltenskodex für Mediziner halten. Das ist eigentlich überall so. In Luxemburg hat diese Freiheit allerdings Grenzen, die von der Politik vorgegeben werden.

Während einige Ärzte frei arbeiten können, sind andere Kollegen an Vorgaben und Einschränkungen gebunden. Wie in der Radiologie.

Ein Radiologe kann in Luxemburg bisher nur innerhalb eines Krankenhauses MRT- oder Scanner-Bilder machen. In Privatpraxen sind diese Geräte nicht erlaubt. Somit sind bisweilen auch Radiologiezentren außerhalb der Kliniken verboten. Im Gespräch sind zwar sogenannte Antennen – also ambulante Strukturen außerhalb der Krankenhäuser. Allerdings sollen auch sie an eine Krankenhausgruppe gebunden sein.

CNS zahlt – und kontrolliert

Doch nicht nur das: In Luxemburg sind Gesundheits- und Krankenversicherungswesen eng miteinander verflochten. Und es gibt nur eine gesetzliche Krankenversicherung in Form der CNS.

Sie finanziert auch einen Großteil der Apparate und Behandlungen, die in Luxemburgs Krankenhäusern angewendet werden. Eine großherzogliche Verordnung von 1993 hält 21 Geräte fest, die ausschließlich dort zum Einsatz kommen dürfen.

Die CNS übernimmt 80 Prozent, aus der Staatskasse kommen die restlichen 20 Prozent für die Geräte in den Krankenhäusern. Sie werden den Ärzten und Patienten somit praktisch kostenlos zur Verfügung gestellt – und sollen dann natürlich auch dementsprechend genutzt werden. Alleine ein MRT-Gerät kostet im Schnitt rund eine Million Euro. Dieses System schränkt die therapeutische Freiheit für manche Ärzte allerdings zumindest örtlich stark ein. Ein Radiologe kann seiner Arbeit beispielsweise nur im Klinikum nachgehen. Ähnlich ist es bei Chirurgen.

Es ermöglicht der CNS allerdings auch eine bessere finanzielle Kontrolle. Die Kostenentwicklung der vier Luxemburger Klinik-Gruppen lässt sich für die Gesundheitskasse einfacher überblicken. Bei allem, was in Privatpraxen ausgelagert wird, wäre das schwieriger.

Im Ausland ist das anders. Auch dort gibt es in den Krankenhäusern Radiologie-Abteilungen. Aber eben nicht nur dort.

Deutschland

Öffentliches Krankenhaus, Privatklinik, Radiologiezentrum: In Deutschland hat der Patient die Wahl, welchen Arzt und wo er sich seinen Radiologen sucht. Das funktioniert deshalb, weil der Gesundheitssektor in Deutschland nicht „verstaatlicht“ oder zentralisiert ist.

Allerdings ist es auch eine Frage des Geldes  – und der Krankenversicherung. Der Patient ist entweder gesetzlicher Kassenpatient oder er ist privat versichert. Die gesetzliche Krankenkasse funktioniert ähnlich wie das Luxemburger Solidaritätsprinzip. Das Geld, was dem Arbeitnehmer vom Lohn abgezogen wird und der Arbeitgeber zahlen muss, fließt in einen Gesundheitsfonds.

Daneben gibt es die privaten Versicherungen. Sie bekommen keine Mittel aus diesem staatlichen Gesundheitsfonds. Sie berechnen die Beiträge nicht nach Einkommen der Patienten, sondern anhand von deren Alter, Gesundheitszustand und dem gewünschten Leistungsumfang. Privatversicherte zahlen zwar in der Regel mehr, haben dafür aber auch einige Vorteile: Sie haben eine größere Auswahl an Ärzten, werden bei Terminen Kassenpatienten vorgezogen, bekommen verschiedene Behandlungen von ihrer Versicherung erstattet, die Kassenpatienten vorenthalten bleiben.

Sie gelten als privilegierte Patienten. In Deutschland gibt es Privatpraxen, die auch lediglich privatversicherte Patienten aufnehmen. Auch das mag medizinische Freiheit sein – oder reine Selektion.

Belgien

In Belgien ist das System ähnlich. Der Patient kann selbst wählen, wo er sich von welchem Arzt behandeln lässt. Sei es bei einem Radiologen im Krankenhaus oder in einem Radiologiezentrum. Wie viel er am Ende selbst zahlt oder erstattet bekommt, hängt allerdings auch hier von seiner Versicherung ab.

Die gesetzlichen Gesundheitskassen in Belgien nennen sich „Mutuelles“. Sie sind für jeden Patienten zugänglich, man muss lediglich einen kleinen Beitrag zahlen. Für welche der Patient sich entscheidet, ist ihm selbst überlassen. Sie alle decken die medizinischen Basisleistungen ab. Die Erstattungsbeträge der Kassen legt in Belgien das „Institut National d’Assurance maladie-invalidité“ fest.

Zu diesen Basisleistungen kann der Patient – ähnlich wie bei einer Zusatzversicherung – Zusatzleistungen beantragen. Wie viel er dafür zahlen muss, ist jedoch von „Mutuelle“ zu „Mutuelle“ abhängig.

Ärzte sind nicht dazu verpflichtet, an das nationale „Mutuelle“-System gebunden zu sein. Sie können ihre demnach Tarife auch frei festlegen. Sie müssen nur Patienten finden, die gewillt sind, dafür zu zahlen. Denn der Patient zahlt dann entweder alles aus eigener Tasche oder bekommt nur einen Bruchteil von der Krankenkasse erstattet. In Luxemburg kommt das auch vor, betrifft aber vor allem Bereiche wie Alternativmedizin oder noch bis vor Kurzem Psychotherapeuten.

Frankreich

Auch in Frankreich können MRT, Scanner oder Mammographien längst nicht nur im Krankenhaus gemacht werden. Der Patient ist frei bei seiner Wahl des Arztes und dem Behandlungsort. Dabei gibt es das solidarische, gesetzliche Versicherungssystem auch in Frankreich.

Auch hier werden vor allem basismedizinische Behandlungen erstattet – sei es der Besuch beim Allgemeinmediziner oder Behandlungen bei Fachärzten wie Augen- oder Zahnarzt. Wie viel erstattet wird, hängt von der Behandlung ab, die der Arzt anbietet. Und davon, ob diese Behandlung von der Krankenkasse erstattet wird oder nicht. Doch auch in Frankreich haben Patienten in privaten Radiologiezentren Zugang zu ihren Untersuchungen. Fest steht aber: Die Untersuchung im öffentlichen Krankenhaus fällt dabei immer günstiger aus als in einer Privatpraxis.