Justizminister Felix Braz verspricht, dass ein neues Gesetz zum Schutz von Whistleblower kommt – irgendwann. Bald könnte die EU-Kommission einen entsprechenden Entwurf vorlegen, doch sie zögert. Die Regierung erntet Kritik für ihre abwartende Haltung.
Kommt sie oder kommt sie nicht. Diese Frage stellen sich derzeit in und um Brüssel so manche: Es geht um die lang ersehnte EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblower. Die EU-Kommission hält sich bedeckt und lässt die Akteure etwas ratlos zurück.
Luxemburgs Justizminister Felix Braz (déi gréng) weiß auch nichts Genaueres. Der deutsche EU-Abgeordnete Sven Giegold hofft, dass etwas Handfestes kommt. Transparency International EU nennt den April als Stichdatum.
Viel Zeit bleibt also nicht. Wenn die Kommission in den Plenarsitzungen am 17. und 25. April nichts auf den Tisch legt, dann sieht es mau aus. Denn es ist das letzte Quartal von Junckers Amtszeit, in dem noch große Projekte angegangen werden. Danach wird eher aufgeräumt, die Koffer gepackt, Bewerbungen geschrieben und der Wechsel vorbereitet.
„Die EU braucht Whistleblower“
Dabei benötigt die EU ganz dringend eine Regelung für alle Mitgliedsstaaten, betont Nick Aiossa von Transparency International EU. Die meisten Länder kennen überhaupt keinen Schutz für Whistleblower. Eine bestehende EU-Richtlinie erwähnt die Hinweisgeber zwar, aber es ist fragwürdig, ob und wie sehr der Schutz greift.
Zur Erinnerung: Auch der ehemalige PwC-Mitarbeiter Antoine Deltour wurde in Luxemburg erst im Kassationsurteil als Whistleblower anerkannt. „Und wir haben eines der umfassendsten Whistleblower-Gesetze in der Europäischen Union“, hebt Felix Braz im Gespräch mit REPORTER hervor.
Luxemburg ist kein Whistleblower-Niemandsland.“Justizminister Felix Braz
Die EU-Kommission hat sich lange geweigert, in diesen Bereich aktiv zu werden. Erst Enthüllungen wie Luxleaks oder Panama Papers haben gezeigt: Die EU profitiert von solchen Offenlegungen, wurde sie doch so auf Missbräuche des europäischen Steuer- und Wettbewerbsrechtes aufmerksam. Oder wie es der EU-Grüne Sven Giegold ausdrückt: „Die EU braucht Whistleblower, denn durch sie wird sichergestellt, dass europäische Gesetze gleichmäßig angewendet werden.“ Die meisten Mitgliedsstaaten sind genau aus diesen Gründen weniger enthusiastisch.
Luxemburger Gesetz erst nach den Wahlen
Auch Luxemburg schaut gespannt auf Brüssel. Denn wie der Justizminister jüngst in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“ betonte, wird in dieser Legislaturperiode wohl keine Anpassung des Whistleblower-Gesetzes mehr kommen. „Aber fragen Sie doch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wann die europäische Richtlinie kommt“, verteidigte Braz sich gegenüber dem „Wort“.
Sein Ministerium würde allerdings nicht nur abwarten und Tee trinken, sondern aktiv an der Gesetzesänderung arbeiten, ergänzt Felix Braz im Gespräch mit REPORTER. Es bleibt aber dabei: „Ich will aber keine falschen Versprechungen machen. Wir sind dran. Aber ich glaube nicht, dass wir in dieser Legislaturperiode fertig werden“, so der grüne Justizminister.
Deltour hätte gar nicht erst vor Gericht gestellt werden dürfen.“Nick Aiossa, Transparency International EU
Felix Braz betont aber auch, dass es in Luxemburg absolut keine Eile für eine Überarbeitung des bestehenden Gesetzes gibt. „Wir haben ein Gesetz und wir haben eine Rechtssprechung. Luxleaks hat gezeigt, dass beide stichhaltig und umfassend sind.“ Würde er Missstände offenlegen wollen, täte er dies lieber in Luxemburg, als in anderen EU-Mitgliedsstaaten denn: „Luxemburg ist kein Whistleblower-Niemandsland.“
Was Luxleaks gezeigt hat, ist aber eher, dass die Luxemburger Justiz gründlich arbeitet und die Kriterien der Rechtsprechung aus Straßburg anwendete. Denn das Whistleblower-Gesetz an sich hat Antoine Deltour wenig geholfen. Der Franzose wurde ja im ersten Urteil nicht einmal als Whistleblower anerkannt. Wie Nick Aiossa gegenüber REPORTER unterstreicht, „Deltour hätte gar nicht erst vor Gericht gestellt werden dürfen. Dass das Urteil schließlich zum Teil wieder aufgehoben wurde, zeigt nur wie löchrig die luxemburgische Gesetzgebung ist.“
„Ein klares Ja fehlt“
Dass der Justizminister wie er sagt, „nicht schnell ein Gesetz übers Knie brechen will und dann kommt im April der Entwurf der Kommission“ sei nachvollziehbar, meint der Grüne Sven Giegold. Doch dann müsste sich Braz viel mehr für einen solchen Text einsetzen, kritisiert er. „Es ist ein Unterschied ob er die Regulierung laut fordert und Druck macht, oder sich zurückhält und wartet“, kritisiert der EU-Abgeordnete – trotz der politischen Nähe zu Braz.
Diese Haltung sei ein weiteres Beispiel dafür, dass Luxemburg in alte Muster verfällt, lautet die harsche Kritik Giegolds. Der Enthusiasmus für Transparenz und eine aktive Mitbestimmung der EU-Gesetze, die die Luxemburger Regierung in den ersten Monaten ihrer Amtszeit an den Tag gelegt hätte, sei schon lange verflogen.
Korruption weit gefasst
Wie der Kommissionsentwurf zum Whistleblower-Schutz aussehen wird, steht noch in den Sternen. Es gibt aber Hinweise, die besagen, dass ein Text kommt (wenn er denn kommt), „which should cover health, taxation, environment and the financial interests of the Union. » Es geht demnach nicht nur um den Finanzbereich und Steuern.
Das würde sich zum Teil mit dem decken, was Luxemburg plant. Laut Braz arbeiten seine Beamten an einem Text, der den Begriff der „Korruption“ nicht zu eng fasst, sondern sich auch auf andere Bereiche wie eben Gesundheit und Umwelt ausdehnt. Zudem sollen die jeweiligen Prozeduren klarer geregelt werden.
Schließlich will Braz eine unabhängige Instanz schaffen, die Personen berät, die Whistleblower sind oder es werden wollen. Auch auf EU-Ebene fordern manche eine solche Instanz.
Ping-Pong zwischen Ministerien
Dass der Whistleblower-Schutz nicht unbedingt ganz oben auf der Prioritätenliste der Regierung steht, zeigt der Umgang mit der EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dieser Text mit ähnlichem Thema ist im Juli 2016 in Kraft getreten. Die Richtlinie sieht eine Ausnahme für Whistleblower vor.
Bei der Umsetzung dieser Ausnahmeregelung hapert es jedoch, nicht zuletzt weil der Text so dürftig formuliert ist, betont Nick Aiossa von Transparency. In Deutschland gibt es bei der Umsetzung Kritik aufgrund des unzulänglichen Schutzes für Whistleblower.
In Luxemburg ist dagegen noch nicht ganz klar, welches Ressort überhaupt für die Umsetzung zuständig ist. Felix Braz verweist an das Wirtschaftsministerium – dieser Text falle nicht in seine Kompetenz. Auch im Bezug auf die Whistleblower-Ausnahme nehme das Justizministerium höchstens eine beratende Funktion ein. „Seit gut zehn Tagen haben wir einen Text vorliegen. Wir können aber höchstens sagen, ob alles korrekt ist. Aber ansonsten mischen wir uns nicht ein“, sagt der grüne Minister.
Dem Wirtschaftsministerium scheint das nicht so klar zu sein – dort verweist man auf Nachfrage von REPORTER zurück ans Justizministerium.
Es ist bizarr, dass sich keins der beiden Ministerien zuständig fühlt, denn auch hier wird die Zeit knapp. Im Juni läuft die Umsetzungsfrist für die Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ab. Es muss also bald ein Gesetzestext stehen.