In Großküchen wird eine Bandbreite an Gerichten zubereitet. Was aber nicht gegessen wird, verschwindet systematisch im Abfall. Essensreste könnten dabei einfach reduziert werden. Dafür müsste sich vor allem eines ändern: Die Einstellung des Verbrauchers.
Fünf junge Schülerinnen aus dem Lycée in Wiltz haben es sich zur Aufgabe gemacht, Obst, das eigentlich weggeworfen werden soll, zu Marmeladen, Gelees und Kompott zu verarbeiten. Ihr Unternehmen haben Hannah, Anouk, Charlène, Dilara und Laure – passend zum Konzept – « Les Fruits oubliés » getauft.
Sie wollen gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen und treffen mit ihrer Initiative den Nerv der Zeit. Das Problem der Verschwendung begegnet den jungen Frauen täglich – auch in ihrer Schulkantine. « Die Schüler packen sich zu viel auf den Teller », sagt Anouk. Dass die Reste dann im Müll landen, bedenke dabei so gut wie niemand.
Zu große Portionen, zu viele Essensreste und letztlich zu viel Abfall – Luxemburgs Großküchen kämpfen nur schwer dagegen an. Im Schnitt wandern dort pro Jahr zwischen 6.000 und 9.300 Tonnen Lebensmittelabfälle in den Müll. Das meiste davon sind Tischreste und überzählige Mahlzeiten. Und obwohl laut der Studie « Aufkommen, Behandlung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Großherzogtum Luxemburg » in diesen Küchen die Lebensmittelverschwendung geringer ist als in den Luxemburger Privathaushalten (15.940 Tonnen pro Jahr), könnte sie dennoch weiter reduziert werden.
« Ein schwieriges Thema »
Tischreste und überzählige Mahlzeiten sind eigentlich noch genießbar. Hat die Ware die Küche aber erst einmal verlassen, darf sie in der Regel nicht mehr zurück. Stattdessen wird sie weggeworfen.
Wenn Köche ihr Gemüse selber putzen und schälen, produzieren sie mehr Abfall, als wenn eine Kantine ihre Gerichte vom Caterer bekommt oder auf Fertigprodukte zurückgreift.”Laurence Graff, Sodexo
Spricht man Experten auf das Thema an, ist der Tenor zunächst immer der gleiche: Mal ist es « ein schwieriges Thema », mal ein « kompliziertes » oder einfach nur « schwer zu erklären ». Und es stimmt: Eine globale Sicht auf das Problem ist schon alleine dadurch « schwierig », weil nicht jede Luxemburger Großküche auf die gleiche Art und Weise funktioniert.
Wer frisch kocht, macht mehr Müll
Während einige Küchen Gerichte selbst zubereiten, werden andere von Caterern beliefert. Und: Viele Köche kochen zwar selbst, greifen dabei aber auf sogenannte « Convenience » Produkte (beispielsweise Fertigsalate, Kartoffelpüree-Pulver, Fertigsuppen) zurück. Andere wiederum bereiten die Speisen aus frischen Produkten zu.
Dabei wird deutlich: Wer frisch kocht, produziert mehr Küchenabfall. « Wenn Köche ihr Gemüse selber putzen und schälen, produzieren sie natürlich mehr Abfall, als wenn eine Kantine ihre Gerichte vom Caterer bekommt oder auf Fertigprodukte zurückgreift », erklärt Laurence Graff von der Firma Sodexo. Abfälle wie Obst- und Gemüseschalen, gelten dabei als « nicht-vermeidbar ». Andere, wie eine Überproduktion an Essen oder Speisereste, werden als « vermeidbar » eingestuft – könnten demnach auch verringert werden.
Es wird für Vielfalt auf dem Teller plädiert und sich dann über die vielen Speisereste gewundert.”Liz Mersch, Ernährungsberaterin
Sodexo produziert alleine für Luxemburger Banken und Betriebe 9.500 Gerichte pro Tag. Hinzu kommen Speisen für Kindertagesstätten und Schulen (5.800), Kindergärten (800), Altenheime (1.550), Krankenhäuser (4.500 Gerichte, dreimal am Tag). Zahlen, wie viel Abfall dabei entsteht, gibt Graff aber nicht preis.
Der Kunde ist König
Wurzel des Verschwendungsproblems? Ganz klar, der Kunde. « Der Endverbraucher will immer die größtmögliche Auswahl haben. Es wird für Vielfalt auf dem Teller plädiert und sich dann über die vielen Speisereste gewundert », sagt Ernährungsberaterin Liz Mersch. Regional oder saisonal spiele für Gäste oft nur eine nebensächliche Rolle – Hauptsache, es sei von allem etwas da. Und diesem Wunsch fügen sich die Köche. Vegetarisch, Fleischgerichte, Pasta, Salate, dazu unterschiedliche Vorspeisen und Desserts. Satt und zufrieden soll der Gast am Ende sein.
Und auch bei der Größe der Portionen kann der Kunde laut Liz Mersch mitreden: « Sie ist zwar im Normalfall festgelegt, wenn der Gast aber mehr fordert, bekommt er natürlich auch mehr. » Deshalb wird lieber zuviel als zu wenig zubereitet – auch, wenn am Schluss Reste in den Müll wandern.
Es ist natürlich ein finanzieller Verlust für uns, wenn wir Waren einkaufen, die wir am Ende wieder wegwerfen müssen.“Laurence Graff
Im Rahmen der Initiative eines nationalen Abfallplans, hat Sodexo gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsministerium und dem Verein IMS versucht, ihre Gäste in drei Kantinen für Lebensmittelverschwendung zu sensibilisieren. Während des Pilotprojekts wurden die Portionen und die Auswahl der Gerichte dafür kleiner. « Wenn die Kantine um 14 Uhr schließt, werden Gerichte eher à la Minute zubereitet, statt die Auslagen noch einmal aufzufüllen », so Laurence Graff. Die Reaktion der Gäste sei aber positiv gewesen, trotz dieser Maßnahmen habe ihnen nichts gefehlt, sagt sie. Man habe sie im Vorfeld aber auch über die Umstellungen informiert und auf das Problem der Essensreste aufmerksam gemacht.
Das Beispiel von Sodexo war allerdings ein Pilotprojekt. In der Realität fällt den Großküchen der Spagat hingegen schwer, die Überproduktion von Gerichten zurückschrauben und dennoch die Wünsche der Gäste zu erfüllen. Dabei profitiert eine Küche auch finanziell von weniger Lebensmittelabfall: « Es ist natürlich ein finanzieller Verlust für uns, wenn wir Waren einkaufen, die wir am Ende wieder wegwerfen müssen », sagt Graff. Und dennoch ist und bleibt im Zweifelsfall der Kunde König. Die Küchenbetreiber wissen: Er kommt nur wieder, wenn er zufrieden ist. Dafür wird dann auch gerne Geld und Ware investiert.
Hilfe bei der Müllreduzierung
Klar ist: Lebensmittelabfälle lassen sich nicht komplett umgehen. Auch deshalb nicht, weil Hygienevorschriften eingehalten werden müssen. Warme Gerichte können demnach maximal drei Stunden lang bei einer Temperatur von mehr als 65 Grad aufbewahrt werden und dürfen nicht wiederverwendet werden. Auch kalte Gerichte von Buffets müssen weggeworfen werden. Bei allen anderen kalten Speisen gilt: Wenn etwas aufbewahrt wird, muss die Kältekette eingehalten und die Produkte binnen den nächsten 24 Stunden verzehrt werden.
Eine Optimierung ist trotzdem möglich. Zum Beispiel bei der Mülltrennung: « Laut Gesetz müssen zumindest Papier, Metall, Plastik, Glas und Bioabfälle separat gesammelt werden », heißt es aus dem Nachhaltigkeitsministerium. Küchen, die richtig trennen, könnten auch dort viel Geld einsparen. Dafür müssen aber die Infrastrukturen stimmen und die Mitarbeiter aufgeklärt sein. Darum kümmert sich Cheryl Klemens von Superdreckskëscht fir Betriber. Sie sagt, dass die Superdreckskëscht rund 5.000 Unternehmen in Luxemburg beim Thema Mülltrennung berät.
Bei der Lebensmittelverschwendung plädiert sie außerdem für Folgendes: « Wenn Kunden ihre Bestellung am frühen Vormittag beim Koch einreichen, kann er die Anzahl der Gerichte und die Quantität an Essen besser planen. » Köche könnten außerdem anhand der Essensreste festmachen, was bei Kunden gut ankommt und was nicht – und dementsprechend die Mengen anpassen.
Theoretisch hört sich die Essensplanung gut an. Sie lässt sich aber nur schwer umsetzen, weiß Liz Mersch. « Es kommt vor, dass der Kunde sein Menü in der Kantine zwar bestellt, dann aber mittags woanders isst », sagt sie. Mit dem Resultat, dass ein Gericht, das geplant und vorbereitet wurde, im Müll landet.
„Jeder kann seinen Beitrag leisten“
Für Küchen in Kindertagesstätten und Schulen gibt es vom Schulministerium konkrete Vorschriften dazu, wie eine Mahlzeit zusammengesetzt werden soll: Ein bis zwei Sorten Gemüse und oder Obst, ein stärkehaltiges und ein proteinhaltiges Lebensmittel sowie ein Milchprodukt. Wie viel Gramm jedes Kind zu sich nehmen soll, hängt dabei vom jeweiligen Alter ab. Soweit die Theorie.
Es bringt nichts, das Kind dazu zu zwingen, etwas zu essen, was es nicht will.”Julie Even, Sicona
Gleichzeitig fördert das Ministerium die sogenannte « non-formale Bildung » der Kinder. Sie sollen selbst entscheiden, was sie essen. « Mahlzeiten werden so präsentiert, dass Kinder aller Altersgruppen sich selbstständig bedienen können. Sie entscheiden, wie viel sie von welchem Gericht essen möchten », heißt es in der Infobroschüre « Gesunde Ernährung in den Kindertageseinrichtungen der non-formalen Bildung ».
Köche bereiten demnach von allem zu, am Ende entscheidet aber das Kind, was und wie viel auf den Teller kommt. Deshalb spricht sich Julie Even vom Naturschutzsyndikat « Sicona » gegen fixe Mengenangaben aus. « Ein guter Koch weiß aber, was den Kindern schmeckt und kann die Mengen anpassen. Vorgaben sind zwar gut, es bringt aber nichts, das Kind dazu zu zwingen, etwas zu essen, was es nicht will », sagt sie. Die Frage, die in dem Fall bleibt: Entwickelt sich das Kind dann nicht genau zu dem anspruchsvollen Konsumenten, den die Experten als das Hauptproblem bei der Lebensmittelverschwendung sehen?
Anouk von « Les Fruits oubliés » findet, dass hier die Erwachsenen gefordert sind. Sie sollten ihre Kinder für gutes Essen und angemessene Portionen sensibilisieren. « Die Menschen sind allgemein nicht genug über das Thema aufgeklärt », sagt sie. « Es ist aber an den Eltern, ihren Kindern das Thema Lebensmittelverschwendung näher zu bringen. Wenn jeder sich ein bisschen informiert, kann auch jeder seinen Beitrag leisten. »