Mit einer Handbewegung ist das « Problem » gelöst. Einfach fallen lassen und weiterziehen, so werden Menschen lästigen Abfall schnell los. Die « Vermüllung » der Natur nimmt trotz empfindlicher Strafen seit Jahren zu. Die Entsorgung des Abfalls kostet den Staat jährlich über eine Million Euro.
Raul Birenbaum nimmt alles in die Zange, was ihm in den Weg kommt. Und das kann an einem Morgen eine ganze Menge sein. Zusammengepresste Plastikbecher, Red-Bull-Dosen, Papiertüten, in denen sich gelegentlich noch Essen befindet.
Im frisch gemähten Gras entlang der N13 präsentiert sich der Ausläufer unserer Wegwerfgesellschaft. Raul Birnbaum und sein Kollege Gil sammeln ihn zwischen Filsdorf und Remich wieder ein. Regelmäßig gehen sie den Weg zu Fuß ab. Immer unterschiedliche Strecken. Immer der gleiche Müll. Nach den Wochenenden, Feiertagen und in den Sommermonaten finden sie am meisten. Dann, wenn die Menschen draußen unterwegs sind und ihre Spuren hinterlassen. « Littering » nennt sich das – oder « Vermüllung ».
Alles, was einem aus der Hand, aus dem Auto oder vom Fahrrad fallen kann, stopfen sie dann in die blauen Müllsäcke. Zigarettenstummel sind Klassiker, Heroinspritzen keine Seltenheit, Kleidungsstücke immer wieder dabei.
An diesem Mittwochmorgen füllen die beiden Mitarbeiter des Ponts et Chaussées auf drei Kilometern drei Mülltüten – und die Schicht ist noch nicht vorbei. „Es ist erschreckend, was die Leute so alles wegschmeißen. Aber noch erschreckender ist, dass man den Abfall nicht einmal sieht, wenn man mit dem Auto vorbeifährt“, sagt Raul Birenbaum.

Tatsächlich ist der Müll, der sich zwischen den Grashalmen versteckt, auf den ersten Blick kaum zu sehen. Nur vereinzelt fällt hier mal ein Fetzen Papier oder da eine zusammengepresste Dose ins Auge. Wer aber gezielt danach sucht, der findet so einiges.
Es geht um mehr als nur Plastik
Entlang der Straße landet, was schnell „to go“ gekauft und genauso schnell auch wieder weggeschmissen wird. Vieles davon ist natürlich aus Plastik – aber nicht nur. Abfall ist nämlich viel mehr. Das zeigt sich bei einem Zwischenstopp im Depot des Ponts et Chaussées kurz vor Remich. Raul Birnbaums Chef, Jean-Paul Goedert, sperrt den Lagerplatz auf. Dort stehen Elektroschrott, Möbel, Reifen, Holzbretter, Bierkästen.
Alles große Gegenstände. Alles, was mal gebraucht worden ist und nun weg kann. « Wir kümmern uns mittlerweile auch selbst um die Mülltrennung, soweit das möglich ist », sagt Jean-Paul Goedert. « Das ist besser, als einfach alles einzusammeln und verbrennen zu lassen. » Verbrannt werden die Abfälle von einem interkommunalen Verband SIGRE. Die größeren Sachen stünden meist auf Rast- und Parkplätzen oder auf Waldwegen versteckt, sagt Goedert. Dort, wo viel Platz ist oder man sie gut verstecken kann.
Die Menschen haben keinen Anstand mehr und sind zu bequem geworden. »Jean-Paul Goedert, Ponts et Chaussées
Seine kurzen weißgrauen Haare lassen vermuten, dass der Chef der Remicher Brigade schon länger dabei ist. « 20 Jahre », sagt er. Es habe schon immer Abfall gegeben, heute sei es aber deutlich mehr. Eine richtige Erklärung dafür hat er nicht.
Dann sagt er: „Die Menschen haben keinen Anstand mehr und sind zu bequem geworden“ und zuckt mit den Schultern. Das Zeichen dafür, dass man irgendwie machtlos ist. Es würde niemanden kümmern, was mit seinem Abfall passiert. Und statt die Müllabfuhr zu kontaktieren, würde man die alte Küche lieber einfach im Wald abstellen. « Das sieht ja niemand. »

Bis auf die Mitarbeiter des Ponts et Chaussées. Dass der Abfall zunimmt, lässt sich an der Anzahl der Müllsäcke ausmachen, die sie füllen. Und an ihrer persönlichen Einschätzung. Für den Kanton Remich brauchen die drei Teams im Schnitt zwei bis drei Tage. Zweimal pro Monat gehen sie die Straßen ab. Zwei bis dreimal pro Woche alle Rast- und Parkplätze. Jean-Paul Goedert schätzt, dass pro Jahr 65 Tonnen in Remich eingesammelt werden.
Viele Tonnen Müll Jahr für Jahr
Und national? Schwer zu sagen. Die letzten offiziellen Zahlen stammen aus dem Jahr 2015. Wie es aus dem Umweltministerium heißt, ist für 2020 dann eine neue Studie geplant.
Fest steht aber, dass 2015 103 Kilogramm Abfall pro Kilometer entlang der Nationalstraßen eingesammelt wurden (im Jahr 2008 waren es 89 Kilogramm). Entlang der Autobahnen waren es 2015 216 Kilogramm pro Kilometer, 2008 waren es 309.
Hinzu kommt, dass die Ponts et Chaussées nur für die Staatsstraßen verantwortlich sind. Für die Straßen und Wege innerhalb der Gemeinden sind die örtlichen Verwaltungen zuständig. In den meisten Gemeinden des Landes werden außerdem Putzaktionen gestartet. In der Stadt Luxemburg sammelt die Firma PwC zusammen mit den städtischen Diensten beim « Make a Difference Day by PwC » Abfall ein, bei « Grouss Botz » ziehen Vereine der Kommunen durch Straßen, Felder und Waldwege, um Müll wegzuräumen. Laut « Natur&Emwelt » waren es im Jahr 2016 in Grevenmacher 1.000 Kilo, in Aspelt, Frisange und Hellange 620 Kilo, in Differdingen 2.420 Kilo.
Kostenpunkt: 1,2 Millionen Euro
Mit diesen Aktionen soll ein Zeichen für den Schutz der Umwelt gesetzt werden. Daneben sind kommunale und regionale Putzdienste praktisch täglich in den Gemeinden unterwegs, um die Straßen und Wege sauber zu halten. In der Stadt Luxemburg wurden von den Putzdiensten im vergangenen Jahr 103 Tonnen Abfall eingesammelt. Die Mülleimer werden, je nach Lage, von den städtischen Diensten einmal am Tag bis einmal pro Woche geleert.

Was aber in Wiesen oder Feldern landet, birgt mehr als eine Gefahr für die Umwelt. Denn diese Gegenstände werden womöglich von Mähmaschinen oder Mähdreschern zerkleinert und können so im Tierfutter landen. Oder die Teile sind so klein, dass man sie gar nicht mehr einsammeln kann. Sie bleiben in der Natur liegen und dringen letztlich in die Erde.
Allein die Sammlung entlang der Nationalstraßen kostet den Staat 1,2 Millionen Euro pro Jahr (2015). Es ist nur ein Bruchteil dessen, was an Müll in der Natur landet. Viel sei auch rund um Tankstellen zu finden und in Feldern, heißt es von der Administration de l’Environnement. Sicherlich würde ein Mülleimer hier und da mehr nicht schaden, beim Littering sei das größte Problem aber das Verhalten der Menschen.
Wer erwischt wird, muss zahlen
Mit Strafen versucht die Polizei dieses Fehlverhalten zu ändern – doch nur die wenigsten Personen werden tatsächlich dabei erwischt, wie sie ihren Müll illegal entsorgen. « Die stellen alles vor sieben oder acht Uhr morgens ab und nach 17 Uhr abends – wenn wir nicht mehr unterwegs sind », so Jean-Paul Goedert.
Wie die Pressestelle der Polizei angibt, gab es im vergangenen Jahr in Luxemburg 160 Umweltdelikte, bei denen die Polizei gegen unbekannt eine Strafe ausstellte. Außerdem wurden 2016 von der Administration des Douanes et Accises und von der Polizei 101 Bußgeldbescheide wegen illegaler Müllentsorgung ausgestellt. Im Jahr 2017 waren es 89. Die Strafgelder können je nach Schweregrad von 49 über 145 bis 250 Euro kosten.
Ein letzter Stopp an einem kleinen Rastplatz in der Nähe von Remich. Hier prangt neben einem Mülleimer ein Schild mit dem Hinweis, dass Abfall richtig entsorgt werden muss und Littering strafbar ist. Direkt daneben: eine Einkaufstüte, die mit Müllbeuteln gefüllt ist, sowie ein zusätzlicher Abfallsack. Alles neben dem Mülleimer platziert, zugeschnürt. Die Botschaft ist klar: Das kann weg.
« Das nehmen wir heute noch mit », so Jean-Paul Goedert. « Wenn wir bis Freitag warten, steht doppelt so viel hier. » Und je länger die Tüten rumstehen, desto größer die Gefahr, dass sie unerwünscht geöffnet werden. « Wenn wir sie zu lange stehenlassen, kommen Tiere, reißen dann die Tüten auf und verteilen den ganzen Müll über den Parkplatz », sagt Goedert und zeigt auf den Platz. Vor allem Dachse, Marder und Füchse erfreuen sich am Müll.
Jedes Mal finde er hier Tüten. Warum, kann er aber nicht nachvollziehen. « Man könnte meinen, die Menschen hätten keinen Abfalleimer zu Hause. »