Hat Nicolas Sarkozy seinen Wahlkampf mit Geldern des libyschen Dikators Muammar al-Gaddafi bestritten? Die Hinweise darauf verdichten sich. Nach mehreren Enthüllungen in der Presse ermittelt nun die Justiz.
Koffer voller Geld, Zeugen die auf mysteriöse Weise ums Leben kommen und zwielichtige Mittelsmänner. Man könnte sich in einem Polit-Thriller glauben. Im Zentrum von alldem steht Nicolas Sarkozy und die Frage, die seit gut einer Woche erneut in allen französischen Medien Thema ist: Hat Frankreichs ehemaliger Präsident seinen Wahlkampf 2007 mit den Millionen des libyschen Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi bestritten?
Zumindest der Verdacht darauf wiegt schwer. Am 21. März leiteten die französischen Untersuchungsrichter ein Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy ein und stellten ihn unter die Aufsicht der Justiz. Zuvor war der frühere Staatschef 26 Stunden lang in Polizeigewahrsam verhört worden. Von seiner Unschuld konnte er die Beamten dabei nicht überzeugen. Die Richter werfen ihm passive Bestechung, illegale Finanzierung seiner Kampagne 2007 durch das Gaddafi-Regime und Hehlerei öffentlicher Gelder Libyens vor.
50 Millionen Euro soll Sarkozy aus Libyen erhalten und damit den Wahlkampf finanziert haben, der ihm das Präsidentenamt brachte. Im Gegenzug soll er Gaddafi unter anderem lukrative Geschäfte mit Frankreich in Aussicht gestellt haben. Der konservative Politiker, der von 2007 bis 2012 an der Spitze des französischen Staates stand, weist nach wie vor alle Anschuldigungen zurück.
Wir haben quasi den Grundstein für die laufenden Ermittlungen der Justiz gelegt.Ellen Salvi, Journalistin bei Mediapart
Seit 2013 ermittelt die französische Staatsanwaltschaft in der Affäre. Bisher gibt es viele Indizien und belastende Zeugenaussagen, aber keine Beweise. Sollten sich die Vorwürfe jedoch bewahrheiten, wäre es der wohl größte politische Skandal Frankreichs seit Jahrzehnten.
Mediapart-Recherchen brachten Stein ins Rollen
Gewicht bekamen die Anschuldigungen gegen Sarkozy durch die Enthüllungen der investigativen Online-Zeitung Mediapart. Die 2008 von mehreren Journalismus-Größen gegründete Plattform, deckte bereits zahlreiche Skandale auf. Im Juli 2011 berichteten sie zum ersten Mal über obskure Verbindungen zwischen Sarkozy und dem libyschen Regime. “Wir haben quasi den Grundstein für die laufenden Ermittlungen der Justiz gelegt”, sagt die Journalistin Ellen Salvi, die seit 2011 in der Politikredaktion des Online-Mediums arbeitet.
Die mutmaßliche Affäre begann im Jahr 2005. Sarkozy, der damals Innenminister war, reiste nach Libyen, offiziell um mit Gaddafi über Maßnahmen zur Eindämmung der Migration aus den afrikanischen Staaten zu sprechen. Dort verbrachte er längere Zeit alleine mit den libyschen Machthaber, nur in Anwesenheit von zwei Übersetzern. Gaddafis Übersetzer gab mittlerweile an, dass die beiden Männer damals über eine Wahlkampfspende gesprochen hätten. Sarkozys Übersetzerin hat nur das Treffen bestätigt. Dazu, worum es dabei ging, schweigt sie bisher.
Mit Koffern voller Geld von Tripolis nach Paris
Ein Jahr später reiste der französisch-libanesische Mittelsmann Ziad Takieddine mit einem Koffer voller Geld von Tripolis nach Paris. Schwierigkeiten am Zoll hätte er dabei keine gehabt, erklärte er 2016 in einem Video-Interview von Mediapart. Denn die französischen Sicherheitskräfte seien über den Deal informiert gewesen. Im Innenministerium hätte er den Koffer abgegeben und den Vorgang zweimal wiederholt. Insgesamt soll er so fünf Millionen Euro transportiert haben.
Zahlreiche Nebenfiguren dürften in die mutmaßliche Affäre verstrickt sein. Sarkozys enger Vertrauter und Innenminister Brice Hortefeux wurde vergangene Woche ebenfalls von der Polizei befragt. Sein Nachfolger auf dem Ministerposten, Claude Guéant, der engen Kontakt zu den Kreisen Gaddafis pflegte, muss sich bereits wegen Geldwäsche und Urkundenfälschung verantworten. Während des Wahlkampfs mietete Guéant in einer Pariser Bank einen Safe, so groß dass man darin aufrecht stehen kann. Angeblich hinterlegte er dort Wahlkampfreden. Von den Ermittlern wird das aber bezweifelt.
Nach Sarkozys Wahlsieg wandten sich die französisch-libyschen Beziehungen zunächst zum besten. Kurz nach Amtsantritt schickte der Präsident seine damalige Frau Cécilia nach Tripolis, wo sie die Freilassung bulgarischer Krankenschwestern erzielte, die seit 1999 vom Gaddafi-Regime festgehalten wurden.
Ein paar Monate darauf empfing Sarkozy Gaddafi mit hohen Ehren in Paris, als erster westlicher Staatschef, und verhalf dem bis 2004 großteils isolierten Despoten zu einer Rückkehr auf die internationale Bühne. Er ließ Gaddafi sogar unweit des Pariser Elysée-Palastes sein beheiztes Beduinenzelt aufbauen.
Militärische Intervention in Libyen als Wende
Doch 2011 kam die Wende. Als nach Tunesien und Ägypten im Zuge des arabischen Frühlings auch Libyen Volksaufstände erlebte und schließlich in einen blutigen Bürgerkrieg stürzte, war Nicolas Sarkozy der erste westliche Staatschef, der auf ein militärisches Eingreifen der internationalen Gemeinschaft drängte. Angesichts der späteren Enthüllungen stellt sich heute die Frage, ob er damals so entschieden auf einen Machtwechsel in Libyen pochte, weil er damit auch einen Zeugen loswerden wollte, der ihm lästig werden könnte.
Etwa zeitgleich sprach Gaddafis Sohn Saif al-Islam erstmals öffentlich von Millionenspenden an den Franzosen. Sarkozy sei ein “Clown, dessen Wahlkampf Libyen finanziert hat“, sagte er dem Nachrichtensender Euronews.
2012 veröffentlichte Mediapart ein aus dem Jahr 2006 datiertes Dokument, das die Anschuldigung stützt: ein Brief unterzeichnet von Gaddafis damaligem Geheimdienstchef Moussa Koussa an den Hüter eines staatlichen libyschen Fonds, in dem von einer Wahlkampfhilfe von 50 Millionen Euro die Rede ist. Sarkozy bezeichnete das Dokument als “plumpe Fälschung” und reichte gegen Mediapart Klage ein. Gutachter kamen aber zu dem Schluss, das Schriftstück sei authentisch.
Einem Zeugen könnte die Affäre gar das Leben gekostet haben: dem früherem Erdölminister Choukri Ghanem. Der enge Vertraute Gaddafis wurde einen Tag nachdem Mediapart den Brief Koussas veröffentlicht hatte, in Wien tot aus der Donau geborgen. Die österreichischen Beamten sprachen von einem Unfall, der amerikanische Geheimdienst stufte den Tod jedoch als “höchst suspekt” ein. Ghanem hatte in Tagebucheinträgen aus dem Jahr 2007 die Millionenzahlungen Libyens an Sarkozy akribisch festgehalten. 2016 veröffentlichte Mediapart die Einträge, der französischen Justiz liegen sie schon länger vor.
Sarkozy spricht weiter von « Verleumdungen »
“Nichts als Verleumdungen”, beharrt Sarkozy bis heute. Seit 2011 würde ihm das Leben zur Hölle gemacht, klagte er vergangene Woche im Interview mit dem Sender TF1. Hinter dem Vorgehen Mediaparts stecke politischer Aktivismus, die Zeugen, alles zwielichtige Gestalten “aus der Bande eines ehemaligen Diktators”, seien nicht glaubwürdig. Sie würden nur aus Rache agieren, weil der Ex-Präsident maßgeblich zum Sturz Gaddafis beigetragen hatte.
Seit 2012 haut Sarkozys auf uns ein, und versucht damit von seiner Erklärungsnot abzulenken.Ellen Salvi, Journalistin bei Mediapart
“Der Justiz liegen Beweisstücke aus den Jahren 2006 und 2007 vor. Ich denke nicht, dass die Zeugen den Militäreinsatz Frankreichs schon damals vorhersehen konnten”, widerspricht die Mediapart-Journalistin Ellen Salvi.
Auch in den Angriffen des ehemaligen Staatschefs auf Mediapart sieht sie ein reines Ablenkungsmanöver: “Seit 2012 haut Sarkozys auf uns ein, und versucht damit von seiner Erklärungsnot abzulenken.“ Sarkozy warf dem Online-Medium auch vor, bewusst zwischen den beiden Runden der Präsidentschaftswahl 2012 belastendes Material veröffentlicht zu haben, um so seine Wiederwahl zu verhindern. „Wir veröffentlichen Informationen, wenn wir sie erhalten und nicht im Hinblick auf eine politische Agenda“, kontert Salvi.
„Sarkozy täuscht sich in seinem Gegner“, betonte auch der Journalist Fabrice Arfi, der seit sieben Jahren in der Affäre Aufkärungsarbeit leistet, vergangene Woche im Interview mit dem französischen Radiosender RMC. Nicht mehr Mediapart sei heute Sarkozys Problem, sondern die Justiz.