Der Ausbau der Elektromobilität hängt an der Ladeinfrastruktur. Das öffentliche Chargy-Netz wird schleppend erweitert. Dabei wird der Bedarf an Ladestellen in den nächsten Jahren wohl drastisch steigen. Auch weil die Regierung in Sachen E-Mobilität ambitionierte Ziele verfolgt.

Mindestens 200.000 Elektroautos sollen in knapp zehn Jahren auf Luxemburgs Straßen unterwegs sein. Nachhaltigkeitsminister Claude Turmes und Umweltministerin Carole Dieschbourg (beide Déi Gréng) werden nicht müde, das angestrebte Ziel zu wiederholen: Bis 2030 sollen 49 Prozent des heimischen Fuhrparks einen E-Antrieb haben. Aktuell sind mehr als 400.000 Autos in Luxemburg zugelassen, davon sind 4.700 Elektroautos.

Mit dem nationalen Energie- und Klimaplan, der Anfang 2020 vom Ministerrat angenommen wurde, ist der schnelle Ausbau der E-Mobilität mittlerweile Regierungsziel. Um dieses zu erreichen, setzt das Umweltministerium weiterhin vor allem auf Subventionen für E-Autos. Erst vergangene Woche kündigte Ministerin Carole Dieschbourg an, die Subventionen mit kleinen Anpassungen um ein Jahr zu verlängern. Das selbst gesteckte Ziel bezeichnete Dieschbourg dabei als « ambitioniert » und den Weg dorthin als « Marathon ».

Wie ambitioniert diese Umstellung tatsächlich ist, wird beim Blick auf die dafür benötigte Infrastruktur deutlich. Denn besonders bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur hinkt Luxemburg den eigenen Plänen hinterher. Von den rund 800 anvisierten öffentlichen Chargy-Säulen wurden bisher rund 400 realisiert, wie Alex Michels, zuständig für die Netzinfrastruktur beim Netzbetreiber Creos, im Gespräch mit dem Radiosender 100,7 betonte. Grund für den Verzug seien unter anderem Parkhäuser, die nicht im erwarteten Zeitraum fertig würden, so Michels weiter.

Neuzulassungen steigen rapide

Auch wenn der Anteil an rein elektrischen Fahrzeugen in der Gesamtflotte mit etwa einem Prozent noch eher marginal ist, steigen die Neuzulassungen derzeit rapide an. Wie Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) anlässlich eines Pressetermins erklärte, habe der Anteil von E-Autos bei den Neuzulassungen in den ersten drei Monaten von 2021 bereits über 16 Prozent erreicht.

Laut einer rezenten EU-Richtlinie dürfen die Ladesäulen in Zukunft nicht mehr über Netzentgelte finanziert werden. »Camille Hierzig, ILR

Mit zunehmenden Zulassungszahlen steigt folglich auch der Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur. Das « Institut Luxembourgeois de Régulation » (ILR) hat in einer Stellungnahme zum Nationalen Energie- und Klimapakt ausgerechnet, wie viele Ladesäulen bei einem Anteil von 49 Prozent E-Autos am nationalen Fuhrpark nötig wären. Die Behörde rechnet hier mit 250.000 E-Autos.

« Bei einem Bedarf von einer Ladestelle für je 10 PKW, so wie dies die Europäische Kommission empfiehlt, wären somit 25.000 Ladepunkte und davon 2.500 Schnellladepunkte im öffentlichen Raum notwendig. Über die nächsten 10 Jahre müssten somit täglich 10 Ladepunkte mit einem Investitionsvolumen von über 600 Millionen Euro in Betrieb genommen werden », so der Bericht der staatlichen Regulierungsbehörde.

Regulierungsbehörde befürwortet Reform bei Finanzierung

Vor allem der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur und der Ladestellen bei Betrieben könnte zum Flaschenhals der Elektromobilität werden, warnt Camille Hierzig, beigeordneter Direktor des ILR im Gespräch mit Reporter.lu. Änderungsbedarf erkennt er auch bei der Finanzierung der öffentlichen Chargy-Ladestellen: „Laut einer rezenten EU-Richtlinie dürfen die Ladesäulen in Zukunft nicht mehr über Netzentgelte finanziert werden. Auch sollten etwaige Subventionen und vorgegebene Ladepreise eine wettbewerbliche Entwicklung der Ladeinfrastruktur nicht behindern.“

Einerseits hemme das den Ausbau der Ladestellen an sich, weil neue Anbieter nicht mit den Preisen von Chargy konkurrieren könnten, erklärt Camille Hierzig. Andererseits stelle dieses Finanzierungsmodell auch eine Diskriminierung der Netznutzer dar. Denn während Pendler beim Laden ihres Wagens theoretisch von einem vergünstigten Ladetarif profitieren können, tragen Netzkunden in Luxemburg die Kosten dafür alleine, so der Vizedirektor des ILR weiter.

Wenn die aktuellen Ziele umgesetzt werden, sind 2030 250.000 E-Fahrzeuge auf Luxemburger Straßen unterwegs – und auf entsprechende Ladeinfrastruktur angewiesen. (Foto: Eric Engel)

Wie könnte man den Ausbau der Ladeinfrastruktur gerechter gestalten? Für Camille Hierzig sollte auch hier das Verursacherprinzip gelten: « Im Ausland beteiligen sich Autohersteller oder auch Tankstellenbetreiber am Ausbau der Ladestellen. Ein entsprechendes Subventionsprogramm wäre dabei sicherlich hilfreich. »

Auf die Kritik der staatlichen Regulierungsbehörde ILR am Chargy-Netz angesprochen, verwies Alex Michels von Creos auf den legalen Rahmen des öffentlichen Ladenetzes: « Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, 800 Ladesäulen zu installieren, und diesen Auftrag werden wir auch erfüllen. Alles was darüber hinaus geht, muss politisch entschieden werden. »

Intelligente Lösungen für Mehrfamilienhäuser

Für den Netzbetreiber Creos ist beim flächendeckenden Ausbau der E-Mobilität vor allem der Ausbau von Ladestellen in Mehrparteienhäusern eine Herausforderung. « Um zu vermeiden, dass es zu Belastungsspitzen kommt, weil alle Bewohner gleichzeitig laden, ist es wichtig, intelligente Ladesysteme zu installieren. Besonders, weil ein Elektroauto tendenziell nur alle drei bis vier Arbeitstage geladen werden muss », erklärt Alex Michels.

Mobilität muss als Ganzes gedacht werden. Dabei reicht es nicht, Verbrenner bloß durch E-Autos zu ersetzen, die dann im Stau stehen. »Jean-Claude Juchem, ACL

Dieser Aufgabe stellen sich auch die Energieberater von MyEnergy. Wie Vizedirektor Fenn Faber im Gespräch mit Reporter.lu betonte, sei die richtige Beratung von Hausverwaltungen und Eigentümergemeinschaften beim Ausbau der E-Mobilität entscheidend. « Intelligentes Laden funktioniert nur, wenn man eine gemeinsame Lösung für alle Parteien in einem Mehrfamilienhaus findet. Es bringt nichts, wenn jeder eine eigene Ladesäule installiert », unterstreicht Fenn Faber.

40 Millionen Euro für Ladesäulen bei Betrieben

Energieminister Claude Turmes betonte auf Nachfrage von Reporter.lu, dass der Staat mit der öffentlichen Ladeinfrastruktur versucht habe, eine Art Grundversorgung sicherzustellen: « Das Chargy-Netz soll den flächendeckenden Ausbau des Ladenetzes sicherstellen. Es ist klar, dass auch private Anbieter auf den Markt kommen müssen, wenn die E-Mobilität zum Erfolg werden soll. »

Das Energieministerium will in Zukunft auch die Ladeinfrastruktur bei Betrieben fördern, so Claude Turmes. « Wir prüfen gerade bei der EU-Kommission, inwiefern eine Subventionierung von Ladesäulen für Betriebe zulässig ist. Da es sich dabei um eine direkte staatliche Hilfe für Unternehmen handelt, müssen wir das mit der EU abklären. Ich bin aber zuversichtlich. »

Luxemburg hat eines der besten Netze in Europa. Die Mehrbelastung durch die E-Autos ist eine machbare Aufgabe. »Alex Michels, Creos

Das Anfang März von Finanzminister Pierre Gramegna (DP) vorgestellte Resilienzpaket der Regierung gibt bereits einen Einblick in die Größenordnung der Hilfen. Darin sind 40 Millionen Euro für Ladestellen bei Betrieben vorgesehen. Konkret sollen Unternehmen ab 2022 die ersten Anträge stellen können und das staatliche Subventionsprogramm soll bis 2025 laufen.

Der Generaldirektor des ACL, Jean-Claude Juchem, fordert in diesem Zusammenhang die Schaffung eines « Mobility Coordinator » in Unternehmen. « Mobilität muss als Ganzes gedacht werden. Dabei reicht es nicht, Verbrenner bloß durch E-Autos zu ersetzen, die dann im Stau stehen », erklärt Jean-Claude Juchem. Die Rolle des ACL sieht er dabei als neutrale Informationsstelle und Mittler zwischen Politik und Bürgern.

Netzausbau langfristig erforderlich

Eine Befürchtung im Zusammenhang mit dem flächendeckenden Ausbau der E-Mobilität können sowohl Camille Hierzig als auch Alex Michels teilweise entkräften. Denn E-Autos dürften das heimische Netz nicht vor eine unüberwindbare Belastung stellen. « Ich rechne mit einer Mehrbelastung von einem zusätzlichen Prozent jährlich über die nächsten zehn Jahre », erklärt der Vizedirektor der staatlichen Regulierungsbehörde.

Auch Alex Michels von Creos sieht in der Netzkapazität nicht das eigentliche Problem: « Luxemburg hat eines der besten Netze in Europa. Die Mehrbelastung durch die E-Autos ist eine machbare Aufgabe », so Michels. Dennoch wird Creos das Netz ausbauen müssen, wenn Luxemburg die Ziele des Energie- und Klimaplans erreichen soll.

Die Notwendigkeit einer Verstärkung des Stromnetzes legen auch die eigenen Projektionen von Creos nahe. Im sogenannten « Scenario Report 2040 » hat der Netzbetreiber, neben der demografischen Entwicklung des Landes, auch die Mehrbelastung des Stromnetzes durch den flächendeckenden Ausbau der E-Mobilität berechnet. 2040 sollen laut Klima- und Energieplan bereits 82 Prozent aller Autos elektrisch betrieben sein. Das würde einem Stromverbrauch von 1.850 Gigawattstunden entsprechen und somit 29 Prozent der gesamten Netzkapazität 2040.

ACL fordert Planungssicherheit

Der Generaldirektor des ACL fordert bei der Verkehrswende in Luxemburg indes einen ganzheitlichen Ansatz. Man dürfe sich nicht allein auf das Auto beschränken, so Jean-Claude Juchem. Er kritisiert ebenfalls die kurzfristige Lenkungswirkung der staatlichen Förderung von E-Autos: « Die Menschen brauchen Planungssicherheit. Eine Hilfe, die nur ein Jahr läuft, ist da zu kurz gedacht. »

Generell brauche es eine evidenzbasierte Herangehensweise, wenn es darum geht, die eigenen Umweltziele zu erreichen, so Jean-Claude Juchem. « Es geht auch darum, wie viel ein Fahrzeug wirklich genutzt wird. Und ich finde, dass man einer kilometergebundenen Besteuerung von Autos nicht abgeneigt sein sollte. »

Wie sich die E-Mobilität in den nächsten Jahren entwickelt, bleibt dennoch ungewiss. Nicht zuletzt, weil der Gebrauchtwagenmarkt für Autofahrer immer attraktiver wird. Für Jean-Claude Juchem kann der Erfolg der E-Mobilität deshalb nicht politisch erzwungen werden: « Wir sind letztlich ein kleines Land. Es sind immer noch die Hersteller, die entscheiden, was sie auf den Markt bringen. Und in letzter Instanz die Kunden, da sie entscheiden, wie sie sich fortbewegen wollen. »