Der Abschied von Etienne Schneider aus der Politik steht unmittelbar bevor. Seit Monaten bereitet der Vizepremier seinen Wechsel in die Privatwirtschaft vor. Unter anderem strebt er laut Informationen von REPORTER einen Sitz im Aufsichtsrat von ArcelorMittal an.

Seit Wochen wird über das genaue Datum seines Rücktritts spekuliert. Dass er die Regierung verlassen wird, hat Etienne Schneider selbst bereits in mehreren Interviews angekündigt. Seitdem ist der Vizepremier nur noch ein Regierungsmitglied auf Abruf.

Laut Informationen von REPORTER hat Etienne Schneider sein engstes Umfeld längst über seine genauen Pläne informiert. Schon am 3. Februar 2020 soll er offiziell seinen Rücktritt einreichen, heißt es von Quellen, die dem LSAP-Politiker nahe stehen. Das wäre fast auf den Tag genau acht Jahre nach seiner Vereidigung als Minister am 2. Februar 2012.

Wie es von mehreren Quellen weiter heißt, wolle sich der Minister das exakte Datum aber noch „zwei bis drei Wochen“ offenhalten. Etienne Schneider wolle die laufenden Dossiers in seinen Ministerien noch zu Ende bringen und den Übergang innerhalb der Regierung und seiner Partei im Detail regeln. Als Nachfolger von Schneider gilt LSAP-Parteichef Franz Fayot als gesetzt. Die genaue neue Ressortverteilung wird aber parteiintern noch diskutiert.

Zwei offene Stellen bei ArcelorMittal

Unabhängig vom genauen Termin beschäftigt sich Etienne Schneider jedoch schon seit geraumer Zeit mit der Planung seiner Karriere nach der Politik. Dabei hat es die Nummer zwei der Regierung vor allem auf den Aufsichtsrat von ArcelorMittal abgesehen. Im kommenden Jahr eröffnen sich dort gleich zwei Gelegenheiten.

Das Mandat von Michel Wurth läuft im Mai 2020 aus. Und auch Jeannot Krecké wird laut Informationen von REPORTER sein noch bis 2022 laufendes Mandat als Mitglied des Aufsichtsrats („Board of directors“) des Stahlkonzerns im kommenden Frühjahr aufgeben. Damit wäre der Weg für Etienne Schneider prinzipiell frei. Wenn alles nach Plan läuft, könnte Schneider wie schon 2012 als Minister auch bei ArcelorMittal in die Fußstapfen seines Parteifreundes und Förderers Jeannot Krecké treten. Auf Nachfrage von REPORTER wollte sich Etienne Schneider nicht zu diesen Fragen äußern.

Luxemburg ist aktuell mit zwei Mitgliedern im Aufsichtsrat von ArcelorMittal vertreten. Dass das so bleibt, ist allerdings nicht garantiert. Michel Wurth strebt seinerseits ein weiteres Mandat von drei Jahren an. Wie es aus gut unterrichteten Kreisen heißt, genießt Wurth dafür auch die Unterstützung des Hauptaktionärs bzw. des Vorstandsvorsitzenden Lakshmi Mittal. Michel Wurth selbst verweist auf Nachfrage von REPORTER auf die am 5. Mai 2020 stattfindende Aktionärsversammlung, der allein die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats zustehe.

Rund 150.000 Euro Jahresgehalt

Auch der Sitz von Jeannot Krecké dürfte an diesem Datum formal neu vergeben werden. Im Gegensatz zu Wurth ist Krecké zwar noch bis 2022 gewählt. Doch wolle der Ex-Minister, der im April 2020 seinen 70. Geburtstag feiert, seinen Platz für einen neuen Vertreter im Aufsichtsrat freimachen, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen. Der Vorstand von ArcelorMittal soll demnach über Kreckés Absichten im Bilde sein. Ebenso soll der zuständige Luxemburger Ressortminister informiert worden sein – ein gewisser Etienne Schneider.

In mehreren Gesprächen mit Vertrauten soll Etienne Schneider denn auch schon seine weiteren Karrierepläne offenbart haben, heißt es aus dem Umfeld des aktuellen Wirtschafts- und Gesundheitsministers. Um das Terrain der Privatwirtschaft zu präparieren, soll Schneider kürzlich auch schon erste private Reisen etwa nach Russland unternommen haben.

Der erste Schritt soll jedoch die Nachfolge von Jeannot Krecké im Aufsichtsrat von ArcelorMittal sein. Das Mandat gilt als Prestige-Posten und ist im Maßstab luxemburgischer Aufsichtsräte gut dotiert. Laut Jahresbericht 2018 bezogen Krecké und Wurth als Mitglieder des „Board of directors“ im vergangenen Jahr jeweils 166.000 US-Dollar, umgerechnet knapp 150.000 Euro.

Entscheidung noch nicht ausgemacht

Formal ist die Entscheidung jedoch noch nicht getroffen. Zunächst ist nicht ausgemacht, ob in Zukunft weiter zwei Luxemburger im Aufsichtsrat sitzen werden. Anders als Michel Wurth, dem Präsidenten von ArcelorMittal Luxembourg, sitzt Jeannot Krecké seit 2010 als Vertreter des Luxemburger Staates im obersten Gremium von ArcelorMittal. Die ersten zwei Jahre seiner Mandatszeit war Krecké als Minister Mitglied im Aufsichtsgremium des Stahlkonzerns.

In der Praxis ist es jedoch der Mehrheitsaktionär, die Familie Mittal, der über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entscheidet. In den vergangenen zehn Jahren wurde dabei aber stets berücksichtigt, dass der Luxemburger Staat einen Vertreter in dem Gremium haben soll. Diese Person war bisher Jeannot Krecké, dessen Ernennung zudem stets durch den Regierungsrat bestätigt wurde. Dieses Vorgehen ist aus heutiger Sicht jedoch nicht in Stein gemeißelt, heißt es aus Regierungskreisen.

Doch auch innenpolitisch ist die Sache noch nicht ausgemacht. Neben der Akzeptanz durch den CEO und Präsidenten von ArcelorMittal, Lakshmi Mittal, sowie der Aktionäre des Konzerns, braucht das kommende Mitglied im Aufsichtsrat auch die Unterstützung des Premiers und des ganzen Kabinetts.

Verhaltenskodex eher kein Problem

Zudem ist der Wechsel eines Ministers in die Privatwirtschaft im aktuellen Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder geregelt. Demnach darf ein Ex-Minister auch in den zwei Jahren nach seiner Amtszeit einen Job in der Privatwirtschaft annehmen. In diesem Fall könnte jedoch Premierminister Xavier Bettel (DP) einen Ethikrat mit der Verfassung eines Gutachtens beauftragen. Dem früheren Mitglied der Regierung steht in jedem Fall aber frei, ob er dem Gutachten folgt oder nicht.

Eine verbindliche Regel, die Schneider seinen Wechsel in einen Aufsichtsrat verbieten könnte, gibt es aktuell nicht. Vielmehr dürfte die Regierung die öffentliche Wirkung des geplanten Jobwechsels der Nummer zwei der Dreierkoalition bedenken.

Die Regierung arbeitet zwar an einem neuen, strengeren Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder und Beamte, wie das „Letzebuerger Land“ berichtete. Doch dürfte Etienne Schneiders Abschied aus der Regierung und sein angestrebter Wechsel in die Privatwirtschaft diesem neuen Regelwerk gerade noch zuvor kommen.