Wie groß ist der Einfluss von Unternehmer-Lobbies auf die EU-Politik? Recherchen von « Follow the Money » zeigen, dass sich Europas Parteien unmittelbar von mächtigen Konzernen finanzieren lassen. Liberale und Christdemokraten ziehen die meisten solcher Spenden an.

Keine europäische Stadt hat eine so hohe Lobbyisten-Dichte wie Brüssel. Rund 25.000 Interessenvertreter tummeln sich laut Schätzungen in der inoffiziellen europäischen Hauptstadt und üben hier mehr oder weniger direkten Einfluss auf die Politik der EU-Institutionen aus.

Vor allem das Europäische Parlament steht unter zunehmendem Druck der Unternehmer-Lobbies. In den vergangenen Jahren stiegen die Kompetenzen des Parlaments an, und damit auch die Einflussmöglichkeiten von organisierten Interessen. So geraten auch die europäischen Parteien, und ganz besonders die von ihnen angenommenen Spenden, zunehmend in den Fokus.

Neue Datensätze der niederländischen investigativen Plattform « Follow the Money », die REPORTER vor der Veröffentlichung einsehen konnte, zeigen: Manche Unternehmen sind durchaus großzügig bei ihrer finanziellen Unterstützung von politischen Organisationen auf EU-Ebene. Und im Vorfeld der Europawahlen nehmen manche europäische Parteien diese Unterstützung dankender an als andere.

Konzerne begünstigen Liberale und Christdemokraten

So lässt sich die « Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa » (ALDE), zu der auch die luxemburgische DP gehört, besonders von mächtigen Konzernen finanziell unterstützen. Allein im Jahr 2017 erhielt die Partei bzw. die ALDE-Stiftung « European Liberal Forum » über 100.000 Euro an Spenden von Unternehmen wie Google, Microsoft, Uber, Coca Cola, Deloitte, Yelp, Syngenta und der Bayer AG.

Viele dieser Namen finden sich auch unter den Spendern der « Europäischen Volkspartei » (EVP/EPP), zu deren Mitgliedern die CSV gehört, bzw. der offiziellen Parteistiftung « Wilfried Martens Centre for European Studies ». Die Unternehmen AT&T, E-Bay, Walt Disney oder UPS gehören ebenso zu den Großspendern, die gleich mehrere Parteien begünstigen. Ebenso findet bei den unterschiedlichen europäischen Parteien aber auch eine Querfinanzierung durch nationale Parteien, Stiftungen oder Denkfabriken statt.

Immer mehr Spenden, immer mehr aus Drittstaaten

Zwischen 2014 und 2018 spendeten Konzerne und andere Organisationen insgesamt rund 8,7 Millionen Euro an europäische Parteien. Im Vergleich mit anderen Einnahmequellen wie Mitgliedsbeiträge oder Subventionen durch das Europäische Parlament handelt es sich zwar um eine relativ geringe Summe. Doch die Höhe der Parteispenden stieg in den vergangenen zehn Jahren rasant an. Von knapp 200.000 Euro in 2008 auf 2,3 Millionen Euro in 2018 hat sich das Spendenvolumen mehr als verzehnfacht, so die Recherchen von « Follow the Money ».

Nahezu die Hälfte aller Spendensummen stammt dabei von außerhalb der EU – insbesondere aus den USA. In manchen EU-Staaten wären solche externen Finanzierungen von Parteien übrigens nicht möglich. In Luxemburg sind etwa jegliche Spenden von Unternehmen bzw. juristischen Personen laut Parteienfinanzierungsgesetz verboten. Für die Dachverbände der europäischen Parteienfamilien gelten solche Restriktionen jedoch nicht.

Nur wenige Spendengelder stammen aus Luxemburg

Während Europas Liberale und Christdemokraten eher auf Großunternehmen setzen, sieht die Zusammensetzung der Spender bei anderen Parteienfamilien zum Teil sehr anders aus. So kann die « Allianz der Konservativen und Reformer in Europa » (ACRE) vor allem Spenden von ideologisch verwandten Organisationen und spendierfreudigen Privatpersonen vorweisen, die sich zum Teil hinter komplexeren Firmenkonstruktionen verbergen.

So auch im Fall von « Les Harmonies Economiques », einer luxemburgischen Beteiligungsgesellschaft des französischen Unternehmers Paul Beaumartin, die über zwei Jahre verteilt 18.000 Euro an die konservative europäische Partei spendete. Eine weitere ACRE-Verbindung nach Luxemburg betrifft eine Spende von 800 Euro durch Joelle Giannotte, frühere Vize-Präsidentin der Jugendorganisation „European Young Conservatives“ und Mitarbeiterin in der ADR-Fraktion. Insgesamt konnte die ACRE bzw. ihre Stiftung « New Direction » über die vergangenen fünf Jahre über eine Million Euro an Spenden sammeln.

Ebenso aus Luxemburg stammen die Spenden von « Déi Gréng » an die « Europäische Grüne Partei » (EGP) in Höhe von insgesamt rund 30.000 Euro (2014-2017). Insgesamt kommen die Spenden der EGP fast ausschließlich von grünen Parteien oder grünen Stiftungen aus den Nationalstaaten. Die Sozialisten und Sozialdemokraten (PES) tauchen in der Datenbank schließlich nur mit drei Spenden von je 12.000 Euro (2015-2017) des US-Telekommunikationskonzerns AT&T Global Networks auf.

Die rechtsextreme « Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit » verzeichnet dagegen nur wenige Spenden. Die Partei, die sich aus der österreichischen FPÖ, der italienischen Lega Nord und dem französischen Rassemblement National (vormals Front National) zusammensetzt, gründet seine eher lose Kooperation auf europäischer Ebene vor allem auf finanzielle Beiträge ihrer Mitglieder.

Einen detaillierten Überblick über die Recherchen zu den Finanziers der europäischen Parteien finden Sie auf der Webseite von « Follow the Money ».