Luxemburg wollte es anderen Ländern gleichtun und Aufenthaltsgenehmigungen an reiche Investoren verkaufen. Die Zwischenbilanz nach über einem Jahr ist überaus bescheiden. Möglicherweise kann man das aber auch als gute Nachricht auffassen.
Am Anfang war Zynismus. Die blau-rot-grüne Koalition hielt es für angebracht, mit dem Gesetz vom 8. März 2017 sowohl ein Aufenthaltsrecht für reiche Investoren zu schaffen als auch die Dauer zu erhöhen, während deren Familien mit Kindern im „Centre de rétention“ eingesperrt werden können.
Der Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn reagierte damals gewohnt dünnhäutig auf Kritik: Luxemburg sei ein Rechtsstaat und die Stahlindustrie hierzulande hätten eben gerade ausländische Investoren ermöglicht. Damit war die Debatte abgeschlossen.
Vor einer Woche legte die Regierung nun erstmals Zahlen zu den gewährten „golden visa“ vor. Sechs Personen erhielten aufgrund ihrer Investitionen in Luxemburg das Aufenthaltsrecht, seitdem das Gesetz in Kraft trat. Das teilten die Minister Asselborn, Schneider und Gramegna in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage mit.
Sehr geringes Interesse
Was die Minister verschwiegen, war die Zahl der Anfragen. Auf Nachfrage von REPORTER stellte das Wirtschaftsministerium klar, insgesamt drei Anfragen erhalten zu haben. Die sechs erteilten Visa betreffen ein einziges Investitionsprojekt. Ein weiteres steht noch aus und schließlich wurde ein Antrag abgelehnt. Das Finanzministerium erhielt „ein knappes Dutzend“ Anträge, lehnte aber alle ab. Laut Gesetz prüft das Wirtschaftsressort die Investitionen in Technologie- und Industrieprojekte, das Finanzministerium jene, die den Finanzsektor betreffen.
Die sechs erteilten Visa sind sehr wenig im Vergleich zum Ansturm, den Länder wie Zypern, Malta oder Portugal erlebten.“Serge Krancenblum, LAFO-Präsident
2017 versprach sich die Regierung von dieser Möglichkeit eine „Diversifizierung der Wirtschaft, eine Förderung des Unternehmertums und eine Neupositionierung des Finanzplatzes. Doch diese Erwartungen wurden (bisher) nicht eingelöst.
„Die sechs erteilten Visa sind sehr wenig im Vergleich zum Ansturm, den Länder wie Zypern, Malta oder Portugal erlebten“, sagt der Präsident der Luxembourg Association of Family Offices, Serge Krancenblum.
Hohe Anforderungen und strenge Kontrollen
Ein Grund für die geringe Zahl sei, dass die Luxemburger Banken sehr genau darauf achten, woher das Geld eines Kunden komme. Andere Länder seien nicht ausreichend wählerisch gewesen, so der Experte in Vermögensverwaltung.
Zusätzlich sind die Anforderungen für das Luxemburger „golden visa“ im Vergleich sehr hoch. Die Personen sind verpflichtet mindestens sechs Monate pro Jahr im Land zu verbringen. In Portugal ist es eine Woche, in Irland gerade mal einen Tag. Krancenblum stört das nicht: „Luxemburg braucht vermögende Personen, die tatsächlich hier mit ihren Familien leben und ihre wirtschaftliche Tätigkeit organisieren.“ Es bringe nichts ein Schengen-Visa zu verteilen, nur weil eine Person Geld auf ein Luxemburger Konto überwiesen hat.
Eine zweite Hürde sind die hohen Summen, die ein am „golden visa“ Interessierten in Luxemburg investieren muss: Entweder 500.000 Euro in ein Industrie- oder Technologieunternehmen, 3 Millionen Euro in einem Investmentfonds anlegen oder 20 Millionen bei einer Luxemburger Bank verwalten lassen. Zum Vergleich: In Malta wird ein Investor bereits mit einer Million Euro gleich zum EU-Bürger, in Portugal reicht eine Viertelmillion für ein Visum.
Krancenblum rät deshalb der Regierung, die Anforderungen für die Investments zu senken, gleichzeitig aber die Background-Checks der Personen zu verstärken und spezialisierte Firmen damit zu beauftragen. So könne man mehr Vermögende anziehen, aber Luxemburgs Ruf schützen.
Die Hintertür bleibt offen
Mit dem Argument der strengen Kontrolle versuchen die Minister die bescheidenen Zahlen zu beschönigen: „Diese Statistik zeigt, wie rigoros dieses Gesetz in Luxemburg umgesetzt wird“, schreiben sie in ihrer Antwort.
Die LSAP-Abgeordneten Marc Angel und Mars di Bartolomeo hatten in ihrer Frage auf einen kritischen Bericht der EU-Kommission zu den „golden visa“ und Pässe für Investoren verwiesen. Brüssel zeigte sich besorgt über die Risiken dieser Angebote: Diese reichten von Infiltrieren von Mafias, Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung. Vor allem sei die mangelnde Transparenz und Umsetzung problematisch, klagt die Kommission.
In diesem Kontext wurde Luxemburg weder positiv noch negativ hervorgehoben. Anders als etwa in Spanien oder Portugal gibt es keine Verpflichtung für die Regierung, regelmäßig über die Vergabe der „golden visa“ zu berichten. Doch die EU-Kommission verweist auf die Prüfung der Investoren durch das Wirtschafts- oder Finanzministerium.
Doch die vorgebliche Transparenz des Luxemburger „golden visa“ ist relativ. Denn parallel zur „autorisation de séjour pour investisseur“ (Artikel 53bis des Immigrationsgesetzes) existiert die Möglichkeit einer „autorisation de séjour pour des raisons privées“ (Art. 78.1a). Letztere steht im alleinigen Ermessen des Immigrationsministers. Die Person muss lediglich nachweisen können, ausreichend Mittel zum Leben, eine Wohnung und eine Versicherung zu haben.
88 Visas „vie privée“
Die Zahl dieser Aufenthaltsgenehmigungen ist deutlich höher als jene der „golden visa“. 2018 vergab die „Direction de l’immigration“ insgesamt 88 Visas nach Artikel 78.1a, 2017 waren es 69, 2016 aber lediglich 26.
Die Aufenthaltsgenehmigungen „vie privée“ galten als Weg, „high net worth individuals“ nach Luxemburg zu bringen – diskret und auf dem berühmten kurzen Amtsweg. Luxemburger Dienstleister bewarben diese Möglichkeit aktiv. Anders als bei den „golden visa“ gibt es zwar einen Sicherheitscheck, aber keine Prüfung woher das Geld der Antragsteller kommt.
Auf die Nachfrage, ob das Visa „vie privée“ keine Dopplung zum Investorenvisa sei, antwortet das Außenministerium mit einem klaren Nein. Der Artikel 78.1a richte sich „nicht nur“ an vermögende Personen aus Drittstaaten. Davon würden auch Menschen Gebrauch machen, die in Luxemburg wohnen, aber in der Großregion arbeiten, eine Pension aus dem Ausland beziehen oder Praktikanten der europäischen Institutionen.
Sehr unterschiedliche Herkunftsländer
In den Genuss der Luxemburger „golden visa“ kamen fünf Chinesen und ein Australier, schreibt das Außenministerium auf Nachfrage.
Bei den Visas „vie privée“ ist die Liste der Herkunftsländer sehr lang. Sie reicht von Japan über Südafrika bis Uganda. Hervorstechen allerdings Albaner, Russen und Chinesen, die knapp zwei Fünftel der 88 Aufenthaltsgenehmigungen nach Artikel 78.1a ausmachen.
Allerdings scheint Luxemburg weiterhin außerhalb der EU nur wenige Superreiche zu interessieren. Zwei Drittel der „Private Banking“-Kunden in Luxemburg kommen aus der EU, zeigt eine Studie der Bankvertretung ABBL. Nur zehn Prozent der Kunden kommen von außerhalb der EU – ein Anteil der sogar in den letzten Jahren rückläufig war. Auch Luxusimmobilien wie das Cloître Saint-François am Fischmarkt zogen vor allem reiche Käufer aus den Nachbarländern an und nicht aus Russland und den Golfstaaten, wie Projektentwickler gehofft hatten.
Die Golden-Visa-Industrie verschmäht Luxemburg
Einer der Gründe ist, dass die weltweite Beraterindustrie, die sich um „golden visa“ und die Vergabe von Pässen an Superreiche gebildet hat, das Luxemburger Angebot größtenteils ignoriert. Im Index der Anwaltskanzlei Henley&Partners, dem Marktführer in diesem Geschäft, taucht Luxemburg erst gar nicht auf. Bei zahlreichen internationalen Events, die Golden-Visa-Programme vorstellen, sind zwar meist maltesische Regierungsmitglieder anwesend, aber keine Vertreter aus Luxemburg.
„Luxemburg ist nicht auf der Karte dieser Branche“, bestätigt Krancenblum. Es habe fast keine Werbung für das hiesige Investmentprogramm gegeben. Aber das sei eigentlich gut: „Es soll kein Produkt für jedermann werden“, so der Experte.
Offen bleibt, wie sich die Zahlen entwickeln. Der karibische Staat St. Kitts und Nevis lancierte 2005 die gesamte Branche, als das Land begann, seine Staatsbürgerschaft zu verkaufen. Im ersten Jahr verteilte es sechs Pässe, das folgende Jahr 75 und zehn Jahre später über 2.000. Das mag ein Trost für die Luxemburger Regierung sein. Oder eine Warnung.