Wer weniger Fleisch isst, tut etwas gegen den Klimawandel, heißt es. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. In Luxemburg lässt sich die auf Fleischproduktion aufgebaute Landwirtschaft nicht so leicht umstellen. Dennoch gibt es wirksame Wege zu mehr Nachhaltigkeit.

Rund um die Feiertage wird der Gang zum Metzger zur Geduldsprobe. Ob Foie Gras für die Vorspeise, einen Braten für den Hauptgang oder die klassische Rieslingspaschtéit: Jeder braucht noch irgendetwas von der Fleischtheke. Ein gutes Stück Fleisch zu Weihnachten oder Neujahr hat in den meisten Haushalten Tradition. Doch was macht unser Fleischkonsum eigentlich mit der Umwelt? Welche Spuren hinterlässt unser Weihnachtsragout?

Laut dem letzten Weltklimabericht bleibt uns kaum Zeit, um den CO2-Ausstoß drastisch einzugrenzen und damit die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Was kann jeder einzelne also tun, um die Katastrophe abzuwenden? Weniger Fleisch essen, suggerieren in letzter Zeit zahlreiche Medienberichte. „Avoiding meat and dairy is ’single biggest way’ to reduce your impact on Earth“ schreibt etwa der „Guardian“. „Klimaschutz: Die Menschen müssen weniger Fleisch essen“, titelt die FAZ.

Tatsächlich wurden in den letzten Jahren mehrere Studien veröffentlicht, die diese Aussagen bekräftigen. Bereits 2006 untersuchte die Ernährungs-und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, inwiefern der Fleischkonsum die Umwelt belastet. Sie kam zum Schluss, dass rund 18 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen durch die Viehzucht entstehen. Also dadurch, dass wir unseren Kaffee mit Milch trinken und Weihnachten ein Braten auf den Teller kommt.

Viehzucht schadet der Umwelt

Gleichzeitig führt die Viehzucht zu einer Übernutzung und Verschlechterung der Böden und zu einem extrem hohen Wasserverbrauch. Für die Produktion von Viehfutter kommen Düngemittel und Chemikalien zum Einsatz. Wälder werden gerodet um das gewonnene Land als Viehweide zu nutzen oder Futter anzubauen. Biodiversität und Artenvielfalt leiden darunter.

Auch dieses Jahr wurden Studien mit ähnlich besorgniserregenden Ergebnissen veröffentlicht. So schreiben Forscher im internationalen Wissensmagazin „Nature“, dass der hohe Fleischkonsum in Zukunft bei wachsenden Bevölkerungszahlen die weltweite Ernährungssicherheit gefährden wird. Denn Vieh braucht Land, viel Land. Flächen, die eigentlich viel effizienter für den Anbau von Hülsenfrüchten genutzt werden könnten, müssen für die Produktion von Viehfutter herhalten. Wären wir alle Veganer, würde rund 75 Prozent weniger Agrarfläche für die Lebensmittelproduktion gebraucht, schlussfolgert eine weitere Studie im Magazin „Science“.

Der Luxemburger Standort ist für die Milch- und Fleischproduktion prädestiniert. Die Flächen können wir nicht anders nutzen.“Jeanne Bormann, Administration des Services Techniques de l’Agriculture

2017 wurden weltweit rund 330 Millionen Tonnen Fleisch produziert und der Trend geht weiter nach oben. Denn insbesondere in Schwellenländern nimmt der Fleischkonsum laut den Vereinten Nationen zu. In Luxemburg liegen wir bei einem jährlichen Fleischverzehr von schätzungsweise rund 100 Kilo pro Kopf über dem europäischen Durchschnitt. Genaue Vergleiche mit anderen Staaten sind aber schwer zu ziehen, da die Grenzgänger die Statistiken verzerren.

Luxemburgs Landwirtschaft braucht das Vieh

Global gesehen sprechen die Fakten jedoch für sich. Die Lösung ist für viele auch schnell gefunden: Stellt man die Landwirtschaft um, ist die Katastrophe gebannt. Dass das aber nicht so einfach ist, zeigt das Beispiel der luxemburgischen Viehzucht.

Rund die Hälfte der Luxemburger Agrarfläche besteht aus Grünland und wird für die Viehzucht genutzt. 198.000 Rinder wurden laut Eurostat 2017 hierzulande gehalten. „Der Luxemburger Standort ist somit für die Milch- und Fleischproduktion prädestiniert“, erklärt Jeanne Bormann von der Verwaltung der technischen Dienststelle für Landwirtschaft (ASTA). „Die Flächen können wir nicht anders nutzen.“ Für den Anbau von Gemüse oder Obst eignen sie sich nicht und auch das Klima ist dem nicht förderlich.

Doch Viehzucht ist nicht gleich Viehzucht. Große industrielle Mastbetriebe gibt es hier nicht, die meisten Landwirtschaftsbetriebe sind kleine Familienbetriebe. „Mit etwa 1,4 Großvieh pro Hektar haben wir eine sehr extensive Landwirtschaft“, bestätigt Josiane Willems von der Bauernzentrale. Dennoch macht auch dieses Vieh Mist. Ob Bio-Kuh oder konventionelles Rind: Die Wiederkäuer brauchen Platz und Futter. Sie stoßen Methan aus. Und durch ihre Gülle gelangt Ammoniak in die Atmosphäre.

Doch nicht immer ist der Umwelteinfluss so groß, wie es die Studien vermuten lassen. So hat etwa die US-amerikanische Organisation „Water Footprint Network“ ausgerechnet, dass pro Kilo Rindfleisch 15.000 Liter Wasser gebraucht werden. Die Zahl wird immer wieder zitiert, dabei bezieht sie sich auf eine industrielle Fleischproduktion, die es in diesem Ausmaß in Luxemburg nicht gibt. Und: sie berücksichtigt auch Grünwasser, also etwa das Regenwasser, welches auf die Felder und Weiden fällt, auf dem das Viehfutter produziert wird. Dieses Grünwasser macht rund 98 Prozent des Wasserverbrauchs aus. Würde die Berechnung auf Luxemburg zutreffen, würde die Fleischproduktion jährlich fünf Mal mehr Wasser verbrauchen als der Stausee, Luxemburgs größtes Trinkwasserreservoir, überhaupt führt.

Viehzucht als Kreislaufwirtschaft

Ob die Viehzucht bloß ein Problem für die Umwelt darstellt, müsse man differenziert betrachten, sagt Jeanne Bormann. Ohne Vieh ginge es etwa den hiesigen Böden noch schlechter. „Um Ackerbau und Gartenbau sinnvoll zu betreiben, brauchen wir Mist und Gülle“. Der organische Dünger hilft den Humusgehalt der Böden zu erhalten und liefert den Pflanzen wichtige Nährstoffe. Emissionen des klimaschädlichen Methans durch die Wiederkäuer seien ebenfalls zu relativieren.

Jeanne Bormann erklärt: „Bei einer grünlandbetonten Fütterung emittieren die Wiederkäuer lediglich das Methan, dessen Bausteine vorher bereits durch die Photosynthese im Gras und Klee gebunden waren.“ Zudem wandele der Wiederkäuer das für den Menschen unverdauliche „Grünzeug“ in ausgewogene Proteine in Form von Milch und Fleisch um.

Die Fleischproduktion gänzlich abzuschaffen, wäre der hiesigen Landwirtschaft demnach nicht dienlich. Viel sinnvoller ist es laut Bormann auf eine effiziente Kreislaufwirtschaft zu achten, bei der sich Fleisch-und Pflanzenproduktion optimal ergänzen.

Der Betrieb von Marco Clees in Allerborn liefert einen Eindruck davon, wie ein Betrieb sich aufstellen muss um nachhaltiger zu sein. Der Milchbauer wurde 2018 mit dem „e-Präis“ der Luxemburger Genossenschaft für Tierproduktion (Convis) ausgezeichnet. Der Preis wird an Landwirte vergeben, die besonders umweltschonend und effizient arbeiten.

„Bei mir sind die Wege kurz, höchstens 1,5 Kilometer brauche ich bis zum Feld. Ich produziere fast das gesamte Viehfutter selbst. Nur ein wenig Soja und Raps muss ich dazukaufen“, erklärt Marco Clees. Die Kühe des Landwirten stehen so viel wie möglich draußen und werden „net zevill op Leeschtung getrimmt.“ Dadurch halten sich auch die Tierarztkosten in Grenzen.

Nachhaltige Landwirtschaft fördern

Die Herangehensweise von Marco Clees ist aber noch lange kein Patentrezept. Jeder Betrieb muss an anderen Schrauben drehen, um nachhaltiger zu produzieren, erklärt Convis-Mitarbeiter Tom Düsseldorf. Die Genossenschaft hilft Landwirten dabei, so ökonomisch und ökologisch wie möglich zu produzieren. „Anhand der Buchführung können wir sehen, was die Betriebe einkaufen und zukaufen. Das gibt uns einen Eindruck darüber, welche Umweltauswirkungen der Betrieb hat“, so der Experte.

Nährstoff-, Humus- und Energiebilanzen helfen den Bauern dabei, ihre Produktion zu optimieren. Etwa indem sie Fütterung und Düngung anpassen, ganz nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Rund 450 Betriebe arbeiten mit der Convis zusammen. Die Kooperation, die vom Landwirtschaftsministerium mitfinanziert wird, vergibt auch das Fleisch-Label „Rëndfleesch vum Lëtzebuerger Bauer“.

Bereits wenn man sich regional und saisonal ernährt, kann man etwas für die Umwelt tun.“Jeanne Bormann, Administration des Services Techniques de l’Agriculture

Doch Nachhaltigkeit bedeutet in vielen Fällen auch, zusätzliche Ausgaben zu tätigen – etwa in Form von Investitionen in neue Technologien. So können zum Beispiel innovative Verfahren zur Gülleausbringung oder Biogasanlagen helfen, den Ausstoß von Ammoniak zu verringern. Doch sie kosten Geld. Und auch wenn es von der Regierung Zuschüsse für solche Anschaffungen gibt, helfen diese zumeist nur, Verluste auszugleichen. Es ist fraglich, ob sie den Bauern genug Anreize geben, um ihre Produktion umzustellen.

Produktion und Konsum anpassen

Will man den ökologischen Fußabdruck verringern, sei auch der Konsument in der Pflicht. Da sind sich alle Akteure einig. Wird weniger Fleisch konsumiert, wird auch weniger produziert, betont etwa Josiane Willems. Sie ist es Leid, dass die Landwirtschaft  als alleiniger Schuldiger angeprangert wird. Denn produziert würde, was die Verbraucher kaufen.

Für Marco Clees ist es zum Beispiel problematisch, dass die hiesigen Landwirte mit billigen Importen konkurrieren müssen. Dies sei ebenso schädlich für den Absatz der Landwirte wie für die Umwelt. Schließlich werden die Produkte nicht nur nach Luxemburg gefahren, geschifft oder geflogen, sondern sie stammen zudem oft aus Ländern, in denen weitaus lockerere Umweltnormen gelten als hierzulande.

Ein geringer Konsum von tierischen Produkten hat also unmittelbaren Einfluss auf die Konsequenzen für Klima und Umwelt. Doch es gibt Zwischenstufen. „Bereits wenn man sich regional und saisonal ernährt, kann man etwas für die Umwelt tun“, betont Jeanne Bormann. Dazu müssten die Verbraucher aber ihr Kaufverhalten hinterfragen. Rind aus lokaler Produktion statt Importfleisch aus Argentinien wäre also schon ein Anfang. Um seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, muss man nicht gleich zum Veganer werden.


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