Vor allem zu Beginn einer Schwangerschaft ist das Risiko einer Fehlgeburt hoch. Von Betroffenen wird angenommen, dass sie ihr Leben danach normal weiterführen. Dabei ist nicht nur die Fehlgeburt selbst, sondern auch die medizinische Prozedur für die wenigsten Frauen leicht zu verarbeiten. 

Anna* hatte wenigstens ein bisschen Glück im Unglück. Sie erleidet in der 12. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt und muss eine Ausschabung ihrer Gebärmutter machen lassen. Das Gewebe geht danach für eine Untersuchung ins Labor, doch den Fötus kann sie mit nach Hause nehmen und begraben. Eine Ausnahme bei frühen Fehlgeburten. „Ich habe den Arzt gefragt, ob es möglich wäre, ihn mir mitzugeben, und er war einverstanden“, sagt sie. Das habe ihr bei der Verarbeitung des Geschehenen geholfen.

Dass Anna den Fötus mitnehmen konnte, hat sie alleine ihrem zu behandelnden Arzt zu verdanken. Normalerweise gehen die Überreste nach einer Ausschabung ins Labor, bevor sie später weggeworfen werden. Zumindest bei einer frühen Fehlgeburt bis zur 14. oder spätestens 16. Woche.

Erleidet eine Frau ab diesem Zeitpunkt eine Fehl- beziehungsweise Totgeburt, müssen Wehen eingeleitet werden und sie ihr Kind durch eine normale Geburt zur Welt bringen. Ein schmerzlicher Prozess, der lange nachwirkt. Betroffene können dann psychologischen Beistand bekommen, wenn sie das denn wollen.

Auch die Entscheidung, was mit dem Embryo nach der Geburt passiert, liegt ab dann bei den Eltern. Sie haben die Möglichkeit, ihr Kind anzumelden, ihm einen Namen zu geben, es zu begraben – wenn sie das denn wollen. Entscheiden sie sich dagegen, bleiben die leiblichen Überreste im Krankenhaus.

Frau kann über Hilfe entscheiden

„Wir machen bei jedem Kind Fuß- und Handabdrücke“, sagt Psychologin Sylvie Langermann. Sie arbeitet im CHL und betreut betroffene Mütter. Wer will, kann die Abdrücke mit nach Hause nehmen. „Wir heben ansonsten alle auf. Manchmal melden sich die Betroffenen auch erst nach Wochen oder Monaten bei uns.“

Sylvie Langermann betreut Frauen, die ihr Kind zu einem späten Zeitpunkt während der Schwangerschaft verlieren und es tot zur Welt bringen müssen. „Spätestens einen Tag vor der Prozedur informieren wir sie, dass sie die Möglichkeit haben, ihr Kind anzumelden, ihm einen Namen zu geben und es zu bestatten“, sagt die Psychologin. Das sei im CHL so protokollarisch festgehalten, es sei aber auch wichtig für die Frauen, zu wissen, was mit ihnen und ihrem Kind passiert.

Nach der Totgeburt können die Frauen eine psychologische Betreuung beantragen, müssen dies aber nicht. „Wir haben auch Frauen, die das erst einmal mit sich selbst ausmachen wollen und sich dann erst später wieder bei uns melden“, so Sylvie Langermann. Sie könne die Betroffen dann auch jederzeit an externe Experten vermitteln. Unterstützung gibt es auch bei Organisationen wie „Omega 90“.

Ob und wie sie betreut werden will, liege aber alleine bei der Frau. Im Klinikum gibt es daneben Zeremonien, an denen die Betroffenen teilnehmen können. „Auch das kann beim Trauerprozess helfen“, so Sylvie Langermann. „Wir haben einmal im Jahr eine sogenannte Cérémonie des Etoiles, eine nicht-religiöse Zeremonie. Wir bieten aber auch Gesprächsgruppen, damit jeder die Möglichkeit bekommt, das Erlebte zu verarbeiten.“

Anspruch auf „Congé maternité“

Wer sein Kind ganz am Ende der Schwangerschaft verliert, behält auch seinen Anspruch auf Elternurlaub („Congé maternité“). Für Monique Fey von der „Initiative Liewensufank“ eine wichtige Option. „Nicht jeder versteht, warum Frauen, die ihr Kind verlieren und ja eigentlich keine Eltern mehr werden, trotzdem noch Elternurlaub zugesprochen bekommen“, sagt sie. „Doch es braucht Zeit, um die Geschehnisse zu verarbeiten.“ Man fühle sich vielleicht schon als Mutter und müsse den Traum von der eigenen Familie plötzlich wieder aufgeben. Es brauche Zeit, um damit umgehen zu können.

Es gebe Frauen, die sich trotzdem sofort wieder in die Arbeit stürzen, weil sie denken, dass Ablenkung gegen die Trauer hilft. „Dann merken sie aber oft nach ein paar Tagen und Wochen, wie viel Energie sie das eigentlich kostet und dass sie noch Zeit für sich brauchen“, so Fey.

*Name von der Redaktion geändert