Essenskuriere liegen europaweit im Trend. Wer abends nicht kochen will, kann sich von Online-Diensten beliefern lassen. Auch in Luxemburg gibt es bereits diverse Anbieter. Ihr Geschäftsmodell ist allerdings gleich in mehrerer Hinsicht fragwürdig.
„Kostenlose Lieferung“, „Keine versteckten Kosten“, so werben die Plattformen im Netz um potenzielle Kunden. Die Online-Lieferdienste sind dabei nicht nur auf hungrige Besteller angewiesen, sondern auch auf die Zusammenarbeit mit Restaurants. Und das macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Die Lieferdienste müssen den Erwartungen von mehreren Seiten gerecht werden und wollen damit auch noch Geld verdienen.
In Luxemburgs beschränktem Markt sind bereits mehrere Firmen vertreten: „Wedely“, „Foostix“, „MiamMiam“, „Livraison“, „Webfood“, „Grouplunch“, und „Takeaway“. Auf den ersten Blick scheinen die Online-Bestellplattformen ähnlich zu funktionieren. Bei näherem Hinschauen zeigt sich aber, dass es zwei ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle gibt:
Die reinen Bestelldienste: Sie übernehmen die gesamte Logistik der Bestellungen. Die Restaurants und ihre Fahrer werden mit Hilfe einer App angeleitet. Die Restaurants liefern selber aus. Beim zweiten Modell übernimmt die Plattform die Auslieferungen. Das Essen wird über die Plattform bestellt und die Fahrer des Lieferdienstes holen das Essen im Restaurant ab. Lediglich „Wedely“, „Foostix“ und „Grouplunch“ verfügen über eine eigene Fahrerflotte.
Neben den reinen Plattformen und den Online-Lieferdiensten gibt es noch das Modell der gruppierten Bestellungen. „Grouplunch“ liefern über die Mittagszeit und haben täglich nur einen möglichen Abholtermin pro Restaurant sowie eine Lieferzeit beim Endkunden.
Vermittlungsgebühren von bis zu 35 Prozent
Was sich praktisch und einfach für den Lieferdienst anhört, ist es nicht unbedingt für das Restaurant. Die ganzen Bestellungen (das können bis zu 50 pro Restaurant sein) müssen alle gleichzeitig fertig sein. Dass das für die Restaurantbetreiber und Mitarbeiter stressig zugehen kann, ist nachvollziehbar. „Wir brauchen eine Person zusätzlich, um diese Bestellungen zu bearbeiten“, sagen die Betreiber eines kleines Restaurants in der Hauptstadt.
Der betreffende Lieferdienst hat vor einiger Zeit die Vermittlungsgebühr von 25 auf 30 Prozent erhöht. Und obwohl die Essenskuriere mit großen Gewinnmöglichkeiten um die Zusammenarbeit mit den Restaurants werben, bleibt unter dem Strich für die Restaurants kaum bis kein Gewinn übrig.
Wir sind gegen externe Lieferdienste. Die Qualität leidet unter diesem System. Aus Zeit- und Kostengründen werden mehrere Lieferungen auf einmal ausgeliefert. Die dritte, vierte oder gar fünfte Bestellung kommt kalt beim Kunden an.“Michele Lovece, Gründer der Plattform „webfood.lu“
Die Kundschaft und die Einnahmen verdoppeln, so lauten die Versprechen von „Wedely“. Der Teil mit der Verdopplung der Kunden ist durchaus glaubwürdig, die andere Aussage ist allerdings zweifelhaft. Nicht nur das Restaurant will Gewinn machen, auch der Lieferdienst macht die Auslieferung nicht umsonst.
Keine zusätzlichen Kosten für die Restaurants bedeutet aber, dass die Lieferdienst-Unternehmen zwischen 20 und 35 Prozent Kommission verlangen für jede Bestellung, die sie ausliefern. Sie berechnen auch dem Endkunden Lieferkosten, demnach wo sich das ausgewählte Restaurant befindet. Wenn der Kunde in der benachbarten Straße wohnt, fallen keine zusätzlichen Lieferkosten an. „MiamMiam.lu“ und „Webfood“ werben damit, dass es den Endkunden nicht mehr kostet als bei dem Restaurant selber zu bestellen. Das liegt wohl daran, dass die Restaurants die Auslieferung selber machen.
Ein Geschäft, das sich nur schwer lohnt
Eine Mindestbestellmenge für den Kunden gibt es bei „Foostix“ nicht und die Restaurants behalten die Möglichkeit, die Auslieferungen selbst zu übernehmen. Bei „Wedely“ sind Bestellungen unter 15 Euro nicht zugelassen. Kurz nachgerechnet: Vier Bestellungen pro Stunde zu 15 Euro ergeben lediglich eine Gesamtsumme von 60 Euro. Auch bei 30 Prozent Kommission wird es schwer, so einen Brutto-Mindestlohn pro Stunde von knapp 13 Euro zu zahlen und neben anderen Kosten wie Benzin einen Gewinn zu erzielen.
Tom Wecker, Mitinhaber der Firma „Chill IT solutions“, Betreiber der Bestellplattform „livraison.lu“ und selber Restaurantinhaber, hat für sich den Lieferservice genau durchgerechnet: Erst ab einer Bestellung von 35 Euro würde sich das Geschäft für einen Lieferdienst lohnen, allerdings mit zusätzlichen Kosten von ungefähr drei Euro für den Kunden. Wenn die Lieferfirma in einer Stunde dann drei Bestellungen ausliefern würde, hätte sich die Mühe gelohnt.
Diese Firmen bauen ihr Geschäft auf die Arbeit von anderen Leuten auf. Welche Art von Betrieb hält das aus?“François Koepp, Direktor des Gastronomieverbandes Horesca
Der junge Unternehmer, der über die Plattform in die Gastronomie kam, verzichtet daher schon länger bewusst auf den Lieferdienst und betreibt nur eine Bestellplattform. Die Vermittlungsgebühr ist viel niedriger als die der Lieferdienste und sie erlaube es aber den Gastronomen, auf einen zusätzlichen Mitarbeiter zu verzichten. Üblich sind bei Online-Bestelldiensten Kommissionen zwischen fünf und zehn Prozent. Mit 80 angeführten Restaurants und 250-300 Bestellungen pro Tag, kann Tom Wecker gerade so von den Einnahmen leben, reich werde man damit nicht.
Mögliche Einbußen bei Qualität und Service
Michele Lovece hat zusammen mit zwei Partnern 2016 die Firma „Cimomedia“ gegründet. Sie verwaltet die Bestellplattform „Webfood.lu“. Lovece, Mitinhaber eines Restaurants, äußert sich kritisch zu den Lieferdiensten: „Wir sind gegen externe Lieferdienste. Die Qualität leidet unter diesem System. Aus Zeit- und Kostengründen werden mehrere Lieferungen auf einmal ausgeliefert. Die dritte, vierte oder gar fünfte Bestellung kommt kalt beim Kunden an.“
Einbußen bei der Qualität von Essen und Service würden immer auf die Restaurants selber zurückgeführt werden, so Lovece weiter. Trinkgeld hingegen bekommt der Fahrer, nicht das Küchenpersonal, egal in welchem Anstellungsverhältnis er sich befindet.
Eine weitere Einnahme zu der Grundkommission kann eine Art „Sponsoring“ sein. Wer mehr zahlt, kann ganz oben auf der Rankingliste der Restaurants angezeigt werden. Bei „Foostix“ spricht man von einem einmaligen Betrag, bei anderen Firmen scheint es wohl eher über eine erhöhte Provision zu laufen.
Neue Kunden, höhere Abhängigkeit
„Diese Firmen bauen ihr Geschäft auf die Arbeit von anderen Leuten auf“ sagt François Koepp. Der Direktor des Gastronomieverbandes Horesca verspürt gemischte Gefühle gegenüber Plattformen mit Lieferdiensten. „Welche Art von Betrieb hält das aus?“, fragt sich François Koepp im Hinblick auf hohe Kommissionen. Dennoch könnten mit den technischen Entwicklungen neue Angebote geschaffen werden.

Die Lieferdienste verändern die Gastronomielandschaft zusehends. Kritisch sieht der Horesca-Verantwortliche vor allem, dass die Kultur der Bewirtung und des Miteinanders verloren gehe. In der Gastronomie verdienen sich die Betriebe ihr Geld nicht nur über das Essen, sondern vor allem auch über hohe Margen bei den Getränken.
Entscheidet sich ein Restaurant dazu, die Lieferungen über einen externen Dienst vorzunehmen, gehen diese Einnahmen verloren und es fallen zusätzliche Kosten an. Andererseits können durch die Lieferungen neue Kunden gewonnen werden, die wahrscheinlich sonst den Weg in das betreffende Restaurant nicht gefunden hätten.
Nicht für alle Restaurants eine Option
Restaurantbetriebe sind auf neue Kunden angewiesen. „Niemand kann allein von der Stammkundschaft leben“, so die Betreiberin eines Restaurants in Luxemburg-Stadt. Anfangs war „Grouplunch“ für die Gastronomin eine Möglichkeit, ihren Betrieb bekannter zu machen. Die Kunden wünschten zudem die Möglichkeit des Lieferservice. Das System ist sehr benutzerfreundlich sowohl für die Kunden als auch für die Restaurants.
François Koepp sieht auch die Chance des zusätzlichen Verkaufs. Die Nachfrage nehme zu und die Gastronomie müsse sich anpassen. Kleine Betriebe ohne große Räumlichkeiten können die Auslieferungen zudem als Erweiterung ihres Marktes nutzen.
Eine eigene Logistik profitabel aufzustellen, ist fast nicht möglich.“Jörg Gerbig, Gründer von „Lieferando“
„Wir machen es vor allem, weil es ein Bedürfnis unserer Kunden ist“, sagt die Inhaberin des Restaurants. Ob der eigene Betrieb dadurch die Einnahmen deutlich steigern könne, konnte oder wollte sie nicht beantworten. Es gebe natürlich auch viele Restaurants, die auf Lieferungen verzichten, sei es weil ihr Preissegment nicht in das Konzept passt oder weil die Nachfrage zu gering ist. „Einige Restaurants kommen zu uns, wenn es bereits sehr schlecht läuft“, sagt Tom Wecker von „livraison.lu“. Aber eine Bestellplattform kann ein Restaurant nicht retten.
Arbeitsrechtliche Grauzonen
Hinzu kommt: Die Arbeitsbedingungen für Essenskuriere sind nicht die besten. Der Zeitdruck, der durch das durchgetaktete Bestellsystem aufkommt, gestaltet das Arbeitsklima schwierig. Dabei ist die Lage in Luxemburg längst nicht so prekär wie im Ausland: Die Fahrer der internationalen Lieferdienste sind meist Scheinselbstständige, die sich selbst versichern und für ihr Moped oder Fahrrad selbst aufkommen müssen.
In Luxemburg müssen die Lieferdienste ihre Fahrer offiziell mit einem Arbeitsvertrag anmelden. Ob dies in der Praxis aber immer so gehandhabt wird, ist fragwürdig. Wer sich in der Branche umhört, stößt immer wieder auf Aussagen, wonach man auch in Luxemburg auf Freelance-Fahrer und Schwarzarbeiter zurückgreife. Romain Daubenfeld vom OGBL weist auf eine „Grauzone“ hin, die in diesem Bereich bestehe. Die Gewerkschaft hat vor, sich in Zukunft näher mit dem Geschäftsfeld zu beschäftigen.
Das Problem der reinen Lieferdienste
Fest steht, dass die Lieferdienste mit sehr hohen Personalkosten konfrontiert sind. Die Gewinnmarge ist durch diese natürlich sehr gering. Selbst der Gründer des international erfolgreichen Unternehmens „Takeaway.com“, Jitse Groen, spricht in einem Interview mit dem „Manager Magazin“ von einem sehr schlechten Geschäftsmodell. Eine Plattform, die selbst ausliefert, sei auf Dauer „unmöglich profitabel zu betreiben“.
Der Gründer von „Lieferando“ sagte ähnliches: „Eine eigene Logistik profitabel aufzustellen, ist fast nicht möglich“, so Jörg Gerbig beim Branchenmedium „Food Service“. Denn Gewinne gibt es in dieser Branche kaum, zumindest für die Lieferdienste. „Takeaway“ ist momentan das einzige internationale Unternehmen, das auch in Luxemburg tätig ist.
„Grouplunch“ hat mit ihrem Konzept die meisten Chancen profitabel zu werden, sie erwarteten auch bereits 2017, für 2018 einen Gewinn. Im Unterschied zu den anderen Unternehmen können sie die Fahrten gut planen. Es gibt jeweils nur ein „Pick-Up“ und ein Drop-off“ Termin, Fahrer können also optimal eingesetzt werden und können so viele Bestellungen auf einmal ausbringen.
International geht es vor allem um Marktanteile. „Takeaway“ hat sich Ende 2018 in den deutschen Markt eingekauft und ist nun mehr neben „Deliveroo“ in Deutschland Marktführer. Die internationale Strategie, an einen größeren Konkurrenten zu verkaufen, dürfte auch das langfristige Ziel mancher luxemburgischer Anbieter sein.
Jedenfalls können die Lieferdienste bis heute keine Gewinne erzielen. Die Firma „Innovie“ („Foostix“) hatte im Jahr 2016 größere Verluste von fast 100.000 Euro zu verzeichnen (die Bilanzen von 2017 und 2018 wurden noch nicht eingereicht). Die Firma gibt es seit Ende 2011. Aus vorherigen Jahren hatten sich über eine halbe Million an Verlusten angesammelt. Die Firma „H.T. Layer Europe“ („Wedely“), 2014 gegründet, konnte 2017 den Verlust auf 30.000 Euro eindämmen. Die angesammelten Verluste liegen bei fast 300 000 Euro.