Luxemburg hat am ersten Strafgesetzbuch für Laos mitgearbeitet. Der Text gilt offiziell seit 2017 und wurde offiziell von Paulette Lenert an den laotischen Justizminister überreicht. Allerdings gibt es nicht nur Unklarheiten im Text, sondern auch gewöhnungsbedürftige Details.
Ein Land ohne festen Regeln, ohne Gesetze, ohne Rechte? In Laos galten die Regeln, die vom Regime festgelegt worden waren. Bis Ende 2017 gab es dort kein Strafgesetzbuch. Am ersten „Code Pénal“ des Landes hat Luxemburg nicht nur mitgearbeitet, der Text wurde dem Laotischen Justizminister auch Mitte September offiziell von Entwicklungsministerin Paulette Lenert (LSAP) überreicht.
Kritik an einem Text, der alles andere als modern erscheint, gab es bei der Zeremonie in Laos so gut wie keine. Luxemburg konnte schlecht kritisieren, weil es selbst daran mitgearbeitet hat. Der einzige, der sich dazu äußerte, war EU-Kommissar Neven Mimica. Er hat darauf hingewiesen, dass Laos darauf bestanden hatte, die Todesstrafe im Text mit aufzunehmen, obwohl die EU strikt dagegen war.
Dennoch wurde das Gesetzbuch als großer Schritt für das kleine südostasiatische Land gefeiert. Schon bis 2020 will es die neuen festgeschriebenen Gesetze befolgen und zu einem „Rechtsstaat“ werden. Doch bis dahin müssen dann auch alle Staatsbedienstete, Polizisten, Anwälte, Richter die Gesetzestexte auch beherrschen. Und das ist gar nicht so einfach. „Wir arbeiten sehr viel mit Foto-Stories und Youtube-Videos, um die Gesetze anschaulich zu erklären“, so Richard Philippart vom Luxemburger „Institut for Legal Support and Technical Assistance“ (ILSTA), im Gespräch mit REPORTER.
Wer Fragen stellt, ist dumm
Auch er hat an der Ausarbeitung des Textes mitgearbeitet und feiert ihn ebenso wie Entwicklungsministerin Paulette Lenert. Menschen aber an eine komplett neue Gesetzgebung heranzuführen – und das auch noch in einem autoritären Staat – ist alles andere als einfach. Unter einem strengen Regime sind normalerweise keine Fragen erlaubt. Die Bedienstete, die die Texte jetzt lernen, sollen aber Fragen stellen, sollen verstehen, sollen auch hinterfragen. „In Laos heißt es aber, dass man dumm ist, wenn man Fragen stellt“, so Richard Philippart.
Also arbeitet ILSTA nicht nur mit vielen Videos, sondern auch mit Wissensquizen, um die Beamten abzufragen und zu testen. Das wiederum funktioniere sehr gut, so der Experte. Alles, was spielerisch sei und bei dem es etwas zu gewinnen gebe, würde bei den Menschen gut ankommen.
„Wir bei der Springprozession“
Doch nicht nur ist es schwierig, die Menschen so auszubilden, damit sie den Text auch richtig anwenden können. Auch der Text selbst wirft aus europäischer Sicht viele Fragen auf. Ein kritischer Punkt ist die Todesstrafe, die im Strafgesetzbuch aufgeführt wird. Sie wird unter dem Punkt „Categories of Punishment“ erwähnt. Und obwohl sie seit Ende der 1980er Jahre offiziell nicht mehr angewendet wird, hat sich die laotische Regierung dieses Hintertürchen offen gelassen und sie in den Text eingebaut.
Paulette Lenert sagt, auch Nachbarländer wie China oder Thailand hätten die Todesstrafe noch in ihren Gesetzestexten stehen. Warum sollte Laos dann darauf verzichten? Vor allem dann, wenn die Strafe nicht mehr angewandt wird? Doch könnte man ebenso fragen, warum Laos daran festhält, wenn die Strafe sowieso nicht mehr praktiziert wird – und sich das Land ausdrücklich modernisieren möchte.
„In Laos ist es so ähnlich wie bei der Echternacher Springprozession“, sagt Richard Philippart. Also: Zwei Schritte nach vorne, mindestens einer zurück. Der Text sei eine große Errungenschaft für das Land, das bedeute aber nicht, dass sich alles von heute auf morgen umsetzen lasse. Und nicht nur das. Der Text ist teilweise unpräzise, wirft viele Fragen auf und scheint doch dem bestehenden Regime in die Hände zu spielen.
Auf „Schaden“ folgt Bestrafung
Das zeigen auch einzelne Punkte des Strafgesetzbuches:
Jeder Bürger, der „Unruhe“ stiftet („activities causing civil unrest“) und das Regime schwächen oder stürzen will, muss für zehn bis 20 Jahre ins Gefängnis und eine hohe Geldstrafe zahlen. Was aber unter Unruhe zu verstehen ist oder wie sie definiert wird, steht nirgendwo geschrieben. Fest steht nur: Die Regierung hat sich ihre Macht festschreiben lassen. Regierungsgegner werden auch weiterhin kurzerhand bestraft oder weggesperrt. Der Allmacht des Ein-Parteien-Staats steht demnach auch weiterhin nichts im Wege.
Auch jede Person, die über Online-Medien „Schaden“ anrichtet, wird laut Gesetz bestraft. Mit drei Monaten bis drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe. Was jedoch mit „Schaden“ gemeint ist, geht wiederum nicht aus dem Text hervor. Ob dieser „Schaden“ nur das Regime oder auch Privatpersonen betrifft, steht auch nicht dort geschrieben. Gewusst ist aber, dass Menschen vom Regime in die Enge getrieben werden und gedroht bekommen, wenn sie Regime-kritische Seiten besuchen oder kritische Posts auf Social Media liken. Die Regierung kontrolliert genau, wer ihr wie „Schaden“ anrichten kann.
Auch jeder, der Mord als „regulären Beruf“ (beispielsweise als Auftragsmörder oder als Teil einer Gruppe) ausübt, wird mit 15 bis 20 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 10.000.000 bis 100.000.000 Kip bestraft. Mord steht also in etwa auf einer Ebene wie Regimekritik. Außerdem kann die Person unter Hausarrest gestellt werden, lebenslang im Gefängnis enden oder exekutiert werden. Die Option besteht demnach immer noch – und für konkrete Fälle. Die Frage ist nur, wann und ob die Regierung die Todesstrafe tatsächlich noch einmal durchführen wird. Ausgeschlossen ist das nicht. Denn laut Gesetz, ist es ja erlaubt.