Nach drei Monaten „Etat de crise“ ist zumindest die Abgeordnetenkammer wieder in einem Normalzustand angekommen. Auch wenn damit die Zeit der nahezu ungezügelten Macht der Exekutive vorbei ist, wird es noch dauern, bis das Parlament zur üblichen Tagesordnung übergeht.

Seit Mittwoch gehört der verfassungsmäßige Ausnahmezustand der Vergangenheit an. Am 18. März hatte Premierminister Xavier Bettel im Parlament wegen der fortschreitenden Coronavirus-Pandemie den „Etat de crise“ ausgerufen. Dieser Schritt gemäß Artikel 32(4) der luxemburgischen Verfassung wurde von den Abgeordneten später bestätigt – am 24. März wurde der Ausnahmezustand um die maximale Dauer von drei Monaten verlängert. Diese Frist ist nun, am 24. Juni, abgelaufen.

Damit endet die außergewöhnliche Phase, in jener das Parlament der Regierung die volle Macht zur Verabschiedung von Verordnungen mit Gesetzescharakter übertragen hatte. Ab sofort muss die Exekutive zur Eindämmung und gesetzlichen Begleitung der Pandemie wieder den regulären Weg beschreiten. Für die Abgeordnetenkammer bedeutet das wohl, dass die sonst übliche Sommerpause komplett entfällt oder zumindest deutlich kürzer ausfällt.

Parlamentarischer Betrieb funktionierte weiter

Dabei lässt sich nicht behaupten, dass die Parlamentarier seit März wenig zu tun gehabt hätten. Auch wenn die Regierung per Notverordnungen regieren konnte, war man dennoch auf das Parlament angewiesen. Denn alle seit dem 18. März verabschiedeten Verordnungen verloren mit dem Ablauf des „Etat de crise“ automatisch ihre Gültigkeit. Viele Initiativen der vergangenen Wochen – etwa die Hilfen und Kreditprogramme für Unternehmen – sollten notwendigerweise länger gültig bleiben als der Ausnahmezustand. In diesen Fällen musste das Parlament auch in den vergangenen drei Monaten gesetzgeberisch normal funktionieren.

Diese anhaltende Aktivität lässt sich etwa in den Zahlen ablesen. Das Parlament verabschiedete rund 60 Gesetze, traf sich 21 Mal zu Plenarsitzungen, die seit Mitte April nicht mehr am Krautmarkt, sondern im „Cercle Municipal“ an der Place d’Armes stattfanden. Der Umzug des Parlaments verdeutlichte wohl am symbolischsten, dass Luxemburgs Politik sich tatsächlich in einem Ausnahmezustand befand. Hinzu kamen knapp 190 Ausschusssitzungen, die allerdings zum großen Teil per Videokonferenz abgehalten wurden.

Kein zweiter Ausnahmezustand möglich … oder?

Auch nach dem Ende des „Etat de crise“ wird die Coronavirus-Pandemie das Parlament weiter beschäftigen. Neben der unmittelbaren Eindämmung der sanitären Krise durch die sogenannten Covid-19-Gesetze, deren Inhalt stetig erneuert werden muss, dürften auch zunehmend die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie in den Mittelpunkt der parlamentarischen Aufmerksamkeit rücken. Eine zusätzliche Herausforderung dürften die in den vergangenen Tagen wieder ansteigenden Covid-19-Fälle im Land und damit die Möglichkeit einer „zweiten Infektionswelle“ ausmachen.

Eins steht allerdings fest: Einen zweiten Ausnahmezustand wird es nicht geben. Zumindest nicht wegen der Coronavirus-Pandemie. Eine simple Verlängerung des „Etat de crise“ sei laut der Verfassung nicht erlaubt, sagten im März die Verfassungsexperten Luc Heuschling und Alex Bodry. Um bei einer Verschärfung der sanitären Lage wieder per Notverordnungen zu regieren, müsste die Regierung sich schon eine neue Krisenlage einfallen lassen, um diese Beschränkung aus dem Grundgesetz zu umgehen. Ob aber eine Finanz- oder Wirtschaftskrise schon die Definition eines verfassungsmäßigen Ausnahmezustands erfüllt, ist nicht ausgemacht.