Luxemburg setzt vermehrt auf Solaranlagen. Doch der Vergleich mit der Region Trier zeigt, wie Widerstände und verpasste Chancen die Fotovoltaik hierzulande ausbremsen.

Es ist still auf den knapp 25 Hektar im Grünen, 20 Kilometer außerhalb von Trier. Trotzdem wird hier in jenem Moment Energie für umgerechnet zehntausend Glühbirnen mit jeweils 100 Watt erzeugt. Selbst an diesem nicht besonders sonnigen Vormittag im März erzeugt das Solarkraftwerk der Stadtwerke Trier (SWT) knapp ein Megawatt Strom.

In 648 langen Reihen aufgebaut, folgen die 112.000 Solarmodule den sanften Wellen des Geländes direkt am Industriepark der Region Trier bei Föhren. Schafe weiden das ganze Jahr über auf dem satten Grün zwischen den Gestellen der Solarpanels.

„Die Anlage ist wie ein Baum aufgebaut, vom Feinen bis zum Groben“, erklärt Thomas Weinberger, Projektmanager Erneuerbare Energie bei den Stadtwerken. Mehrere Stränge an Solarmodule hängen an einem Generatoranschlusskasten, der wiederum zu einem der insgesamt 28 Wechselrichter führt. Diese wandeln den erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um. So fließt der Strom dann über eine Übergabestation ins allgemeine Netz.

In einem Jahr produziert das Solarkraftwerk neun Gigawattstunden Strom. Das entspricht dem Bedarf von 2.300 Haushalten in Luxemburg. Es ist die größte und leistungsstärkste der insgesamt 13 großen Solaranlagen der SWT. Das 2007 geplante Kraftwerk wurde Anfang 2009 in Betrieb genommen und hat eine maximale Leistung von 8,4 Megawatt.

Ein Test für den Fotovoltaikmarkt

Nun, ein Jahrzehnt später, läuft in Luxemburg aktuell die erste Ausschreibung des Wirtschaftsministeriums für Solarkraftwerke mit einer Leistung zwischen 0,5 und 5 Megawatt. Bis vor kurzem gab es hierzulande lediglich deutlich kleinere Anlagen von maximal 30 Kilowatt Leistung. Und sie durften nur auf Dächern stehen – sei es von Privathäusern oder Hallen. Nun sollen auch Anlagen auf freien Flächen möglich werden – etwa entlang von Industriegebäuden. Auch die Solarkraftwerke der SWT sind größtenteils sogenannte Freiflächenanlagen.

Bis Ende August können Privatpersonen, Genossenschaften oder Unternehmen Projekte für große Solaranlagen einreichen, erklärte Wirtschaftsminister Etienne Schneider Anfang März. Die Teilnehmer müssen angeben, wie viel Euro pro Megawattstunde sie erhalten wollen. Die Bieter, die die geringste Vergütung verlangen, erhalten den Zuschlag. Ausschreibungen nach diesem Prinzip werden in Deutschland seit 2015 regelmäßig für große Solar- und Windkraftanlagen durchgeführt.

Wir wollen verhindern, dass die Anlagen auf grüne Wiesen oder Felder gebaut werden und dann dort die Landwirtschaft verhindern.“Etienne Schneider

Es wird nicht nur ein Projekt den Zuschlag erhalten. Die erste Ausschreibung ist allerdings auf insgesamt 20 Megawatt beschränkt. Würden die Angebote diese Grenze deutlich überschreiten, dann sei nicht ausgeschlossen, dass es eine zweite Runde geben wird, erklärt Wirtschaftsminister Schneider. Zum Vergleich: 20 Megawatt entsprechen einem Sechstel der Leistung der in Luxemburg bestehenden 6.500 Solaranlagen.

„Es ist ein Test für den Markt“, sagt Anouk Hilger, die bei Enovos die Abteilung für erneuerbare Energie in Luxemburg leitet, über die Luxemburger Ausschreibung. Der größte Energieanbieter des Landes ist auf jeden Fall interessiert daran teilzunehmen. Man könne sich vorstellen als Partner von Industriebetrieben zu agieren, die zwar Dachflächen aber nicht unbedingt das Know-how für eine größere Solaranlage hätten, so Hilger weiter. Es müsse sich zeigen, ob auch größere Unternehmen aus der EU mitbieten würden, so die zuständigen Beamten des Wirtschaftsministeriums.

Der gemeinsame Kampf von Umweltschützern und Bauern

Die Solarmodule dürfen aber nicht überall aufgestellt werden. Die Regierung beschränkt die möglichen Orte auf Dächer, Carports und Industriegelände. „Wir wollen verhindern, dass die Anlagen auf grüne Wiesen oder Felder gebaut werden und dann dort die Landwirtschaft verhindern“, erklärte Schneider anlässlich der Vorstellung des Projekts. Er erwähnte auch frühere Industriegebiete oder nicht mehr genutzte Deponien.

Das Solarkraftwerk in Föhren wäre heute auch in Deutschland nicht mehr möglich. 2007 durften Betreiber noch Ackerland in Deutschland zur Erzeugung von erneuerbarer Energie nutzen, erklärt Thomas Weinberger. Heute sind Anlagen in den meisten Bundesländern auf sogenannte Konversionsflächen begrenzt. „Das umfasst alte Deponien, frühere Militärgelände und nicht genutzte Flächen in Industriegebieten“, so Weinberger weiter.

Mit der Einschränkung in der Ausschreibung ging der Wirtschaftsminister auf die gemeinsame Kritik von Bauern und Mouvement écologique ein. Man sei gegen hektarweise Solarpanels, sagte Pol Gantenbein von der Landwirtschaftskammer anlässlich einer Anhörung zum Rifkinprozess vergangenen Oktober. Die Bauern befürchteten eine weitere Verknappung der landwirtschaftlichen Fläche – eine Ressource, die durch den Wohnungsbau bereits unter Druck steht.

Freiflächenanlagen haben keine bleibende Auswirkung auf die Natur.“Anouk Hilger, Enovos

Große Solaranlagen im Grünen würden „eine weitere Zerschneidung und Urbanisierung der in Luxemburg bereits stark zersiedelten Landschaft darstellen und hätten einen negativen Einfluss auf die ebenfalls bereits stark abnehmende Biodiversität“, schrieb der Mouvement écologique Mitte Dezember in einem offenen Brief an Umweltministerin Carole Dieschbourg und Wirtschaftsminister Etienne Schneider. Die Konkurrenz mit der Landwirtschaft führte auch der Mouvement auf.

Achtmal die Fläche des Flughafens

Der Flächenverbrauch ist Ansichtssache. „Achtmal die Fläche des Flughafens Findel würde reichen, um mit Solarmodulen den gesamten Strombedarf Luxemburgs zu decken“, erklärte Professorin Susanne Siebentritt dem „Luxemburger Wort“. Das wären knapp 30 Quadratkilometer. Sie erforscht die Fotovoltaik an der Universität Luxemburg.

Dazu kommt, dass sich die Technik rapide verbessert hat. Jedes der 112.000 Module im Solarpark Föhren hat eine Leistung von ungefähr 75 Watt. „Bei gleicher Fläche bringt ein heutiges Modul etwa 120 Watt“, sagt Thomas Weinberger. Das allein führt dazu, dass ein Kraftwerk heute ein Drittel weniger Fläche braucht, um die gleiche Menge an Strom zu produzieren. „Neue Anlagen stapeln zudem zwei oder drei Module übereinander“, so Weinberger.

„Freiflächenanlagen haben keine bleibende Auswirkung auf die Natur“, betont Anouk Hilger. Die Rahmen für die Solarmodule stecken im Boden und sind nicht in Beton verankert, erklärt sie.

Landwirtschaft und Stromerzeugung schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Schafherde im Solarpark Föhren ist ein Beispiel. Doch ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in Freiburg und der Universität Hohenheim zeigt, dass es noch radikaler geht. Die Forscher haben Solarmodule auf hohen Stelzen befestigt, unter denen selbst landwirtschaftliche Maschinen durchpassen.

Das Getreide wird unter der Solaranlage geerntet. (Foto: Hofgemeinschaft Heggelbach)

Kleegras, Weizen, Kartoffeln und Sellerie säten die Forscher unter der Anlage. Die Ernte war zwar kleiner als auf einem Feld ohne „zweite Etage“, aber die Unterschiede hielten sich in Grenzen: Bei Kleegras fiel der Ertrag fünf Prozent geringer aus, bei Kartoffeln und Weizen war es knapp ein Fünftel weniger. Bis zur Marktreife seien jedoch weitere Forschungsprojekte nötig.

Massiver Ausbau auf staatlichen Dächern

Mitte November schloss Nachhaltigkeits- und Infrastrukturminister François Bausch bereits den Bau von großflächigen Solaranlagen aus. Das Potenzial der Dächer von öffentlichen Gebäuden sei riesig, deshalb sei es nicht nötig in die Fläche zu gehen, meinte Bausch anlässlich der Rifkin-Orientierungsdebatte im Parlament.

Für sämtliche staatlichen Gebäude prüft die Verwaltung, ob auf deren Dächern Fotovoltaikanlagen installiert werden können, sagte Schneider im März. In den nächsten Monaten sei „ein massiver Ausbau“ geplant. Der Staat müsse sich dafür auch nicht selbst Subventionen zahlen, sondern könne dies in Eigenregie machen.

Der relative Preis des Solarstroms

Diese politische Entscheidung gegen Freiflächenanlagen hat ihren Preis. Bei der neuesten deutschen Ausschreibung hielten Angebote den Zuschlag, die im Schnitt 43 Euro pro Megawattstunde (4,33 Cent pro Kilowattstunde) verlangten. Die Luxemburger Ausschreibung sieht dagegen vor, dass die Gebote der Teilnehmer je nach Anlagentyp 90 bis 135 Euro pro Megawattstunde nicht überschreiten dürfen. Das ist also das Doppelte der deutschen Preise.

Diese sehr niedrigen Preise sind in Deutschland aber auch nur mit sehr großen Anlagen von über zehn Megawatt möglich, sagt Thomas Weinberger. Dafür brauche man auch die nötige Fläche. „Da sehen wir im Moment keine Chance eine Anlage wirtschaftlich an den Start zu bekommen“, erklärt der Projektentwickler der SWT. Für eine mittlere Anlage bis 0,75 Megawatt gilt die Ausschreibungspflicht in Deutschland nicht. In diesem Fall liegt die Vergütung aktuell bei maximal 88 Euro pro Megawattstunde. „Das ist auskömmlich“, so Weinberger

Die vom Wirtschaftsministerium vorgesehenen maximalen Tarife hält auch Anouk Hilger für realistisch. „Das sind Bedingungen, wie sie auch in den Nachbarländern gängig sind“, erklärt sie. Allerdings betont sie, dass der Staat in Deutschland und Frankreich die Einspeisevergütung während 20 Jahren zahlt, die aktuelle Luxemburger Ausschreibung allerdings nur 15 Jahre vorsieht.

Langsam wachsen die Solarfelder

„Kucke mer mol“, könnte man das Motto der Strategie hinter der Ausschreibung beschreiben. Das Ziel von 20 Megawatt scheint bescheiden im Vergleich zu Trier. Allein die SWT planen aktuell fünf größere Anlagen, die zusammen eine Leistung von zehn Megawatt haben werden, so Thomas Weinberger. Die bestehenden Solarkraftwerke der SWT bringen es auf insgesamt 44 Megawatt.

Wir können das nicht machen, das kostet uns ein Vermögen.“Etienne Schneider

In Luxemburg wuchs die Fotovoltaik in den letzten Jahren kaum. Zwischen 2015 und 2016 gab es nur einen Zuwachs von fünf Megawatt. Dagegen hält die im Auftrag der Regierung erstellte LuxRes-Studie einen Leistungszuwachs der Fotovoltaik von 30 Megawatt pro Jahr für möglich.

Enovos macht im Ausland, was in Luxemburg bisher nicht möglich war. Im Saarland und in der Region Trier sammelte der Energieanbieter Erfahrungen mit großen Freiflächenanlagen, die mit Partnern wie Gemeinden oder Bürgergenossenschaften betrieben werden. „Es sind Standorte mit einer Leistung von bis zu zehn Megawatt“, erklärt Anouk Hilger.

Der Faktor Strompreis

Dass Luxemburg erst jetzt in die Sonnenenergie einsteigt, beschreibt Etienne Schneider als Strategie. „Wir sagten in den Anfangsjahren der Fotovoltaik, wir können das nicht machen, das kostet uns ein Vermögen“, so Schneider. Deutschland habe dagegen sehr früh auf Solaranlagen gesetzt. „Entsprechend hoch sind in Deutschland heute die Strompreise für die Haushalte im Vergleich zu Luxemburg“, kritisiert der Minister.

Tatsächlich zahlten die deutschen Haushalte im ersten Halbjahr 2017 im Schnitt 30 Cent pro Kilowattstunde, die Luxemburger dagegen mit 16 Cent knapp die Hälfte. Der Grund: Auf beiden Seiten der Mosel werden die Kosten der Subventionierung erneuerbarer Energien über ein Umlageverfahren den Endverbrauchern aufgehalst. 2016 wurde der Solarstrom in Luxemburg mit über 25 Millionen Euro bezuschusst.

Allerdings stehen in Deutschland pro Einwohner etwa vier Solarmodule pro Kopf, in Luxemburg nicht mal zwei – in Zahlen: 503 gegenüber 212 Watt. Hierzulande braucht der Solarboom also noch etwas Zeit. Die erste Ausschreibung läuft bis Ende August. Im September oder Oktober wählt das Wirtschaftsministerium die erfolgreichen Bieter aus. Läuft alles nach Plan, dann sollen zwischen April und Oktober 2020 die neuen Anlagen gebaut werden.