Wer in Luxemburg Hebamme werden will, macht eine dreijährige Ausbildung am Lycée Technique des Professions de Santé. Damit hält sich Luxemburg an die Vorgaben der EU. Hebammen wünschen sich dennoch eine Aufwertung ihrer Ausbildung – und ihres Berufs im Allgemeinen.
Wie fühlt sich eine Geburt an? Wie schlimm, schmerzhaft oder aufregend wird sie werden? Keine Frau kann so richtig beschreiben, wie es sich anfühlt, ein Kind zur Welt zu bringen. Wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil jede Geburt anders verläuft und einzigartig ist. Die meisten Frauen haben trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – Angst oder zumindest Respekt davor.
Dabei sind Angst und Stress nicht nur schlecht für die Mutter, sondern auch für das Ungeborene. Während sich Ärzte vor allem um das gesundheitliche Wohl von Mutter und Kind kümmern, leisten Hebammen den Frauen Beistand, bereiten sie auf die Geburt vor, geben ihnen Tipps und helfen bei der Geburtsvorbereitung.
Deutschland führt Hebammen-Bachelor ein
Eine anspruchsvolle Aufgabe, die gelernt sein will. In Deutschland soll Geburtshilfe deshalb ein akademischer Beruf werden und dadurch mehr Anerkennung bekommen. Das hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Oktober angekündigt. Am Ende des Studiums winkt den Absolventen dann ein Bachelor-Diplom.
Dass Spahn diese Maßnahme ergreift, kommt aber nicht von ungefähr. Er setzt damit eine EU-Richtlinie um, nach der die Ausbildung für dieses Berufsfeld bis 2020 reformiert werden muss. Vorgegeben von der EU sind zwölf Jahre Schulbildung mit dem Abschluss mindestens eines Fachabiturs und die Vermittlung von genauen wissenschaftlichen Inhalten aus dem Bereich der Geburtshilfe.
Anders als Deutschland erfüllt Luxemburg die vorgeschriebenen Kriterien bereits seit Längerem. Wer hierzulande Hebamme werden will, braucht einen Schulabschluss und absolviert dann eine dreijährige Ausbildung am Lycée Technique pour Professions de Santé (LTPS).
Ein Bachelorstudiengang erübrigt sich demnach. Und dennoch könnte bei der Ausbildung nachgebessert werden. Das wünschen sich zumindest die Hebammen.
Mehr Zeit für die Berufsausbildung
Die Zahl der auszubildenden Hebammen ist pro Jahrgang auf 18 begrenzt. Aber nur etwa ein Drittel schließt die drei Jahre am LTPS auch tatsächlich ab. „Die Ausbildung an sich ist gut, aber auch extrem intensiv“, sagt Nicole Weber von der „Association Luxembourgeoise des Sages-Femmes“ (Alsf).
„Es fehlt uns an Zeit, um das Programm so auszubauen, dass es auch richtig von den Studenten gelernt und aufgenommen werden kann“, sagt Weber. In dem Beruf müsse man seine Frau oder seinen Mann stehen, das lasse sich nicht im Schnellverfahren lernen. Außerdem trage ein Geburtshelfer viel Verantwortung und arbeite zum größten Teil autonom, da sei eine gute Ausbildung für die spätere Laufbahn ausschlaggebend.
Uns geht es nicht etwa ums Geld. Wir wollen, dass die Auszubildenden den Beruf richtig lernen und, dass wir ihn richtig ausüben können.“Nicole Weber, Alsf
Das Programm „Sage-femme“ besteht aus etwa einem Drittel Theorie und zwei Drittel Praxis. Am Ende müssen die Studenten Prüfungen absolvieren und eine Abschlussarbeit schreiben. Danach erhält der Auszubildende ein BTS-Diplom (brevet de technicien supérieur). Der Aufwand für Schüler und Lehrpersonal ist demnach groß, das Programm kompakt, die Zeit knapp.
„Wir wünschen uns, dass die Ausbildung auf vier Jahre ausgedehnt wird“, so Nicole Weber. Das sei vor ein paar Jahren auch bereits Thema gewesen. „Es gab damals aber keinen politischen Willen, um es auch umzusetzen. Die Angst war zu groß, dass es sich nicht lohnt und zu teuer wird.“
Bachelor-Studiengänge bereits im Ausland
Wäre ein Bachelor-Studiengang dann vielleicht doch eine Alternative? „Das würde der jetzigen Ausbildung auf jeden Fall gerecht werden und es würde den Beruf attraktiver machen. Im Ausland werden Bachelor-Programme bereits angeboten. Wer will, hat mit einem solchen Abschluss die Möglichkeit, weiter zu studieren. Mit unserem BTS-Diplom kann der Auszubildende das nicht. Danach noch ein Studium zu beginnen, ist schwierig“, so Nicole Weber.
Momentan sei ein Studiengang für Hebammen in Luxemburg aber kein Thema, so Weber weiter. Auf Nachfrage von REPORTER heißt es auch von der Universität Luxemburg, dass ein solches Studium nicht in Planung ist.
Die Patientin kann natürlich Zusatztermine buchen, muss dafür dann aber selbst zahlen.“Nicole Weber
Dabei sind Studiengänge für Geburtshelfer in anderen Ländern keine Seltenheit. In Belgien beträgt eine Bachelor-Ausbildung vier, in Frankreich sogar fünf Jahre. In manchen europäischen Staaten werden auch Hebammen-Masterstudiengänge angeboten. Mit einem entsprechenden Abschluss steigt natürlich auch die Attraktivität eines Berufes. Das weiß auch die Alsf.
Ihr geht es aber nicht unbedingt um einen Titel oder finanzielle Anreize, sondern um eine Aufwertung der Ausbildung und des Berufsfeldes. „Unser Beruf – aber auch die Gesundheitsberufe allgemein – bekommen in Luxemburg nicht die nötige Anerkennung. Uns geht es dabei aber nicht etwa ums Geld“, so Weber. „Wir wollen, dass die Auszubildenden den Beruf richtig lernen und, dass wir ihn richtig ausüben können.“
Die Gespräche mit dem Gesundheitsministerium über eine mögliche Ausdehnung würden laufen und darüber sei man auch froh. Dennoch bestehe in der Politik die Angst, dass mit einer Aufwertung des Berufs auch Lohnforderungen aufkommen, meint Weber. Vom Gesundheitsministerium aus heißt es allerdings, dass eine Änderung der Ausbildung vorerst nicht vorgesehen ist.
Schwieriger Stand in Luxemburg
Wer die Ausbildung erst einmal hinter sich gebracht hat, muss im Berufsleben um Anerkennung kämpfen. Dabei ist eigentlich klar definiert, was die Aufgaben einer Hebamme sind. Laut der International Confederation of Midwives (ICM) betreut und unterstützt er oder sie die Frau und ihr Kind während der Schwangerschaft, während und nach der Geburt sowie im Säuglingsalter. „Die Arbeit der Hebamme umfasst präventive Maßnahmen, die Förderung einer normalen Geburt, das Erkennen von Komplikationen bei Mutter und Kind, die Gewährleistung notwendiger medizinischer Behandlung oder anderer angemessener Unterstützung sowie die Durchführung von Notfallmaßnahmen“, heißt es.
Wir könnten die Ärzte bei ihrer Arbeit unterstützen. Wenn es in anderen Ländern klappt, warum dann nicht hier?“Nicole Weber
Soviel zur Theorie. Die Realität ist meist eine andere. Zumindest in Luxemburg. Dass die Hebamme die Frau bereits vor der Geburt unterstützt, ist hierzulande nur selten der Fall. Dabei kann sich eine gute Vorbereitung positiv auf die Geburt auswirken. Während der Schwangerschaft kümmert sich vor allem der Gynäkologe um die Betreuung. „Viele Frauen sehe ich erst im Kreissaal“, so Anne Dahm von der Alsf. Sie schätzt, dass sie nur etwa 20 Prozent der Patientinnen vor der Geburt trifft. Dabei sei es wichtig, sich aufeinander einzuspielen, sich kennenzulernen, sich zu vertrauen.
„Wir wollen die Frau verstärkt während ihrer Schwangerschaft begleiten“, sagt auch Nicole Weber. Die pränatale Betreuung der Hebammen ist in Luxemburg aktuell von der Krankenkasse auf einen Termin mit der Patientin begrenzt. Schaut man auf die Internetseite der CNS, sieht man, dass während der Schwangerschaft tatsächlich nur eine „Sprechstunde“ erstattet wird. „Die Patientin kann natürlich Zusatztermine buchen, muss dafür dann aber selbst zahlen“, so Nicole Weber.
Den Ärzten untergeordnet
Klar ist auch, dass die Geburtshelfer die Patientin zwar betreuen, aber nicht in den Bereich des Arztes eingreifen dürfen. Eine Konkurrenz zwischen Geburtshelfern und Ärzten ist demnach nicht möglich, denn alleine der Arzt ist für alles Pathologische zuständig. Man könnte sich gut ergänzen. So funktioniert es zumindest im Ausland.
Die Hebamme Martine Welter machte bereits in einem Forum-Artikel aus dem Jahr 2001 darauf aufmerksam, dass die Schwangerschaft „exklusiv“ in den Bereich der Gynäkologen fällt: „Au Luxembourg, la suveillance de la grossesse est du domaine exclusif des médecins spécialisés en gynécologie-obstétrique“. Fazit: Das macht die Hebamme und ihre pränatalen Dienste fast überflüssig.
Zum Vergleich: In Deutschland steht jeder gesetzlich versicherten Schwangeren Hebammenhilfe zu. Die Kassen zahlen unter anderem Beratungen während der Schwangerschaft, die Geburtsvorbereitung in Einzel- oder Gruppenkursen, die Betreuung der Geburt, eine Wochenbettbetreuung bis zu zwölf Wochen nach der Geburt oder auch noch die Rückbildungsgymnastik nach der Geburt.
Die CNS zahlt neben einem pränatalen Termin die Betreuung durch eine Hebamme während der Geburt und post partum eine Sprechstunde sowie eine Betreuung zu Hause während maximal zehn Tagen. Bei der Hebammenbetreuuung in Luxemburg ist demnach noch Luft nach oben. Die Frage ist natürlich wieder einmal nur, wer für die Unterstützung zahlt.