Reduzierung der CO2-Emissionen, aber nicht um jeden Preis: Die DP setzt im Kampf gegen den Klimawandel auf Eigenverantwortung und Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen. Ihr Programm ist eine Mischung aus Zweckoptimismus und Stolz auf die Regierungsarbeit.
Wenn man einen DP-Politiker nach dem Klimakonzept seiner Partei fragt, dann wird in der Antwort zuerst die bisherige Regierungsarbeit gelobt. So auch, als der liberale Abgeordnete Max Hahn in der Debatte zum Energie- und Klimaplan sprach. Die Klimabank für die Sanierung von Altbauwohnungen, Förderung der Elektromobilität und die Nutzung von erneuerbaren Energien, „Green Finance“: Das Konzept der DP ist nahezu deckungsgleich mit den bereits umgesetzten Maßnahmen. Forderungen nach einer weitreichenderen Klimapolitik scheinen sich demnach zu erübrigen.
Auf das Eigenlob folgt noch der Vergleich mit anderen Ländern. Vor rund zwei Jahren zeigte Xavier Bettel sich beispielsweise überrascht, dass es in Frankreich offenbar noch keine Mülltrennung gebe, wobei er bereits damit aufgewachsen sei. Die Botschaft lautet, dass Luxemburg im Klimaschutz bereits weit fortgeschritten sei. „Wir könnten natürlich sehr viel verbieten. Ich glaube aber, wenn die Bürger selbst verstehen, dass sie auch für einen kleinen Teil der Treibhausgase verantwortlich sind, dann haben wir mehr erreicht als alles zu verbieten“, so der Premierminister damals im Interview mit „RTL Radio“.
Passend zur liberalen Grundausrichtung kommt die Klimapolitik der DP stets als Appell an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger daher. Wie bereits in der Coronakrise ist wohl auch im Klimaschutz jeder „Teil des Problems, aber auch Teil der Lösung“. Der große Unterschied ist aber: In der sanitären Krise schreckt die Partei im Namen des Gemeinwohls nicht vor einer konsequenten „Verbotspolitik“ zurück. In der Klimakrise greift allerdings noch immer der urliberale Reflex, wonach die individuelle Freiheit gegenüber staatlicher Regulierung Vorrang hat.
Xavier Bettels Joghurtmaschine
Der Premierminister lebt den liberalen Ansatz auch selbst vor. Während eines Treffens mit Klimaaktivisten von „Youth for Climate“ im März 2019 sagte er ihnen, er habe sich eine Joghurtmaschine gekauft, um weniger Plastikabfall zu verursachen. Die Aussage wurde von den Aktivisten karikiert und gilt in der Szene seitdem als Running Gag. „Joghurtsmaschine won’t save the planet“, ist ein wiederkehrendes Transparent bei Klima-Demos.
Es gab bei uns, wie sicherlich auch in anderen Parteien, Menschen, denen die Ziele im Energie- und Klimaplan vielleicht zu weit gingen.“Max Hahn, klimapolitischer Sprecher
Die Anekdote verdeutlicht jedoch nur, was sich die DP unter Klimaschutz vorstellt: Persönliche Entscheidungen, die jeder selbst trifft – oder auch nicht. Das gilt natürlich auch für die Wirtschaft. „Von den Unternehmen wird bereits sehr viel verlangt“, sagt Max Hahn bezüglich der sektoriellen Klimaziele im Gespräch mit Reporter.lu. Sie würden durch diese ihren Beitrag leisten – solange es sie wirtschaftlich nicht benachteilige.
Was für die LSAP die Frage der sozialen Gerechtigkeit ist, ist für die DP die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. „Man soll aufhören zu denken, dass Wirtschaft und Umweltschutz nicht vereinbar sind. Man muss das richtige Gleichgewicht finden“, sagte der Premierminister während einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Regierung müsse lediglich die Rahmenbedingungen schaffen, um einen Umstieg zu ermöglichen, äußert sich auch Max Hahn. Eine Fahrradprämie sei etwa nur zielführend, wenn auch in die Fahrradinfrastruktur investiert werde, so der klimapolitische Sprecher der Liberalen.
Mit Zuckerbrot, ohne Peitsche
Während der Debatte zum Energie- und Klimaplan im Parlament ging der Abgeordnete sogar einen Schritt weiter. „Wir müssen unsere Unternehmen nachhaltiger, effizienter und digitaler ausrichten. Dadurch steigert sich auch ihre Wettbewerbsfähigkeit“, so Max Hahn. Der Kampf gegen den Klimawandel darf der Wirtschaft dementsprechend nicht nur nicht schaden. Sondern lediglich Maßnahmen, die sowohl umweltfreundlich als auch wettbewerbsfördernd sind, treffen bei der DP auf Zustimmung.
So setzt der liberale Finanzminister Pierre Gramegna etwa seit mehreren Jahren auf „Green Finance.“ In dem Bereich gelte man als Inspiration für andere Staaten, erläutert der umwelt- und klimapolitische Sprecher der Partei dazu. Es ist das Paradebeispiel für den Nutzen der Klimakrise als wirtschaftliche Nische – zumindest theoretisch. Allerdings lautet die Maxime der DP damit auch: Die Senkung der Treibhausgase ist kein Zweck an sich, sondern nur dann sinnvoll, solange sie die Wirtschaft nicht einschränkt.
Tatsächlich gibt es nur wenige Bereiche, in denen die Liberalen sich in diesem Sinne umstimmen ließen. Ein Beispiel dafür sind die fünf Gesetzentwürfe zur Abfallreduktion, die einschneidende Maßnahmen für Unternehmen und Verbraucher beinhalten. Die Texte sind allerdings auf EU-Richtlinien zurückzuführen, die die Regierung ohnehin umsetzen muss. In diesem Fall gehen die fünf Entwürfe jedoch über die ursprüngliche Richtlinie hinaus.
Auch bei der CO2-Steuer ließ sich die DP innerhalb der Dreierkoalition überzeugen. Jedoch konnte sich Blau-Rot-Grün nur auf einen Preis von 20 Euro pro Tonne CO2 einigen. Finanziell fällt die Maßnahme mit einem Aufpreis von fünf Cent pro Liter Diesel für viele Bürgerinnen und Bürger kaum ins Gewicht. Für Max Hahn ist der Kompromiss „schon nicht schlecht“. Am liebsten wolle die DP jedoch mit staatlichen Subventionen Anreize schaffen, so ihr klimapolitischer Sprecher.
Kein Grund zur Panik
Daran hat offenbar auch der jüngste Bericht des Weltklimarats nichts geändert. Die Liberalen fühlen sich gar bestätigt. „Der Bericht hat unserer Politik recht gegeben“, so die durchaus steile These von Max Hahn. Recht gibt der IPCC-Bericht nämlich vor allem jenen Menschen, die mit besorgtem Blick in die Zukunft schauen und weitaus konsequentere Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen fordern.
Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn nur ein oder zwei Länder sich höhere Ziele stecken wollen und die anderen dann nicht nachziehen würden.“Premierminister Xavier Bettel
Max Hahn antwortet auf diesen Widerspruch mit dem Hinweis auf „Realpolitik“. „Es gab bei uns, wie sicherlich auch in anderen Parteien, Menschen, denen die Ziele im Energie- und Klimaplan vielleicht zu weit gingen“, so der Abgeordnete. Viele hätten etwa bevorzugt, sich an die Richtlinie der Europäischen Kommission zu halten. Anstatt einer in Luxemburg angestrebten Reduzierung der Treibhausgase um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005, schlug die Kommission lediglich eine Verringerung um 40 Prozent vor. Auch hier ließ sich die DP zu höheren Zielen überreden.
Der IPCC-Bericht ist für Luxemburgs Liberale jedenfalls kein Anlass, sich höhere Klimaziele zu setzen. Auch Xavier Bettel bezeichnete den Plan am vergangenen Mittwoch als „ambitiös“ und einen Schritt in die richtige Richtung. Eine Anpassung ist dennoch nicht vollkommen ausgeschlossen. „Die Einhaltung der sektoriellen Ziele wird jedes Jahr überprüft. Dann können sie gegebenenfalls auch abgeändert werden“, sagt Max Hahn.
Liberale Relativierungen
Dem Premierminister gibt der Energie- und Klimaplan allerdings eher die Möglichkeit, die Vorreiterrolle Luxemburgs zu betonen. Die große Frage lautet jedoch, ob die Ziele mit dem aktuellen Maßnahmenpaket erreicht werden können. Unter der amtierenden Regierung sind die Treibhausgase in Luxemburg zwischen 2016 und 2019 ständig gestiegen. In ihrem Gutachten zum Energie- und Klimaplan kritisierte die Europäische Kommission zudem, dass in vielen Bereichen weiterhin Details zu den Plänen der Regierung fehlen, und es somit schwer nachvollziehbar sei, ob die Ziele auch realistisch seien.
Doch auch wenn kein Grund zum Eigenlob besteht, verweist Xavier Bettel auf die Verantwortung der anderen Staaten. Luxemburg sei nur „ein Reiskorn in dem Ganzen“, sagte der Premier am Mittwoch vor der Presse. Demnach sei eine noch ambitioniertere Klimapolitik in Luxemburg ohnehin von keiner großen Bedeutung. Dabei verstieg sich der Regierungschef sogar zu folgender Aussage: „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn nur ein oder zwei Länder sich höhere Ziele stecken wollen und die anderen dann nicht nachziehen würden.“
Warum eine stärkere unilaterale Reduzierung der Treibhausgase „das Schlimmste“ wäre, sagte Xavier Bettel nicht. Womöglich meint der DP-Politiker damit aber den Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen. Denn, so lautet die Maxime, selbst wenn das Klima gerettet wird, aber die Wirtschaft und die individuelle Freiheit darunter leiden, wurde das Ziel liberaler Politik verfehlt.
„Wir verschließen uns bei der Frage nach mehr Regulierung und Verboten aber nicht vollständig. Wir haben etwa ein Gesetz verabschiedet, das die Strom- und Gasanbieter zu mehr Energieeffizienz verpflichtet“, so Max Hahn. Der Text galt als Reaktion auf eine europäische Richtlinie und wurde vom „Mouvement écologique“ stark kritisiert. Der Titel der Pressemitteilung: „Von wegen Vorreiterrolle!“