Die „Affäre Bausch“ beschäftigte in den vergangenen zwei Wochen so manche Medien. Neben einer kritikwürdigen Verfehlung des Ministers fällt dabei auf: Bei der Art, wie politische Skandale aufgearbeitet werden, hat Luxemburg einen gewissen Nachholbedarf. Eine Analyse.
Wer in den vergangenen zwei Wochen verreist war und nicht alle luxemburgischen Medien verfolgte, hat sie vielleicht gar nicht mitbekommen: die „Affäre Bausch“. Pünktlich zum Ende der Osterferien war die „Affäre“ denn auch schon wieder vorbei. Im Rückblick lehrt die Kontroverse um François Bausch (Déi Gréng) einiges über die Art und Weise, wie in Luxemburg mit sogenannten politischen Skandalen umgegangen wird.
Alles hatte mit einem Blog-Post von Guy Kaiser begonnen. In einem Text vom 9. April mit dem Titel „Amëschung vum François Bausch an d’Justiz?“ publizierte der ehemalige Chefredakteur von „RTL Radio“ einen Brief, unterzeichnet von Francois Bausch, in dem der Minister sich an die Generalstaatsanwältin Martine Solovieff wandte. Bausch äußerte sich in dem vom 18. Juli 2018 stammenden Schreiben „erstaunt“ über die Vorgehensweise eines stellvertretenden Staatsanwaltes. Letzterer hatte nach mehreren Unfällen auf einer Baustelle im Osten des Landes von der Straßenbauverwaltung Schadenersatz gefordert.
Es folgte eine verschwurbelte Rücktrittsforderung seitens der CSV, eine parlamentarische Anfrage der CSV an Premier- und Justizminister, mehrere Medienberichte, Einschätzungen von Juristen und eine Klarstellung der Generalstaatsanwältin: Einen guten Überblick über die Geschehnisse lieferte vergangene Woche das „Tageblatt“.
Ein eindeutiges Fehlverhalten
Wie so oft bei kontroversen politischen Geschehnissen konnte der interessierte Beobachter schnell den Überblick bzw. den Blick für das Wesentliche verlieren. Worum geht es eigentlich? Im Mittelpunkt der Affäre stand schnell die Frage, ob ein Minister sich überhaupt per offiziellem Brief an die Staatsanwaltschaft wenden darf. Es sei eine Frage des Prinzips, nämlich der Gewaltenteilung, so die grundsätzliche Kritik an Bausch.
Der Jurist und Experte für Verfassungsrecht Luc Heuschling sprach in diesem Zusammenhang von einem klaren „Verstoß“ gegen die Strafprozessordnung und den Geist der Verfassung. Andere Juristen, darunter nicht zuletzt die Generalstaatsanwältin, sprachen Bausch dagegen von solchen grundsätzlichen Vorwürfen frei.
Auch ohne ausgeprägte juristische Vorbildung lässt sich feststellen: Bauschs Verhalten war politisch unklug und kritikwürdig.“
In der Tat muss sich François Bausch zumindest die Frage gefallen lassen, warum er sich überhaupt solchen Vorwürfen aussetzen und auch nur den Anschein einer Einmischung in die Justiz erwecken konnte. Als Regierungsmitglied obliegt ihm eine besondere Pflicht und Vorsicht, den geringsten Eindruck einer Verletzung der Gewaltenteilung zu vermeiden. Auch ohne ausgeprägte juristische Vorbildung lässt sich feststellen: Bauschs Verhalten war politisch unklug und kritikwürdig.
Eine unbeholfene Opposition
Allerdings war dies nicht der einzige Aspekt, der in dieser Sache eine Rolle spielte. Denn die Kontroverse wurde schnell politisiert. Auch wenn diese Tatsache niemanden überraschen sollte, so spielt die prompte Instrumentalisierung des Briefes durch die Opposition im Rückblick durchaus eine entscheidende Rolle beim weiteren Verlauf des mediatisierten Skandals.
Ein Minister, der sich so verhalte wie Bausch, sei „eigentlich nicht mehr tragbar“, sagte CSV-Parteichef Frank Engel auf einer Pressekonferenz, drei Tage nach der Veröffentlichung des besagten Briefes. Den Rücktritt des Ministers forderte Engel jedoch nicht. Öffentlich „Rücktritte zu fordern, die sowieso nicht stattfinden“, sei nicht das, was er tun wolle, so Engel.
Frank Engel rettete durch seine unbeholfene Verurteilung des Verhaltens von Bausch letztlich wohl den Kopf des Ministers. Zumindest erleichterte er der Regierung die Verteidigungsstrategie.“
Auch wenn Frank Engel den Rücktritt von François Bausch nicht explizit forderte, spielte er eben genau darauf an. Für den CSV-Vorsitzenden ging es in dieser Affäre nicht darum, zunächst einmal herauszufinden, was genau passiert war. Es ging darum, aus den Geschehnissen prompt politisches Kapital zu ziehen. Auch die Medien konnten sich in ihrer Berichterstattung dieser parteipolitischen Wendung nicht komplett entziehen, denn sie stand am Anfang der ganzen Affäre.
Das Paradox: Frank Engel rettete durch seine unbeholfene Verurteilung des Verhaltens von Bausch letztlich wohl den Kopf des Ministers. Zumindest erleichterte er der Regierung die Verteidigungsstrategie. Denn jetzt ging es auch in den Augen der Öffentlichkeit nicht mehr nur um eine objektiv begründbare Verfehlung eines Ministers, sondern auch um eine offensichtlich parteipolitisch motivierte Attacke.
Keine sachbezogene Aufklärung
Sobald die politische Kardinalfrage eines Rücktritts ins Spiel kommt, verändert dies die Dynamik einer Affäre. Eigentlich werden entsprechende Forderungen erst nach längerer Zeit und eingehender Kontroverse gestellt. Die CSV drehte die Logik der Skandaldramaturgie kurzerhand um. Sie brachte den Rücktritt des Ministers gleich am Anfang ins Spiel, als noch nicht alle Fakten auf dem Tisch lagen.
Damit stellte die Oppositionspartei ihr eigenes politisches Interesse über ihre Rolle als Kontrollinstanz der Regierung. Die parteipolitische Perspektive entwickelte eine Eigendynamik. Und wie so oft gab es dabei quasi nur die zwei Extreme in der Bewertung der Affäre: Entweder man verurteilte Bausch und erwartete eine politische Konsequenz oder man sprach den Minister von jeglichem Fehlverhalten frei. Dazwischen gab es wenig Platz für eine nüchterne, nuancierte Analyse.
Man wusste zwar von Bauschs Brief, einer E-Mail und wohl weiteren Briefen der Staatsanwaltschaft an die Straßenbauverwaltung bzw. deren rechtliche Vertretung, auf die sich Bausch in seinem Schreiben berief. Doch viel mehr Kontext und Vorgeschichte der Geschehnisse sind nicht bekannt. Die Affäre spitzte sich von Beginn an auf die Person des Ministers zu. Die sachbezogene Aufklärung der ganzen Geschichte geriet in den Hintergrund.
Die Affäre spitzte sich von Beginn an auf die Person des Ministers zu. Die sachbezogene Aufklärung der ganzen Geschichte geriet in den Hintergrund.“
Komplett unter ging dabei, dass die breitere Öffentlichkeit bis heute nicht viel über die Hintergründe der Affäre erfahren hatte. Wie gingen die beteiligten Akteure im Vorfeld des Minister-Briefes vor? Ist die Tatsache, dass ein stellvertretender Staatsanwalt einem Rechtsanwalt per E-Mail mit juristischen Folgen für seine Mandanten droht, nicht durchaus ein Grund, über diese Gangart „erstaunt“ zu sein? Gab das Verhalten der Staatsanwaltschaft eventuell noch weiteren Anlass für dieses Erstaunen, der die Vorgehensweise des Ministers wenn nicht rechtfertigen, so doch erklären kann? Diese Fragen sind bis heute nicht abschließend beantwortet.
Blau-Rot-Grün sitzt Affäre aus
Die Verantwortung dafür liegt aber nicht zuletzt bei Bausch selbst und bei der ganzen Regierung. Blau-Rot-Grün entschied sich in dieser Affäre für das bewährte Motto des Aussitzens. Solange der Druck durch Opposition und Medien nicht derartig ansteigt, dass man unbedingt reagieren musste, spielte man lieber auf Zeit. François Bausch ließ sich denn auch in der Presse mit allzu dürftigen Statements zitieren. Der Clou: Ausgerechnet in diesen Tagen verabschiedete sich der sonst so reaktive und meinungsfreudige Politiker von Twitter.
Gleichzeitig verwies Bausch auf die in Vorbereitung befindliche Antwort auf die parlamentarische Anfrage der CSV. Dies ist wohl das stärkste Zeichen dafür, dass die Koalition die ganze Sache nicht ernst nahm. Einem Minister wird eine Einmischung in die Justiz und eine Verletzung von rechtsstaatlichen Prinzipien vorgeworfen – die Antwort darauf sollte es aber erst in ein paar Tagen schriftlich geben.
Ob Skandal oder nicht: Wer die Öffentlichkeit achtet, kann auch ohne eine solche Anfrage, reagieren. Die fragwürdige Heiligkeit des Instruments der parlamentarischen Anfrage ist dabei ein Problem für sich, das zu einer weiteren unnötigen Lähmung des politischen Diskurses beiträgt.
Auch wenn sie es nicht immer für nötig hält, schuldet die Regierung ein Mindestmaß an Rechenschaft, nicht nur gegenüber der Presse und dem Parlament, sondern gegenüber allen Bürgern.“
Es bedurfte nicht erst dieser Affäre, um zu erahnen: Bereits nach fünf Jahren im Amt ist jene Arroganz der Macht, die Blau-Rot-Grün immer gerne der CSV vorgeworfen hatte, auch bei dieser Koalition bemerkenswert ausgeprägt. Der Vergleich mit jenen Affären, die 2013 zu Neuwahlen führten, ist angesichts der Quantität und des Ausmaßes der damaligen Skandale zwar absurd. Doch die Episode der vergangenen zwei Wochen deutet darauf hin, dass auch die Dreierkoalition den Versuchungen der in Luxemburg nur bedingt eingeschränkten Regierungsmacht nicht widerstehen kann.
Aus Regierungsperspektive ist die „Affäre Bausch“ nahezu ideal verlaufen. Ein Minister wurde zwar geschwächt, doch das Ausmaß des politischen Schadens hält sich in Grenzen. Die Krisenkommunikation ging allerdings auf Kosten der Rechenschaftspflicht. Auch wenn sie es nicht immer für nötig hält, schuldet die Regierung ein Mindestmaß an Rechenschaft, nicht nur gegenüber der Presse und dem Parlament, sondern gegenüber allen Bürgern. Die offizielle Minimal-Kommunikation wurde diesem Anspruch nicht gerecht.
Die Lehren einer Kurzzeit-Affäre
Unabhängig von der Bewertung der Substanz der Affäre ist nicht nur ihr Ursprung, sondern auch ihr Ausgang problematisch. Die Lehren der „Affäre Bausch“ sind vielfältig. Dazu gehört, dass das parteipolitische Lagerdenken eine notwendige Debatte in der Sache erschwert. Dass politische Kontroversen strikt nach parteipolitischen Fronten geführt werden, ist zwar kein ausschließlich luxemburgisches Phänomen. Und doch lähmt auch hier der dauernde „Wir-gegen-sie“-Diskurs die Aufarbeitung von tatsächlichen politischen Missständen.
Die Verantwortung liegt in diesem Fall zunächst bei der CSV, die nie ein Interesse daran hatte, der vollständigen Faktenlage auf den Grund zu gehen. Aber ebenso bei den Regierungsparteien, die rasch eine einheitliche Verteidigungshaltung einnahmen und ihrem loyalen Minister einen Freifahrtschein ausstellten.
Das Eingeständnis seines Fehlverhaltens hätte nicht nur dem Grünen-Politiker, sondern auch der künftigen Wertschätzung der Gewaltenteilung und der politischen Kultur im Land gut zu Gesicht gestanden.“
Eine weitere Lehre: Der Missstand, um den es in diesem Fall geht, ist keine Nebensächlichkeit. Die Missachtung der Gewaltenteilung darf kein Kavaliersdelikt sein. Per Kommunique ließ François Bausch zwar in der vergangenen Woche mitteilen, dass eine Verletzung der Gewaltenteilung nie seine Absicht war. Doch gleichzeitig „bedauert“ er die Diskussionen, zu denen sein Brief an die Generalstaatsanwältin Anlass gab. Im Klartext: Bausch denkt nicht, dass er einen Fehler gemacht hat. Er bedauert lediglich, dass öffentlich über seine Person diskutiert wurde.
Das Eingeständnis seines Fehlverhaltens hätte nicht nur dem Grünen-Politiker, sondern auch der künftigen Wertschätzung der Gewaltenteilung und der politischen Kultur im Land gut zu Gesicht gestanden. So wie diese Affäre verlaufen ist, wirft sie zwar immer noch unbeantwortete Fragen auf. Doch sie bestätigt auch die wohlbegründete Vermutung, dass man als Politiker in Luxemburg mit vergleichbarem Fehlverhalten im Zweifel nicht mit Konsequenzen rechnen muss.