Neue Frequenzen, mehr Antennen, höheres Gesundheitsrisiko? Mit dem Mobilfunkstandard 5G steigt die Strahlenbelastung – auch in Luxemburg. Das Pilotprojekt startet hierzulande 2020 in die Testphase. Noch ist aber nicht klar, ob die Zukunftstechnologie alle Standards erfüllt.

5G soll die Welt von Grund auf verändern. Mithilfe der fünften Mobilfunkgeneration werden Autos autonom fahren, Maschinen problemlos miteinander verbunden und Smartphone-Verbindungen (noch) schneller. Auch Luxemburg bereitet sich intensiv auf 5G vor. 2020 soll ein Pilotprojekt starten. Die Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard werden noch diesen Frühling versteigert, danach sollen die passenden Antennen in den Testzonen errichtet werden.

Doch während Politik und Wirtschaft die neue Technologie bereits feiern, befürchten manche Wissenschaftler negative Auswirkungen auf Natur und Gesundheit. Doch im Rennen um den 5G-Ausbau versucht jeder der schnellste zu sein, Europa, USA und Asien stehen in direkter Konkurrenz zueinander. Viel Platz für Bedenken gibt es nicht. Diese Risiken sind nur ein Randthema.

So auch in Luxemburg. In der von der Regierung ausgearbeiteten 5G-Strategie wird beschrieben, wie das neue Netz die Wirtschaft ankurbeln und alltägliche Dinge miteinander verknüpfen soll. Auf den knapp 20 Seiten ist von Gesundheitsrisiken kaum die Rede. Es wird lediglich gesagt, dass die neuen „intelligenten Antennen“ Strahlen nur dorthin senden, wo man sie braucht. Außerdem würde man die Strahlenbelastung genau messen und transparent darüber informieren wollen.

Eric Krier vom Service des Médias et des Communications (SMC) des Staatsministeriums erklärt: „Bei 5G können die neuen Antennen ganz gezielt funken.“ Dadurch seien die Bürger nur einer begrenzten Strahlenbelastung ausgesetzt. Sein Kollege Pierre Goerens ergänzt: „Im Ausland laufen bereits 5G-Projekte und von dort sind keine Negativ-Effekte bekannt.“

Keine Messwerte, keine Genehmigung

Wie es um Natur und Gesundheit steht, dafür sind sowieso andere zuständig. Goerens und Krier verweisen auf das Umweltministerium. Das gebe die Erlaubnis für den Bau der neuen 5G-Sendemasten frei.

Dort hält man sich auf Nachfrage von REPORTER bedeckt. „Solange wir keine Erkenntnisse über die Auswirkungen haben, können wir auch keine Genehmigungen für Antennen erteilen“, so die Pressesprecherin. In einem schriftlichen Statement heißt es weiter, dass momentan „noch keine Messwerte vorliegen, die die Auswirkungen auf die Werte der globalen elektrischen Felder beschreiben könnten“. Man berufe sich aber auf das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz, das für einen „umsichtigen 5G-Ausbau“ plädiert. Es habe bisher allerdings „keine gesundheitlichen Auswirkungen“ nachweisen können.

Keine Erkenntnisse, keine Genehmigung, keine Antennen. Das Umweltministerium gibt des Weiteren an, dass bisher noch keine Anfragen für 5G-Antennen eingegangen sind. Die würde es wohl erst geben, wenn die Frequenzen versteigert sind. Das Pilotprojekt wird zunächst mit den in Luxemburg bereits bekannten 700 Mega-, 3,6 Gigahertz Frequenzen starten. Probleme für eine Genehmigung wird es daher hier nicht geben. Schwieriger könnte es später werden, wenn höhere Frequenzen für den Netzausbau benötigt werden.

Auch das Gesundheitsministerium wurde in die Gespräche zum 5G-Projekt mit einbezogen. „Vieles wird den Gesundheitsbereich erst in nächster Zeit betreffen“, so Eric Krier vom SMC. „Selbst wenn wir uns mit Strahlen auskennen, ist es teilweise schwierig, Studien und Berichte richtig zu situieren. Deshalb ist es wichtig, Partner und Experten im Bereich der Gesundheit an unserer Seite zu haben.“

Das Risiko der Verschwörungstheorien

Doch wie kann es sein, dass trotz Bedenken der 5G-Ausbau in vollem Gange ist? In Luxemburg, in Europa und weltweit. Sorgen um gesundheitliche und umweltschädliche Risiken scheinen sich weder Wirtschaft noch Politik zu machen. Ganz nach der Devise: Was man nicht sieht, kann auch keine Angst machen.

Tatsächlich befindet sich die Entwicklung von 5G in den Kinderschuhen, Langzeitstudien zu den Auswirkungen dieser Strahlen gibt es bis dato nicht. Das US-Magazin „Wired“ hat kürzlich einen Artikel verbessert, der sich mit den Auswirkungen auf die Gesundheit auseinandersetzte. Der Grund: Studien, die Negativwirkungen von 5G-Strahlen aufzeigen sollten, seien am Ende nicht aussagekräftig genug gewesen.

Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen, deren Gesundheit ich aus Profitgründen verkaufen kann.“Brüsseler Umweltministerin Céline Fremault

Auf der anderen Seite warnen Wissenschaftler bereits seit Jahren vor elektromagnetischen Strahlen und selbst Telefonanbieter zeigen sich vorsichtig. So heißt es bei Vodafone im Jahresbericht von 2018: „Elektronische Signale, die von Mobilgeräten oder Antennen ausgehen, können Gesundheitsrisiken hervorrufen (…).“ Welche Risiken das sind, wird aber auch dort nicht erwähnt. Konkrete Hinweise fehlen sowohl aus der Industrie als auch aus der Wissenschaft bis heute.

Fest steht, dass 5G-Strahlen, also hochfrequente Mikrowellen im Bereich von sechs bis 100 Gigahertz, eine kurze Reichweite haben. Dadurch braucht es mehr Antennen, um ein Land flächendeckend damit ausstatten zu können. Und mehr Sendemasten bedeuten wiederum mehr Strahlen. In Luxemburg sind für das Pilotprojekt Frequenzbänder mit 700 Mega-, 3,6 Giga- und 26 Gigahertz für die Versteigerung vorgesehen.

Dass es aber keine klaren Beweise über die Auswirkungen der Strahlen gibt, sondern nur Einschätzungen und Warnungen, macht 5G zu einem sensiblen Thema, um das schnell Verschwörungstheorien gestrickt werden können.

Nicht sichtbar, aber gefährlich

Klar ist, dass Handystrahlen sich auf den Körper auswirken. Die Frage ist nur, in welchem Maße und mit welchen Konsequenzen.

Der Effekt der Strahlen: Wassermoleküle unter der Haut geraten durch die Strahlung in Schwingung, die entstehende Reibungswärme erhöht die Körpertemperatur. In der „Zeit“ erklärt eine Forscherin, dass die hochfrequente Strahlung bei 5G wegen ihrer extrem kurzen Wellenlänge nicht so tief wie 3- oder 4-G-Wellen in den Körper eindringen kann, dafür aber „an der Körperoberfläche absorbiert wird“. Deshalb würden aktuell vor allem Auswirkungen auf Augen, Haut und Schweißdrüsen diskutiert.

Es fehlt der politische Wille, solche Themen transversal aufzuarbeiten.“Josée Lorsché (Déi Gréng)

Die Stadt Brüssel hat ihrerseits vor zwei Wochen den 5G-Ausbau vorerst auf Eis gelegt. Der Grund: Der in der Stadt festgelegte Emissionsstandard für Strahlen wurde nicht eingehalten. Also stoppte Brüssels Umweltministerin Céline Fremault die Pläne. „Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen, deren Gesundheit ich aus Profitgründen verkaufen kann“, so die Politikerin.

In Luxemburg will unter anderem die Post in 5G investieren – und Frequenzen ersteigern. „Intern besprechen wir die internationalen Entwicklungen und behalten sie auch weiterhin im Blick“, heißt es dort. Bei der Strahlenintensität müsse man sich aber sowieso an die Werte halten, die von den Behörden vorgesehen seien. Das würden sie auch kontrollieren.

Beobachten, aber nicht ausbremsen

In Luxemburg gibt es bis dato nur vereinzelte kritische Stimmen zum 5G-Ausbau. Ein Bürger will anhand einer Petition den 5G-Ausbau stoppen und die Abgeordneten Josée Lorsché und Marc Hansen (beide Déi Gréng) wollen in einer parlamentarischen Frage wissen, inwieweit beim Pilotprojekt auch der gesundheitliche Aspekt in Betracht gezogen wird.

Ähnlich Fernand Kartheiser in einer parlamentarischen Frage: Er will wissen, welche Studien die Regierung im Vorfeld des Ausbaus untersucht hat. Das Projekt 5G sei immerhin in manchen Städten gestoppt worden, weil die gesundheitlichen Risiken noch nicht weit genug erforscht sind.

„Es fehlt der politische Wille, solche Themen transversal aufzuarbeiten“, sagt Josée Lorsché im Gespräch mit REPORTER. Sie bemängelt, dass es bei 5G vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit von Luxemburg geht – und die Gesundheit außen vor gelassen wird. „Auch das müsste in die Debatte mit einfließen – immerhin ist es auch eine Frage der Lebensqualität“, so die Grünen-Politikerin. Stattdessen wolle die Regierung das Projekt 5G möglichst schnell voranbringen, ohne alle Risiken in Betracht zu ziehen.


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