Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Saving Private Corinne (Teil 2) und weitere Gründe, warum andere schuld sind.
Wäre es ein normales Jahr, dann wäre das zweite Trimester vorbei und manche „Datz“ auf dem Zeugnis aufgetaucht. Wir (fast) alle haben das irgendwann erlebt: Wie bringt man das schonend den Eltern bei? Die einen fingen früher den Postboten ab. Die anderen sagten: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“
Corinne Cahen hat eine ähnliche Strategie: Sie habe „nicht irgendetwas zu vertuschen wollen“, sondern die Cluster in den Altersheimen verschwiegen … weil … nun ja … das einfach belastend ist. Also für die Familien der Verstorbenen, nicht für die Ministerin. Corinne Cahen ist absolut nicht verantwortlich, wie Premier Bettel auf seiner „Saving Private Corinne“-Mission vergangene Woche betonte (Retrospect berichtete).
Der „Terrain“ war’s
Schnell gemacht sind sie wohl, aber dennoch lassen sie auf sich warten: die Schnelltests. Während Sportminister Dan Kersch bereits Anfang Januar flächendeckende Schnelltests zur Bedingung für die Aufnahme des Spielbetriebs beim Fußball machte, sahen die liberalen Minister das Spielchen deutlich lockerer. Und so müssen bis heute Besucher von Altenheimen keinen Schnelltest machen, wenn sie Verwandte im Heim besuchen.
Aber was will eine Ministerin da schon entscheiden? Die auf dem „Terrain“ müssen selbst wissen, was sie machen, meint Corinne Cahen. An der Familienministerin ist wahrlich eine Nationaltrainerin aller erster Güte verloren gegangen. Denn wie jeder gute Übungsleiter weiß: Wenn es gut läuft, war man es selbst. Wenn es schief geht, dann war es die Tagesform, das Wetter oder eben der „Terrain“…
Und Schnelltests in den Schulen? Da steckt sich doch niemand an, meinte zunächst Claude Meisch. Bis das Virus seine Taktik änderte, wie Lionel Messi an allen vorbei dribbelte und den Minister ganz schön alt aussehen ließ. Dann kam erst einmal die Maskenpflicht, Stoßlüften und ein Stufensystem, für dessen Verständnis man definitiv eine Première braucht. #NivellementVersLeBas
Bis jetzt. Denn nun bekamen die ersten Schüler Schnelltests mit nach Hause. Schon vor einiger Zeit hatte Gesundheitsministerin Paulette Lenert diese liebevoll als „Popeltests“ betitelt. O-Ton: „Dann versteht man sofort, um was es geht“. RTL ließ sich diese Vorlage natürlich nicht entgehen und titelte: „Schnelltester a Schoulen: An der Nues bueren erwënscht“.
Höllenfeuer in der Chamber
Ein popeliges Spektakel bot sich diese Woche auch im Hohen Haus, aka Chamber, passend zum 1. April. Besonders in der Debatte um den von der Opposition geforderten Rücktritt von Corinne Cahen überboten sich die Abgeordneten mit pubertär anmutendem Diss- und Trashtalk. Das rostige Sturmgeschütz der CSV, aka Michel Wolter, legte sich dabei nicht nur mit der Familienministerin an. Auch der Premier blieb von Wolters Attacken nicht verschont: „Nodeems der d’läscht Woch gelunn hutt, hutt der elo och nach eng Kéier wonnerbar gewise firwat der stitt.“ #Burn
Dabei hatte Xav doch nur fröhlich „Äddi“ in die Chamber gerufen, als Wolter seine Redezeit überschritten hatte. Ein bisschen liberaler Vorschulhumor wird doch wohl erlaubt sein. Für die Bürger war die Debatte allerdings weniger lustig: Es sei wie das „Durchschreiten der neun Dante’schen Höllenkreise“, meinte das „Tageblatt“. Das war natürlich maßlos untertrieben. Gespielte Empörung, einstudierte Langeweile, kindische Zwischenrufe: Die Koalition zog alle Register, der arme Fernand war als Schülerpräsident wie immer etwas überfordert.
Dass der infantile Regierungschef manchmal etwas bockig werden kann, weiß auch Claude Wiseler. Der womöglich nächste (und womöglich letzte) Präsident der CSV hatte sich im Gesundheitsausschuss eigenen Aussagen zufolge für ein Stufenmodell in der Pandemie-Bekämpfung ausgesprochen. Als Beispiel nannte Wiseler Irland. Das fand der Premier aber augenscheinlich gar nicht überzeugend, denn schließlich sei das irische Modell „Bullshit“. (RTL übersetzt für seine Leser akkurat: „Blödsinn“.)
Wir finden: Die patzige Wortwahl des Premiers macht ihn nur menschlicher. Xavier Bettel braucht offensichtlich mal wieder eine Auszeit. Paris soll ja bekanntlich sehr schön sein um diese Jahreszeit. Wenn bloß der blöde Lockdown nicht wäre. Trotzdem ist es wohl zu begrüßen, dass der Langzeitpremier die Rede zur Lage der Nation aufs Jahresende verlegt hat, denn dieser „Bullshit“ hat nun wirklich noch etwas Zeit.
„Alle haben ihr Bestes gegeben“
Die Coronastrategie der Regierung steht dagegen sicher auf den Gleisen. Chef-Virologe Lex Delles dekretierte: „D’Zuelen erlaben d’Ouverture vun den Terrassen.“ Die Zahlen steigen zwar und in Luxemburg sind die Mutanten los. Aber die Entwicklung sei nicht „exponentiell“. Alles unter Kontrolle. #NaDannProst
Das dachte sich auch der Zugfahrer auf der Linie Wiltz-Kautenbach. Es ist immer gut gegangen, das Pendeln zwischen dem großen und dem kleinen Kaff. Und wenn doch mal was ist, hat man ja ein Signalhorn und Bremsen. Alles easy, Schranke zu, Schranke auf. Bis dann ein LKW quer auf den Gleisen steht, den absolut niemand von weitem sehen konnte.
Das ist jetzt natürlich keine Metapher für die Corona-Politik von Blau-Rot-Grün. Frei nach Xavier Bettel und Corinne Cahen trägt hier weder der Lokführer noch der LKW-Fahrer oder sonst jemand die „Verantwortung“. Ob kuriose Verkehrskollisionen oder absolut vermeidbare Covid-Todesfälle: Shit happens. Da bringt es nun wirklich nichts, im Nachhinein noch verkrampft nach den Schuldigen oder gar politisch Verantwortlichen zu suchen. Oder wie es Dauer-Covid-Gesetz-Berichterstatter Mars di Bartolomeo mittlerweile ausdrückt: „Alle haben ihr Bestes gegeben.“