Paulette Premier, #Luc endlich am Ziel, alles wie gehabt, oder doch ganz anders: Fragen Sie sich auch, wie die Wahlen am Sonntag wohl ausgehen werden? Die Retrospect-Redaktion hilft Ihnen gerne weiter – mit einem Augenzwinkern. Unsere ultimative Voraussage des Wahlabends.


1. Die konservativ-liberale Wende

„Luc, Luc, Luc“, hallt es durch das ehrwürdige Centre polyvalent „A Schommesch“ in Oberanven. Kurz zuvor wurde das vorläufige Wahlergebnis bekanntgegeben – und damit die kleine Sensation: Die CSV hat erstmals seit zehn Jahren wieder eine Wahl gewonnen. Naja, also nicht klar verloren. Immerhin.

Fest steht: Es reicht für die Wunschkoalition des Spitzenkandidaten #Luc, formerly known as Frieden. „Das Land hat den Wechsel gewählt. Die CSV hat einen klaren Wählerauftrag. Ich habe bereits mit meinem Freund Xavier Bettel telefoniert. Wir haben uns für Morgen früh für erste Gespräche verabredet“, wispert Luc Frieden seinen Parteifreunden mit gewohnt heiserer Stimme entgegen.

Und tatsächlich: Ab dann geht alles ganz schnell. Was die Journalisten-Meute aber erst später erfährt: Luc Frieden und Xavier Bettel hatten noch für die Wahlnacht ein Geheimtreffen auf einer Baustelle des Bauunternehmers Giorgetti vereinbart. Unter vier Augen räumten die beiden Spitzenleute im eindrucksvollen Rohbau des „GRIDX“ in Wickringen die letzten überschaubaren Hürden aus dem Weg zur ersten CSV-DP-Koalition seit knapp zwei Jahrzehnten.

„Wir vollziehen damit die überfällige konservativ-liberale Wende“, sagt Luc Frieden im ersten Interview mit „RTL“ nach den Wahlen. „Es ist Zeit für eine neue Politik. Manche dachten, unser Wahlkampf-Slogan wäre ein schlechter Witz gewesen. Heute sage ich: Mit dem gleichen Humor werden wir dieses Land regieren.“ Xavier Bettel sieht es dagegen pragmatischer: „Ok, bon. De Wieler huet geschwat. An ech soen et nach eng Kéier: Et geet hei net ëm de Bettel. D’CSV därf elo och mol erëm matspillen“, so der scheidende Premier.

„Ja, ja, ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt“: Luc Frieden und seine liberalen Freunde können befreit durchregieren. (Foto: Mike Zenari)

Der Koalitionsvertrag mit dem Titel „Fräiheet, Sécherheet, Haaptsaach Regierung“, wird feierlich und pünktlich vor den Weihnachtsferien in der Lobby des Crystal Park von PwC unterzeichnet. Darin finden sich die Kernforderungen beider Parteien wieder: Ein Steuersenkungsfeuerwerk bis tief, also extrem tief in die „Mittelschicht“ hinein. Eine Wohnungsbauoffensive inklusive Rettungsschirm für die großen Bauunternehmer. Ein „Law and Order“-Reformpaket, das Lydie Polfer und Laurent Mosar öffentlich zu Freudentränen rührt. Noch während der Koalitionsverhandlungen lassen die Jugendorganisationen CSJ und JDL in der Groussgaass symbolische Schnellgerichte und Platzverweise veranstalten.

Luc Frieden wird vom Großherzog als Premier vereidigt, Xavier Bettel wird Vizepremier und Außenminister, Yuriko Backes Superministerin für Wirtschaft und Klimaschutz, Elisabeth Margue Ministerin für Familie und Herdangelegenheiten, und auch über die anderen Posten wird man sich schnell einig. Das Finanzministerium wird an die „Big Four“ unter Aufsicht des Lobbyvereins „Luxembourg for Finance“ outgesourct. Der frühere „RTL“-Chefredakteur Guy Kaiser frohlockt auf seinem Blog: „Nawell gutt geschafft!“ Nach kurzer Ernüchterung wird auch den echten Journalisten des Landes klar: Diese Koalition ist ein Geschenk des Himmels.


2. Schwarz-Rot, dajee alt

Früher war alles besser. Das meinen auch die Wähler und machen die CSV und die LSAP zu den Gewinnern der Wahl. Eine „Große Koalition“, wie es sie schon so oft gab, wenn auch um einiges größer, ist in diesen unsicheren Zeiten die einzige gangbare Option. Der sozialistische Traum vom Premierposten ist zwar ausgeträumt. Doch die LSAP nimmt erneut die ihr so vertraute Rolle des Juniorpartners ein.

Luc Frieden wird Premier, muss aber einige programmatische Kröten schlucken. Paulette Lenert wird Vize-Premier sowie Ministerin für Wirtschaft, Wohnungsbau und die administrative Vereinfachung. Die LSAP-Spitzenkandidatin hätte auch Anspruch auf das Außenministerium erheben können. Doch Jean Asselborn veranstaltet ein Sit-in auf der Remicher Grenzbrücke und fleht Lenert im „Deutschlandfunk“-Interview an: „Bitte Paulette, tu mir das nicht an! Das entspricht doch nicht deinem Stil!“

Somit darf Jean Asselborn weiterhin als dienstältester Außenminister der Milchstraße den Freunden von gestern und Autokraten von morgen die moralischen Leviten lesen. Dann sitzt er auch nicht gelangweilt im Ministerrat und muss sich mit schnöden innenpolitischen Problemen herumplagen.

„Nicht regieren ist auch keine Lösung“: Laut Jean Asselborn ist Jean Asselborn als Außenminister auch in einer nächsten Regierung unverzichtbar. (Foto: EU 2021)

Der Wohnungsbau ist derweil nun endlich Chefinnensache und Paulette Lenert kann dabei auch gleich ihrer großen Passion, der „Simplification administrative“, frönen. Quasi mit einem Federstrich im Koalitionsvertrag beseitigt sie die jahrzehntealten, verkrusteten Prozeduren. Die große Wohnungsbauoffensive der öffentlichen Hand kann kommen, aber nur mit der ehrenvollen Unterstützung von einigen ausgewählten Privatunternehmen. Ex-LSAP-Minister Lucien Lux ruft seinen Kumpel Flav an, um ein bisschen über Fußball zu tratschen. Und auch einige CSV-Politiker erinnern sich an fruchtbare Gespräche bei einem Abendessen bei Marc Giorgetti.

Die von der LSAP geforderte Arbeitszeitverkürzung ist in den Verhandlungen mit Luc Frieden schnell vom Tisch. Stattdessen schlagen die Sozialisten aber immerhin zwei weitere Urlaubstage für das arbeitende Volk heraus sowie einen zusätzlichen Feiertag: den „#LetzFeier“, der künftig am 29. Januar, dem Geburtstag von Etienne Schneider, begangen wird.

Zufrieden kann die CSV in puncto Gesundheitsversorgung sein, auch wenn Claude Wiseler nicht Gesundheitsminister wird. Das wird kein Geringerer als Etienne Schneider himself, den die LSAP zurück in die Regierung beruft. Der einstige Vizepremier will auf einmal doch sein altes Leben zurück. Die Sozialisten vertrauen ihrem Macher, weil das früher schon so gut geklappt hat.

Etienne Schneider dankt es ihnen, indem er das Gesundheitswesen noch weiter privatisiert, als es sich die CSV je getraut hätte. Ein IRM in jeder Gemeinde und auf dem Mond, lautet das ambitionierte Ziel. Auch hier helfen natürlich die guten Kontakte von Lucien Lux. Claude Wiseler seinerseits wird Parlamentspräsident und kann nun regelmäßig vor einem gut gefüllten Auditorium dozieren. Dies unter dem wachsamen Auge eines Gemäldes von Fernand Etgen, der als durchsetzungsfähigster Chamber-Chef aller Zeiten in die Geschichte eingeht.

Etienne Schneider, oder wie ihn Paulette Lenert gerne nennt, „das asoziale Gewissen der LSAP“, darf bei der Neuauflage von Schwarz-Rot natürlich nicht fehlen. (Foto: SIP/Luc Deflorenne)

Abstriche muss die CSV hingegen bei ihrer „Herdprämie“ und bei der „Comparution immédiate“ machen. Die einstige Richterin Paulette Lenert bleibt hier knallhart, da konnte sich der neue Justizminister Léon Gloden auch noch so dagegen sträuben.

Apropos sträuben: Trotz seines erbitterten Widerstands wird Franz Fayot auf einstimmigen Beschluss eines LSAP-Parteitags hin Innenminister. Seine Parteifreunde finden: Etwas weniger reisen würde ihm und auch der Staatskasse sicher gut tun. Und tatsächlich: Allein durch diesen geschickten Schachzug bleibt künftig genügend „Sputt“, um die große schwarz-rote Steuerreform zu finanzieren.

„Dat ass penibel“, meint dennoch der Betroffene und ertränkt seinen Schock mit einem letzten, von Steuergeldern bezahlten Brunello. Claude Haagen kann darüber nur schmunzeln. Als neuer Verteidigungsminister hat er mit einem beherzten „Et geet elo duer“ angekündigt, den Ukrainekrieg höchst persönlich zu beenden. Wie genau er das machen will, da muss er sich noch mit den NATO-Partnern beraten. Praktischerweise wurde gerade erst sein Vorgänger François Bausch zum neuen NATO-Generalsekretär ernannt, der jegliche Waffentransporte ins Kriegsgebiet künftig kostenlos zur Verfügung stellt.


3. Five more years

Niemand wollte es so richtig, nun war es doch wieder so weit: DP, LSAP und Déi Gréng kommen auf 31 Sitze und „si maachen et“, wie Luc Frieden am Wahlabend ernüchtert ins RTL-Mikrofon murmelte. Was er nicht sagte: Er schaffte es, der CSV ein noch schlechteres Resultat als 2018 zu bescheren. Frank Engel veröffentlicht auf Facebook ein wackliges, selbst gefilmtes Video, in dem sich der frühere Parteichef der Christsozialen drei Minuten lang kaputtlacht.

In der „RTL“-Elefantenrunde schweigen Paulette Lenert und Xavier Bettel – mit zehn bzw. zwölf Sitzen sind LSAP und DP nicht gerade in Feierlaune. Nur Sam Tanson grinst wie ein Teller hellgrüner „Kniddelen“ – alle, die keine CSV wollten, wählten Déi Gréng und sorgten für die Riesenüberraschung des Wahlabends.

„Sou Kanner, da maache mer einfach weider wéi bis elo“: Xavier Bettel kompiliert fortan die besten Hits der frühen blau-rot-grünen Jahre. (Foto: Christian Peckels)

Lydie Polfer verbrennt später aus Protest ihre Handtasche auf dem „Knuedler“. Die andere „Iron Lady“ – aka Paulette – hat nämlich ihren Traum von Schnellgerichten und Gemeindepolizei gekillt. Dafür darf aber Claude Meisch Finanzminister werden. Er gibt sich fünf Jahre, um ein Konzept für eine Steuerreform auszuarbeiten, die dann – je nachdem – eventuell ab 2028 oder 2033 umgesetzt werden könnte. „Und was wird aus mir?“, fragt Yuriko Backes in die DP-Runde. „Du wirst die erste Parlamentspräsidentin. Das willst du ja immer – die erste Frau sein“, meint Xav. „Aber …“, will Yuriko einwerfen. „Jetzt nerv nicht schon wieder mit Fakten“, beendet „Minister“ Marc Hansen die Diskussion.

Der Koalitionsvertrag ist in Rekordzeit ausgehandelt. Eine erste Version ist denn auch eine akkurate Kopie des Programms von 2018, das Xavier Bettel noch in der Wahlnacht, kurz vor Mitternacht, in mühevollster Kleinarbeit zusammen „kompiliert“ hat. „Wir sind sowieso mit allem einverstanden“, sagt Sam Tanson am ersten Verhandlungstag. Die Grünen setzen durch, dass ein dauerhafter Tankrabatt eingeführt wird, ergänzt durch eine Beihilfe von 20.000 Euro für ein Elektroauto pro Haushalt. Die Cannabis-Legalisierung und die Individualisierung haben es auch wieder ins Regierungsprogramm geschafft. „Diese Regierung steht zu ihrem Wort. Bis dahin kann es halt nur mal zehn bis 20 Jahre dauern“, sagt Langzeitpremier Xavier Bettel später in einem Interview.

Die CSV spricht ihrerseits nur noch von der „Eritrea-Koalition“. Es herrsche Chaos im Land. Vor allem die von Blau-Rot-Grün eingesetzte Arbeitsgruppe zur Analyse einer neuen Vermögenssteuer ist dem Verlierer der konservativen Herzen ein Dorn im Auge. „Das ist der falsche Weg. Ich bin dann mal weg“, meint #Luc. Mit letzter Kraft klammert er sich an seinen Parlamentsstuhl, jobbt aber nebenher im Vorstand der neu gegründeten Agentur für auswanderungswillige Baulöwen und Millionen-Erben.


4. Ein Stil wird Premier

Paulette ist am Ziel. Ihr Stil hat tatsächlich den Unterschied gemacht und ihrer LSAP phänomenale 15 Sitze beschert. Alle sind sich einig: Bei diesem Resultat führt kein Weg an der LSAP-Spitzenkandidatin als erste Premierministerin vorbei.

Naja, sagen wir fast alle. Premierminister Xavier Bettel zeigt sich am Wahlabend in der Elefantenrunde nicht so überzeugt. Als „RTL“-Journalistin Caroline Mart ihn nach seiner Rolle in einer LSAP-geführten Koalition fragt, platzt dem sonst so jovialen Xav der Kragen: „Ist doch klar, Frau Mart. Ich meine, Ihr intellektuelles Problem in allen Ehren. Aber ich sage Ihnen: Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel … ähm … Frau Lenert einginge, in dem sie sagt, sie möchte Premierministerin werden?! Ich meine, wir müssen die Kirche doch auch mal im Dorf lassen …“

Schon kurze Zeit später führt der Ausschnitt in den sozialen Medien mit dem Hashtag „Xav-Gate“ zum Shitstorm. Die Jugendparteien von LSAP und Grünen werfen Xavier Bettel in einer gemeinsamen Stellungnahme eine „toxische Mischung aus Sexismus und Arroganz der Macht“ vor. Am Morgen stellt sich der Gatte des Premiers, Gauthier Destenay, vor die Presse, um sich für das Verhalten seines Mannes zu entschuldigen. Der TV-Auftritt sei „suboptimal“ gewesen. Sein Mann habe das jetzt auch eingesehen. Man müsse etwas Mitleid mit ihm haben, er hänge halt sehr an seinem Amt.

In der Diskussion über Bettels Gerhard-Schröder-Moment geht indes komplett unter, dass Déi Gréng ebenfalls zu den Wahlsiegern gehören. Wohnungsbauminister Henri Kox wird regelrecht übermannt von seiner Freude, als „RTL“ ihn nach einer ersten Stellungnahme fragt. Er antwortet lediglich: „Blublublub…“, mit dem Zusatz: „A Wopbopaloobop A Lopbamboom.“

„Mol kucken, wat dat gëtt“: Unter der ersten Premierministerin Paulette Nationale werden in der Luxemburger Politik ganz andere Saiten aufgezogen. (Foto: Mike Zenari)

Die Koalitionsverhandlungen gestalten sich dagegen kurz und konstruktiv. Paulette Lenert wird tatsächlich Premier. Yuriko Backes bleibt Finanzministerin. Max Lamberty bzw. Claude Hahn, also „der neue Bursche von den Blauen“, wie Jean Asselborn ihn nennt, wird auch irgendwas. Die Grünen bekommen erneut jene Ministerien, für die die anderen Partien sich zu schade sind. Henri Kox kann sein Glück nicht fassen, während die anderen Minister Henri Kox nicht fassen können.

Xavier Bettel wird schließlich Außenminister. Jean Asselborn wird diese Personalie von seiner Partei per Whatsapp mitgeteilt. „Sorry Jang, mir hunn alles versicht. Zwinkersmiley. Paulette.“ „Mee, wat gëtt dann elo aus mir ??!! Merde alors!!!! Traurig-Wütend-Kotz-Smileys.“ Als ultimative Demütigung bietet Paulette ihrem altgedienten Parteifreund dann noch scherzweise ein „Superministerium“ an: Die Ressorts Großregion, Tourismus und Verbraucherschutz sind in den Verhandlungen in der Tat noch übriggeblieben. „Ok fir dech? Zwinkersmiley. Paulette.“ Asselborns Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Ok… Dajee alt. Maache mer sou. Merci meng Mod…“, so die Antwort von Asselborn.

In der kommenden Woche spricht der frisch vereidigte Luxemburger Minister für die Großregion, Tourismus und die Beziehungen zum Parlament (Paulette hatte sich vertan) im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ über die neuesten Entwicklungen im Ukrainekrieg. Auch in den kommenden Jahren tut Jean Asselborn einfach so, als ob er weiter Außenminister wäre. Irgendwann wirft Xavier Bettel entnervt hin und wechselt als EU-Kommissar für Tourismus, Fischerei und Forschung nach Brüssel. Yuriko Backes, die neue Leaderin der Liberalen, wechselt ins Außenministerium, die Diplomaten atmen auf. Parteifreund, Fernand „Tiger“ Etgen, übernimmt fortan als Finanzminister.


5. Eine „große“ Koalition

Gewonnen und doch verloren. Luc Frieden traut seinen Augen nicht. Die CSV konnte sich nach fünf Jahren noch auf 19 Sitze retten – mehr als #Luc noch zu Beginn der Kampagne erwartete. Doch das mit dem Durchregieren wird leider nichts: LSAP und DP kommen jeweils nur auf zehn Sitze, eine Mehrheit zu zweit ist nicht mehr möglich – Blau-Rot-Grün aber auch nicht, weil die Grünen wie von den Umfragen erwartet komplett absacken.

„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren“, sagte Luc Frieden im engsten Kreis, als sich das Endergebnis bereits abzeichnete. Innerlich sehnte er sich schon nach seinem bequemen Stuhl im Vorstand der Deutschen Bank. Denn er weiß: So eine Regierung mit drei Parteien, das ist des Teufels. Also, wenn er denn mehr als „heiansdo“ an einen Gott und den Teufel glauben würde.

Gegen 1 Uhr treffen sich Luc Frieden, Xavier Bettel und Paulette Lenert in der Wahlnacht in der Bonneweger Wohnung von Corinne Cahen. Eigentlich war die Sache klar: Sollte es für Schwarz-Blau reichen, verzichtet Luc Frieden auf den Premierministerposten – Hauptsache, die CSV ist wieder Teil der Regierung. „Wir hatten einen Deal“, erinnert #Xav #Luc. Weil die Zähler bei Wahlen bekanntlich immer „auf null gesetzt“ werden, habe die DP die Wahl auch nicht verloren, so Bettel. Die Liberalen hätten also genau so viel Anspruch auf den Premierposten wie die CSV, so der menschensüchtige Schlawiner. Paulette Lenert hält sich indes zurück, ihr Auftrag bestand ausschließlich darin, das Außenministerium für Jang zu sichern. Alles Andere wird sich zeigen.

Nach zähen Verhandlungen steht die erste Donezk-Koalition (Schwarz-Blau-Rot, Sie verstehen…) Luxemburgs. Premierminister wird Xavier Bettel – vorerst. Der Posten soll alle anderthalb Jahre zwischen den Parteien wechseln, weil man sich nicht auf einen Chef einigen konnte. Xavier wollte ohnehin danach weiter nach Brüssel und #Luc hat erst in den Koalitionsverhandlungen erfahren, dass der Luxemburger Premier nur läppische 30.000 Euro im Monat verdient. Weit weniger also als auf jenen Posten, von denen er wirklich träumt.

Erst jetzt gibt Luc Frieden auch seiner Partei zu verstehen: Der ganze Wahlkampf war ja schon spannend und so, aber eigentlich will er seine Amtszeit als Überbrückungszeit für einen nächsten Posten in der Privatwirtschaft nutzen. Paulette Lenert übernimmt Anfang 2027 das Ruder des Regierungschefs und darf schließlich das von den Alphamännern verursachte Schlamassel ausbaden.

„De Papp huet seng Mellech ginn“: Das Regieren in einer Dreierkoalition bekommt dem Gottpremier Luc Frieden irgendwie überhaupt nicht. (Foto: Mike Zenari)

Doch auch bei der Besetzung der anderen Regierungsposten taten die drei Parteien sich schwer. In der CSV bestanden folgende stabile Genies und Nachwuchstalente auf einen Posten in der Regierung: Gilles Roth (Energie- und Solarium-Minister), Martine Hansen (Agrarministerin und Dialektbeauftragte), Serge Wilmes (Minister für Wellbeing Economy und die Spielplatz-Bauoffensive), Marc Lies (Minister für Wohnungsbau und beigeordneter Minister für die rücksichtslose Aufklärung kommunaler Korruptionsfälle) und Léon Gloden (Minister für Justiz- und den Schutz der High-Net-Worth-Individuals). Das Ergebnis ist die größte Regierung, die Luxemburg je gesehen hat. Für Laurent Zeimet reichte es trotzdem erneut nicht, um im Südbezirk ins Parlament nachzurücken.

Programmatisch war man sich unter den drei Parteien aber rasch einig. Eine Steuerreform soll kommen, den Zeitpunkt dafür vergaß man allerdings festzulegen. Gleiches gilt für die Arbeitszeitverkürzung von einer Stunde pro Woche ohne Lohnausgleich. „Ich glaube, das ist ein Kompromiss, mit dem jeder gerechnet hat“, meinte Paulette Lenert bei der Vorstellung des Abkommens. Zudem sollen zum Wohl des Wohnungsbaus sämtliche Umweltauflagen fallengelassen werden. „Wir stehen für konsequente Inkonsequenz“, sagte Xavier Bettel während einer Pressekonferenz. Über Details werde er öffentlich nicht diskutieren. „Dann können Sie mich auch nicht dafür kritisieren. Ciao, Äddi“, so der Übergangspremier.

Im Parlament können sich die Parteien auf eine komfortable Mehrheit verlassen. Die Grünen erwachten auf einmal wieder zu Klimaaktivisten und organisierten einen Sit-In mit Greenpeace im Parlament gegen die neue „pragmatische“ Klimapolitik von Schwarz-Blau-Rot. Luc Frieden sah das allerdings gelassen, das Demonstrationsrecht hat er ohnehin schon eingeschränkt, Verbotsparteien wurden verboten und deren Mitglieder umgehend abgeschoben. Das Foto der Massenausweisung postete Neu-Minister Serge Wilmes auf Instagram, versehen mit dem Hashtag: „Och dat ass d’Stad“.


6. Das Land stürzt ins Chaos

So einen Wahlabend hat das Land noch nicht gesehen. Nicht nur in den Parteien und den Medien herrscht blanke Fassungslosigkeit. Die DP verliert massiv und landet nur noch bei fünf Mandaten. Doch Xavier Bettel weigert sich, den Premierposten abzugeben und flieht in seine Pariser Wohnung ins Exil. Die CSV (20 Sitze) sägt Luc Frieden ab, nachdem dieser erfolglos mit Piraten (8 Sitze) und Liberté (3 Sitze) einen Deal einfädeln wollte. Paulette Lenert und ihre bei 10 Sitzen gelandete LSAP blockieren ihrerseits jegliche Verhandlungen, weil – Zitat: „Es ist jetzt so kurz nach Wahlen nicht die Zeit, um mit erhitzten Gemütern über Koalitionen zu debattieren.“ Jeder solle sich erstmal in die Materie einlesen und dann müsse man weiterschauen, so Paulette Lenert.

Auch die Grünen stellen sich quer, nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus Prinzip. „Et ass eben net egal, weens de wiels“, ätzt Spitzenkandidatin Sam Tanson. „Lo kuckt alt, dass dir eens gitt.“ Der neue Süd-Abgeordnete von Déi Lénk, Alija Suljic (aka „al jazeera éislek“) postet seinerseits auf „X“: „Dat ass Demokratie, dir Pisser.“

„Es kann nur Einen geben“: In der größten Staatskrise seit es größenwahnsinnige Gattinnen von Großherzogen gibt, kommt man auf ganz kreative Ideen. (Foto: Mike Zenari)

Daraufhin scheitern sämtliche Sondierungsgespräche. Widerwillig ernennt Großherzogin Maria Teresa – in Abwesenheit ihres Golf spielenden Gatten – Jeannot Waringo zum „Informateur“. Der pensionierte Mann für alle Fälle wirft aber schon nach zwei Tagen das Handtuch. Zu den Gründen sagt er bei RTL nur: „Vergiesst et. Eist Land ass net méi ze retten.“

Am Ende ist der Großherzog so verzweifelt, dass er Sven Clement zum Formateur ernennt. Der Pirat nimmt prompt Fred Keup von der ADR als „Formateur technique“ mit ins Boot. Kurz vor der Sommerpause 2024 wird schließlich eine Minderheitsregierung aus Piraten, ADR, Liberté und Fokus unter Tolerierung der CSV vereidigt. Sven Clement wird Premier- und Digitalisierungsminister, Fred Keup Vize-, Außen- und Geborgenheitsminister, Roy Reding Finanz- und Justizminister, Marc Goergen Minister für Twitter-Rants, Verschwörungstheorien und besondere Aufgaben, Daniel Frères Minister für das Wohl des Tieres, Wohnungsbau und Verbraucherschutz. Frank Engel, der denkbar knapp den Einzug ins Parlament schaffte, wird Minister für Weinbau, Wasserstoff und Lobbyismus. Auf die Besetzung weiterer Ressorts konnte sich die auf „Wuelstand. Traditioun. Fräiheet“ (kurz: WTF) getaufte Koalition nicht einigen.

Nach einigen Monaten Chaos und flehenden Appellen des Finanzplatzes schreitet schließlich Pierre Gramegna ein, denn mittlerweile ist das Land von den Ratingagenturen auf Triple X geratet worden. Luxemburg wird unter Zwangsverwaltung einer Troika aus ESM, IMF und PwC gestellt. Die eigentliche Arbeit in den Ministerien wird von externen Finanzprüfern erledigt, damit bleibt zumindest in einem Punkt alles beim Alten. Dem Großherzoglichen Hof wird sein komplettes Budget gestrichen, der Großherzog kann fortan auf der Plattform „Letzshop“ für Firmenfeiern gemietet werden.

Kurzzeitpremier Sven Clement tritt schließlich zurück mit den Worten: „Egal, Hauptsache mal Premier. Es war mir eine Ehre, das Land in den Abgrund zu regieren.“ Als letzten Ausweg vor dem staatspolitischen Default setzt die Troika einen gewissen Jean-Claude Juncker als technokratischen Alleinherrscher ein. Neuwahlen bleiben bis zum Abschluss der Restrukturierung verboten.

In diesem Sinne wünscht Ihnen die Retrospect-Redaktion ein entspanntes Wochenende und eine glückliche Hand in der Wahlkabine.