Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Talente statt Stimmen und die Piraten sind immer schuld.
Der Aufreger im Osterferienloch war die Reise von fünf Parteien nach Florianopolis in Brasilien. Es lockten Zehntausende Stimmen für die Wahlen im Oktober. Ganz geheuer war die Geschichte den Protagonisten selbst nicht. Das Mini-Wahlkampfevent sollte möglichst ohne mediale Aufmerksamkeit über die Bühne gehen. Es galt das „No-Selfie-Protokoll“.
Doch das „Lëtzebuerger Land“ berichtete über den 10.000-Kilometer-Betriebsausflug und so beklagten die Politiker anschließend einen „Shitstorm“. Total unfair! Dabei ging es vor der Reise wie bei einer Teenagerparty ab: Wenn er geht, dann gehe ich nicht! Ich gehe nur, wenn sie auch geht! Wirklich Lust bei Abflug hatte kaum jemand der Beteiligten. Die DP kam mit dem Premier-Bonus an der Reise vorbei, Déi Lénk stellten wie immer zu viele Fragen.
„Sven hat sein Ticket schon“, war das Argument, das die anderen Parteien überzeugte. Klar, Sven Clement war bereits vor Ort gewesen. Er weiß alles und hat schon alles gesehen. Und die anderen wollten nichts verpassen. Schon gar keine Wählerstimmen. Und Sven war schuld. Das nennt man das Sankt-Florian-Prinzip.
Wählerpotential oder doch nicht
Aber ging es den 500 angereisten „Neo-Luxemburgern“ wirklich um die langweilige Chamber? Darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen. „Es ging nicht um Wählerstimmen“, sagte die LSAP-Kandidatin Liz Braz gegenüber „RTL“. Der Bundesstaat Santa Catarina habe zu 70 Prozent für Jair Bolsonaro gestimmt. Das sei nicht die typische LSAP-Klientel, so ihr unschlagbares Argument. Im diesem Fall ist den Luxemburgern aus Übersee selbst die ADR zu links.
Djuna Bernard rechtfertigte ihre Umweltsünde damit, dass sie dort „internationale Politik“ betrieben habe. Übermütige Parteisoldaten befanden gar, dass das Treffen von Xav mit den Chefs von Apple und Google in Kalifornien noch viel überflüssiger gewesen sei.
Tatsächlich ging es wohl den Hoffmanns und Mannes aus Übersee um viel prosaischere Dinge: Wie kann ich mit meinem Luxemburger Pass Urlaub in Europa machen? Wie bekomme ich einen Job in Luxemburg? Die Politiker entdeckten im fernen Brasilien, dass es gar nicht so einfach ist als Arzt hierzulande arbeiten zu dürfen.
Aber immerhin wollten die Neu-Bürger nicht wissen, wie die jeweilige Partei die Wohnungskrise löst oder etwas gegen die Klimakrise macht. Eine nationalistische Politik entpuppt sich als Talentefabrik – ganz ohne Absicht schuf sich Luxemburg ein Bevölkerungsreservoir von Zehntausenden Menschen.
Ob Liz Braz ihren Gesprächspartnern offenbarte, dass ihr Vater Felix die Luxemburgerli-Fabrik 2017 schloss, ist allerdings nicht überliefert. Nur die Begründung beim Beschluss, das „Recouvrement“ auslaufen zu lassen: „ Il ne s’avère guère opportun d’accorder en grand nombre la nationalité luxembourgeoise et les droits y relatifs à des personnes ne présentant qu’un lien lointain avec le pays.“ Wie kaltherzig!
Eiterblase statt Filterbubble
Nur einer behält bei all dem seine schlechte Laune: „Die Wählerinnen und Wähler wollen Politiker, keine Amateurschauspieler, die ihnen pausenlos auf der Pelle hocken und sie mit ihren sozialen Erlebnissen und Bedürfnissen belästigen“, schrieb sich Frank Engel im „Luxemburger Wort“ in Rage. Andere würden „den dreckigen Finger in die Wunde legen“ – er meint Populisten.
Und tatsächlich vertreiben sich die Kandidaten mit „Dëppefester“ und Selfies die Zeit, bis endlich die Wahlprogramme geschrieben sind und sie wissen, wofür sie stehen. Und nicht, wo sie stehen – klar, „méi no bei dir“.
Aber der Miesepeter Frank im Tweed-Jackett versteht das eben nicht. Wie soll Corinne als warmherzige und sich kümmernde Politikerin rüberkommen, ohne dass sie ihren Hundewelpen auf Insta präsentiert? Eben.
Immer auf die Piraten
Doch auch gegen die Piraten teilt Frank aus: „Kein Mensch braucht Parteien, die konsequent jeden vor Gericht zerren, der ihnen nicht in den Kram passt.“ Das ist aber total unfair, denn den Piraten ging es um die Sache. Also nicht darum, dass die Menschen sich auf die Wahllisten eintragen. Die Piraten sind da auf Altenheime spezialisiert – das ist ganz was anderes.
Nach der gescheiterten Anzeige der Piraten gegen ihre „Tür-zu-Tür“-Kampagne, schossen Déi Lénk scharf zurück. Sie würden dem demokratischen Pluralismus dienen und nicht den „unbegründeten Ambitionen“ eines Parteigranden. Der visierte Sven zeigte sich „angeekelt“ von so viel „Fanatismus“. Was kümmern einen die Jugendsünden wie Anzeigen auf Pornhub, wenn man Außenminister werden will?
Sein Kumpel Marc „Pinky“ Goergen entdeckt nun, dass die Grünen seine Gefühle erwidern und ihn auch nicht mögen. Der grüne Co-Präsident Meris Sehovic sagte Reporter.lu, er schließe eine Koalition mit den Piraten in Esch aus. Als gewiefter Stratege schloss er nur etwas aus, was nicht passieren kann, weil die Piraten dort wahrscheinlich nicht antreten. Pinky war trotzdem beleidigt. Er wollte mit seiner Mufflon-Kampagne doch nur Aufmerksamkeit und Liebe! So wie mit den gekauften Insta-Followern, die er nicht gekauft hat, und mit dem gar nicht peinlichen Kauf eines blauen Hakens bei Twitter.
Der „relaxe“ Papa Frieden
Luc Frieden war dagegen nicht nach Brasilien geflogen. Obwohl er das Schlamassel der „Diaspora“ mit seiner „Recouvrement“-Idee erst als Justizminister angerichtet hatte. Stattdessen betont er nun in Interviews, wie weit er von der Politik weg war und bei seinen Erfahrungen in so kleinen Betrieben wie der BIL, dem „Luxemburger Wort“ oder der Kanzlei EHP das echte Leben kennenlernte.
Er hat also gar nichts damit zu tun, dass seine Kinder sich keine Wohnung in Luxemburg leisten können, wie er „L’Essentiel“ erzählte. Da helfen selbst die Kataris nicht mehr. Gut, er gibt zu, dass die Lage vor 2013 auch kompliziert war – „Gambia“ hätte es aber noch schlimmer gemacht.
Dafür ist #Luc heute „relaxer“ als früher – sagen seine Kinder. Vielleicht vergeht das aber schnell, wenn sie das mit Wohnungsmarkt versus Wachstum über alles mal ausdiskutieren wollen. Aber der nächste Crash kommt bestimmt.