Vor den Gemeindewahlen hält die zweitgrößte Stadt im Land den Atem an: Die politischen Lager stehen sich nach fünfeinhalb Jahren unversöhnlich gegenüber. Nach dem Machtwechsel 2017 droht Esch/Alzette eine Fragmentierung oder eine große Koalition.

„Ich bin nicht nach Belval gezogen, um gewählt zu werden. Ich bin Escher geworden, weil ich es geil hier finde“, sagt Meris Sehovic. Der Co-Präsident von Déi Gréng sitzt bei einem Kaffee im „Kaflokal“, das vom Escher „Centre d’Initiative et de Gestion local“ (CIGL) betrieben wird, ehemalige Arbeitslose beschäftigt und nur lokales Essen und Getränke serviert. Mit dem Personal ist er bereits per Du.

Meris Sehovic ist der einzige Spitzenkandidat der Escher Grünen, der bisher noch kein Gemeinderatsmandat innehat. Seine Mitstreiter Mandy Ragni, Sozialschöffin (2017-2020), Bautenschöffe Martin Kox und die nachgerückte Gemeinderätin Catherine Pastoret sind also im Vorteil. Um das wettzumachen, setzt der „Neu-Escher“ auf Präsenz. Keine Vernissage oder Jubiläumsfeier, kein „Dëppefest“, bei dem der grüne Politiker fehlt, lästert die Konkurrenz.

Für Meris Sehovic ist der Wahlausgang auch eng mit seinem politischen Schicksal verknüpft. „Wir wollen dafür sorgen, dass niemand eine Koalition ohne uns auf die Beine stellen kann“, legt er sich fest. Das Schlimmste, was Esch passieren könnte, sei eine „große Koalition LSAP-CSV oder umgekehrt“, meint er.

Grüne Stimmen in der Waagschale

Ob die Grünen wie 2017 noch einmal die Königsmacher in Esch sein werden, ist nur eine der vielen Fragen, die vor den Wahlen offenstehen. Die regierende LSAP verlor damals drei Sitze und die CSV gewann zwei hinzu. Für eine rot-rot-grüne Koalition hätte es dennoch gereicht. Es waren die Grünen, die sich gegen eine linke Koalition in Esch entschieden und der CSV und der DP somit den Weg in den Schöffenrat ebneten.

„Soweit ich weiß, funktionierte es auf persönlicher Ebene nicht mehr zwischen einzelnen Sozialisten und Grünen“, erklärt Meris Sehovic die damalige Absage an die Sozialisten und Déi Lénk. Für 2023 könne er sich aber vorstellen, mit jeder Partei eine Koalition einzugehen – außer mit der ADR und den Piraten. „Deren politischer Stil steht im Widerspruch zu all meinen Werten“, so der Spitzenkandidat. Beide Parteien haben bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Listen für Esch vorgestellt. Nur die KPL hat noch angekündigt anzutreten.

Wenn wir in fünfeinhalb Jahren alle Probleme gelöst hätten, wäre es ja auch langweilig.“Bürgermeister Georges Mischo (CSV) 

Die Escher Grünen würden mit „breiter Brust“ in die Wahlen ziehen, denn sie könnten sich auf eine gute Bilanz verlassen, betont Meris Sehovic. Erwartungsgemäß sehen Déi Lénk das ein bisschen anders. Wir treffen die Gemeinderätin Line Wies und den Ex-Gemeinderat Marc Baum in der Gaststätte „Interview“ in der Hauptstadt. Line Wies arbeitet im parlamentarischen Büro der Partei, der Schauspieler Marc Baum hat dort am Theater zu tun.

„Die aktuelle Koalition steht für Stillstand“ meinen beide. Dabei seien diese Parteien angetreten, um alles schneller und besser zu machen. Doch sie hätten das Gegenteil erreicht …