Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: ein Engel im Unglück und eine virale Selfie-Kampagne.

Na, was war denn da los bei der CSV? Ein Parteichef lässt seinen politischen Fantasien freien Lauf und wird von der eigenen Partei zurückgepfiffen. In einer Pressemitteilung, die exakt zwei Sätze enthielt, betonte die „CSV“, dass das, was ihr Chef an Ideen vertritt, nicht mit dem eigenen Wahlprogramm vereinbar ist. Klingt äußerst komisch, ist aber genau so passiert.

Dabei hatte Frank Engel doch nur gefordert, dass die Christsozialen ihr komplettes Programm über Bord werfen. Den Reichtum im Land stärker besteuern, ja den Wohlhabenden und ihrem Vermögen „nachlaufen“, wollte Frank Engel diese Woche. Nur blöd, dass da kein Parteifreund so recht mitlaufen wollte.

Sozialistische Schadenfreude

Für die politischen Gegner ist die Selbstzerfleischung der CSV natürlich ein gefundenes Fressen. Vor allem LSAP-Politiker amüsierten sich diese Woche über das Schicksal des Parteichefs, der sich in der Parteiideologie geirrt hatte. Und in der Tat: Ein Politiker, der mehr soziale Gerechtigkeit will und dazu konkrete Maßnahmen vorschlägt: Nichts ist für Luxemburger Sozialisten absurder und lächerlicher. #LOL

Auch das „Tageblatt“ konnte nicht anders, als über den „roten Engel“ zu scherzen. Falls das mit der reaktionär-humorlosen CSV nichts mehr wird, könnte Frank Engel ja vor den nächsten Wahlen noch bei „Déi Lénk“ anheuern, so die rote Tageszeitung, die laut „Land“ aus Kostengründen ihre altehrwürdige Zentrale an der Escher Kanalstraße verkauft hat und bald in ein Einkaufszentrum nach Belval ziehen wird. #LOL #NOT

Kersch spricht Engel Mut zu

Nur Dan Kersch konnte sich die Schadenfreude verkneifen und stimmte via Facebook ungewöhnlich verständnisvolle Töne an. Man müsse dem CSV-Chef mit seinem Vorschlag, große Vermögen stärker zu besteuern, „Courage“ zugestehen, schrieb der Vize-Premier in einem Post, der sich fast wie ein politisches Asylangebot für den von der CSV desavouierten Herz-Jesu-Sozialisten liest.

Die LSAP stehe einer „gesellschaftlichen Diskussion“ über Engels Forderungen offen gegenüber, so Kersch weiter. Und in der Tat: Als Partei, die seit 16 Jahren ununterbrochen regiert, die Abschaffung der Vermögensteuer, die Verhinderung einer Finanztransaktionssteuer und die Schaffung diverser Steuernischen mitverantwortet hat, bleibt einem bekanntlich nichts anderes übrig als eine „gesellschaftliche Diskussion“ über diese Dinge zu führen. Solche Maßnahmen in Koalitionsverhandlungen oder am Kabinettstisch vorzuschlagen, kommt nicht in die sozialistische Tüte. Sozialistische Politik mit sozialistischen Forderungen? Wo kämen wir denn da hin!

Luxemburg sucht den Super-Jang

Mitten im Sommerloch setzen Luxemburgs Politiker aber nicht nur ihre eigenen Karrieren aufs Spiel, sie starten auch virale Kampagnen im Netz. So häufen sich in den vergangenen Tagen die Bilder von Politikern auf Fahrrädern mit Selfie-Pose. Das Ganze begann relativ harmlos, doch es wuchs sich zum wahren Wettbewerb aus: Luxemburg sucht den Super-Jang (LSDSJ)!

Nach dem Motto: Wer wird der nächste „most famous“ Luxemburger? Mit Dauerkarte im Deutschlandfunk und bei „Madame“ Maischberger? Klar, der echte Super-Jang ist noch in Topform und macht vom Mont Ventoux aus wichtige „Weltpolitik“. Aber ein Land wie Luxemburg muss bekanntlich langfristig denken und seine Talente hegen und pflegen.

Die Kandidaten bringen sich allerdings mäßig dezent in Stellung. Sicher im Recall ist Paul Galles: Mit seinem Giro d’Italia beweist er wesentliche politische Fähigkeiten wie etwa Inszenierungsqualitäten. Die Selfie-Dichte stimmt auch. Nur sein unauffälliges Mountainbike riecht zu sehr nach Herz-Jesu-Sozialismus à la Frank Engel. Echte Sozialisten wie Jean Asselborn fahren italienische Edel-Rennräder aus Karbon.

Recall für Galles, Empain muss zittern

Der Europaabgeordnete Christophe Hansen kommt der Sache schon näher. Der Streber hat das Konzept von LSDSJ aber nicht ganz verstanden. Es gilt sich mit dem Rad als nahbarer Politiker zu inszenieren, man soll nicht gleich Profi-Fahrer werden. Schließlich sieht man Asselborn auch mehr neben seinem Rennrad als darauf. Hansens erstes semi-professionelles Radrennen ging in den letzten Woche eher durchschnittlich aus. Dennoch liegt er im LSDSJ-Rennen knapp hinter Galles.

Stéphanie Empain – die grüne „Ceta“-Queen – versucht dagegen einen schwierigen Ansatz: Sie will sich mit Wandern als Außenpolitikerin profilieren. Dazu hat sie extra die grüne Instagrammerin-in-Chief Djuna Bernard und Haarschnitt-Influencer François Benoy in den „wilden Westen“ geholt. Das Problem: Wandern ist ziemlich uncool und vom Superjang nicht als PR-Disziplin genehmigt. Die LSDSJ-Jury sagt: Es wird knapp.

Aber Stéphanie Empain hat einen Trumpf: Die grünen Kumpels schenkten ihr die DVD von „Foreign Affairs“ – dem ultimativen Guide, wie man ein Superjang wird. Mit Widmung vom Superhelden und Star des Films persönlich! Sie wird nun lernen können, wie man einen Rasenmäher startet („Loudervéih“) und was der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten ist. (Ups, Spoiler-Alarm…)

Eventuell vielleicht kein Risikogebiet

Asselborn ist aber auch ein Guter. Nicht nur beglückt er Journalisten (ungefragt) mit einem ausführlichen PDF über seine „Tour de France“ auf dem Rad, wie Luxemburgs Pop-Politik-Laber-Podcast Nr. 1 „Ham, Fritten an Zaldot“ diese Woche meldete. Nein, er hilft den Medien im Sommerloch noch viel mehr. Erst meldete der beste Außenminister aller Zeiten, dass Berlin nun beschlossen habe, dass Luxemburg kein Corona-Risikogebiet mehr sei. Natürlich war das nur mit Asselborns Blut, Schweiß und Tränen möglich.

Dann stellte sich aber heraus, dass das Robert-Koch-Institut seine Liste noch nicht aktualisiert hatte. Dann brauchte es noch länger, bis Asselborns Wundertat die Bundesländer erreichte. Und schließlich gilt noch immer Quarantäne für Rückkehrer aus Luxemburg. Das macht vier bis fünf Artikel plus drei Leitartikel – die Woche war für die Journalisten gerettet. Plus natürlich Ausflug nach Trier, um vor Ort den Puls der Luxemburger Shopper zu fühlen.

Wir lernen: Es gibt nur einen Superjang. Und Politik machen sollte man in Luxemburg am besten wie die nachweislichen Erfolgsmodelle. Lieber nicht zu viel Inhalte preisgeben, sonst wird man von der eigenen Partei abgeschossen und von den Sozen ausgelacht. Lieber nichts sagen und stattdessen dauerhaft den Anschein erwecken, dass man irgendetwas zu sagen hätte. Nur so wird man zum Polit-Gipfelstürmer.