Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein Sequel, das keiner wirklich sehen will.

Es ist eines der großen Comebacks des Jahres: #BléifDoheem. Zumindest ein bisschen, also zwischen 23 und 6 Uhr. Noch ist es zwar nicht amtlich, aber der nächtliche Lockdown soll kommen. Es ist fast so wie vor einem halben Jahr: Das ganze Land schaut Paulette Lenert im Livestream. Alle Augen auf die Kurve, die abgeflacht werden muss. Nur das Wetter könnte besser sein.

Doch wie bei so vielen Fortsetzungen, reicht auch das Sequel von #BléifDoheem nicht an das Original heran. Das liegt vor allem daran, dass es keiner so richtig ernst meint. Die Bürger, die bekanntlich alle „Teil des Problems“ sind. Und auch die Regierung nicht: Zuhause bleiben, wenn es dunkel ist, heißt die neue Devise. Nur noch zu viert ins Restaurant. Home Office, wenn es geht. Die Großeltern nicht besuchen, zumindest das müsste doch wieder möglich sein.

Die politische Führung wollte das alles so lange wie möglich hinauszögern. Am letzten Wochenende hieß es noch: Keine Panik, alles im Griff. Am Mittwoch sagte die Ministerin dann, dass es zu früh für neue Maßnahmen sei. Die Bürger müssten schon selber wissen, was zu tun ist…

Screenshot: Facebook

Anscheinend hat der diffuse kollektive „Effort“ dann aber doch nicht ausgereicht. Am Freitag kündigte die Regierung an, dass „vier das neue zehn“ ist. Die Kontakte müssen wieder von zehn auf maximal vier reduziert werden, ab 23 Uhr gilt eine Ausgangssperre und große Sportveranstaltungen werden abgesagt. Außer die „semi-professionelle“ BGL-Ligue mit ihren vier Zuschauern, versteht sich.

Auf die Frage, ob man angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen nicht früher hätte handeln müssen, sagte Paulette Lenert übrigens: „Das sehe ich wirklich nicht so.“ Man könne doch erst handeln und neue Maßnahmen rechtfertigen, wenn sich die Lage nachweislich verschlechtert hat. Denn schon Donald Trump wusste: Vorausschauende Politik ist nur was für Loser.

Paulette „Sokrates“ Lenert sagte aber auch: „Die Lage hätte sich auch anders entwickeln können.“ Und in der Tat: Man kann die Pandemie auch philosophisch eindämmen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Und erst wenn ich etwas weiß, überlege ich mir, ob ich in einer Woche handeln soll.

#Weltklasse

#BléifDoheem kann also noch warten. Das inoffizielle Motto lautet denn auch eher #EtWäertSchoGoen. Die Situation ist alarmierend, aber irgendwie doch nicht alarmierend genug, schlängelten sich die Gesundheitsministerin und der Premier diese Woche durch die kritischen Fragen der JournalistInnen. Man habe die Lage genau im Blick.

Bis zuletzt glaubte man auch, dass das Großherzogtum eine Insel im großen Corona-Meer sei. Man gehe sehr, ja wirklich komplett anders vor als die übrigen Länder, versicherten die Minister. Denn Luxemburg orientiere sich nicht nur an Infektionszahlen, sondern an mehreren Faktoren, sagte Paulette „Nationale“ – noch so ein Sequel, dessen Produktion in den Startlöchern steht.

Genau so sehen wir es auch: Luxemburg hat eben alle Daten im Blick. Infektionen, Altersdurchschnitt, Krankenhausaufenthalte, Intensivbehandlungen, und, und, und. Dagegen geben sich unsere deutschen, belgischen und französischen Nachbarn bekanntlich nur mit einer einzigen Zahl ab und verfallen deshalb gleich schon in Panik. Lächerlich!

Wir finden: Es wurde Zeit, die Wahrheit auszusprechen. Unsere Nachbarn sind nicht nur mit der Pandemie überfordert, sondern geradezu rückständig. Sie können mit der ebenso anspruchsvollen wie hochentwickelten Luxemburger Spezies einfach nicht mithalten. Das war auch schon beim Gratis-Transport so. Zur Strafe rechnen wir einfach die Grenzgänger aus den Infektionszahlen heraus und werben ihnen dann auch noch ihr Pflegepersonal ab. Das hat man eben davon, wenn man keine absolute Weltklasse ist!

#Gerüchteküche

Was auch an die (bisherige) Hochphase der Pandemie erinnert: Jeder ist wieder Virologe und zu starken Meinungen berufen. Lockdown sofort! Nur kein Lockdown! Die Infektionen passieren in der Schule! Nein, in den Kneipen und Restaurants! Nein, auf der Arbeit! Zu Hause! Im Zug! Oder vielleicht überall ein bisschen! Kein Wunder also, dass die sokratisch vorgehende Regierung so lange zögert…

Offensichtlich schlägt die zweite große Welle einigen Hobby-Virologen aber nicht nur aufs Gemüt. Das Virus scheint auch die Fähigkeit zum rationalen Denken (und Twittern) zu beeinträchtigen. Seien es freiberufliche Sorgenträger, Gerüchteköche, latente Panikmacher und Lockdown-Fans, Corona-Leugner und -Beschwichtiger, sie sind alle wieder da.

Wir können Sie an dieser Stelle beruhigen: Auch wenn man sich nicht spontan einer Extremmeinung zugehörig fühlt, kann man dennoch mitreden. Wie wäre es zum Beispiel damit, einfach mal Gerüchte in die Welt zu setzen und zu fragen, ob da etwas dran ist? Das dachte sich jedenfalls ein Mitarbeiter des bekannten Umfrageinstituts „TNS Rumeurs“, als er auf Twitter die Diskussion mit einer höchst professionellen Umfrage anzuregen versuchte…

Screenshot: Twitter.com

#LetsGoogleIt

Doch nicht nur die Klatsch-und-Tratsch-Demoskopie hat es schwer. Auch Wirtschaftsminister sein, ist zurzeit nicht ganz einfach. Zuerst springt Knauf ab und nun auch noch Fage (sprich: Fayyéee). Es wird also höchste Zeit für eine neue Standortpolitik, findet zumindest Amtsinhaber Franz Fayot.

Eine neue Strategie muss her. Denn es liegt bekanntlich nicht am Dilettantismus der Politik. „Vorreiter sein“, „Innovation“ und weitere Schlagwörter braucht das Land. Im Ministerium wird bereits hart geackert und recherchiert. Den ersten Schritt hat der Minister höchst persönlich unternommen.

Ganz stolz verkündete er in den sozialen Medien seine Google-Recherche nach: „diversification économique luxembourg“. Gleich danach, so verlautet es aus höchst internen Diversifikationskreisen, verschickte er an seine Beamte den Wikipedia-Artikel über die „Économie du Luxembourg“. Sicher ist sicher.

Screenshot: Twitter.com

Jetzt kann also rein gar nichts mehr schiefgehen. Dafür hat natürlich auch der Gemeinderat von Bissen gesorgt, der dem Teilbebauungsplan seine Zustimmung gab. Was das jetzt konkret bedeutet? Warten Sie, wir googeln noch schnell… „PAP Bissen Luxembourg“…

Vielleicht könnte das mit dem Google-Datacenter also noch was werden. Also wenn keine Umweltbestimmungen im Weg stehen oder Bürgerinitiativen oder sonst was. Es ist wohl dann doch nur eine Googlesuche „Auf gut Glück!“.

#StayPositive

Apropos pures Glück: Welche Frage wollten Sie der Hofmarschallin schon immer einmal stellen? Das „Tageblatt“ hat sich diese Woche exklusiv über das erkundigt, was Sie schon immer wissen wollten. Endlich weiß ganz Luxemburg, dass das Lieblingswort von Yuriko Backes „Positivität“ ist. Äußerst passend in einer Pandemie, wie wir finden. Doch natürlich spricht sich die Hofmarschallin damit nicht für eine royale Herdenimmunität aus. Nein, „Positivität“ soll die mentale Leitlinie sein, um den großherzoglichen Hof zu modernisieren.

Wurde der Großherzog nach dem Waringo-Bericht nicht sukzessive entmachtet? Hat der Premier nicht die komplette Kontrolle über den Hof übernommen? „Das Wohlbefinden auf der Arbeit ist mir wichtig“, sagt die Hofmarschallin. Und: „Ich sehe hier absolut keine Entmachtung des Großherzogs.“ Bei so viel Positivität muss sogar das sonst so kritisch nachhakende „Tageblatt“ erst mal die Waffen strecken. Follow-up-Frage: „Okay.“

#Okay wäre denn auch ein gutes Kompromiss-Motto für die neue Phase der Pandemiebekämpfung. Denn für #BleifDoheem ist es laut der Regierung ja noch zu früh. Und für den Leitspruch der endmodernisierten Luxemburger Monarchie – #StayPositive – ist ehrlich gesagt auch noch nach der Coronavirus-Pandemie Zeit.