Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Ganz dicke Demokratiefreunde und ein kontroverses Bettelverbot.

„Haut während dem Orientéirungsdébat iwwer Biergerbedeelegung zu Lëtzebuerg hunn ech an der @ChambreLux betount, dass d’Demokratie do ass fir d’Bierger a Biergerinnen“, zwitscherte Xavier Bettel diese Woche voller demokratischer Heiterkeit. Wie man es vom Premier gewohnt ist, spricht er gerne Klartext und begnügt sich nicht mit absoluten Banalitäten. „Die Demokratie ist für die Bürger da“, ist jedoch nicht die letzte Bettel-Weisheit. Zudem sei Essen zur Nahrungsaufnahme gedacht, Beine zum Laufen und Feuer zum Brennen, so der Premier weiter. Und in der Politik geht es anscheinend ums Politikmachen. #BettelTruths

Im Parlament wimmelt es aber nicht nur von Floskelvirtuosen, sondern auch von echten Freunden der direkten Bürgerbeteiligung. Nur in einem Punkt sind sich alle lupenreinen Krautmarkt-Demokraten einig: Die Demokratie ist zwar für die Bürger und Bürgerinnen da. Das darf aber nicht so weit gehen, dass diese Bürger und Bürgerinnen am Ende selbst entscheiden. Wo kämen wir denn hin, wenn in einer Herrschaft des Volkes am Ende noch das Volk herrscht?! #OhSemanticSnap

Demokratie ist nur ein Gefühl

Man merke also: In jeder guten Demokratie kommt es auf den Anschein an. Oder wie es der Premier in der Chamber formulierte: „Es tut den Bürgern gut, zu wissen, dass sie zumindest Gehör finden.“ Auch wir finden: Demokratie ist eindeutig Gefühlssache. So wie die 100 Teilnehmer des Klimabiergerrot, die mit einem überaus wohltuenden Bauchgefühl durch die Welt gehen, seitdem die Regierung ihre Vorschläge als durchaus „sympathisch“ bezeichnete, aber nichts an ihrer Politik ändern will.

In der Debatte diese Woche wurde denn auch klar: Als Politiker kann man nicht zu oft betonen, dass einem die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen am Herzen liegen. Dass man ihnen zuhört (LSAP), total auf Transparenz steht (Déi Gréng), lästige Prozeduren vereinfachen will (DP) und den meistens intellektuell überforderten Bürgern zur Not „een einfache Resumé“ von der komplexen Politik präsentiert (CSV). Zu guter Letzt sollte man offen für Referenden sein, weil man ja sowieso nicht regieren will (Déi Lénk) oder sie eben nur dann super dufte finden, wenn es einem selbst in den Kram passt (ADR). Und wenn das alles nichts hilft, kann man dem undankbaren Pöbel einfach am Ende vorwerfen, dass er das edle Angebot der Politik zur Beteiligung nicht genug nutzten. #SelwerSchold

Das Parlament macht ernst

Wie es sich für eine leistungsstarke Demokratie wie in Luxemburg gehört, sonnen sich aber nicht nur die Bürger und Bürgerinnen in ihrer wohltuenden Machtlosigkeit. Auch das Parlament hält sich traditionell mit Entscheidungen zurück, die die Regierung bei ihrer Politik irgendwie stören könnten.

Eine Ausnahme gab es jedoch diese Woche nach der Debatte über die Bürgerbeteiligung. Denn dort machten die Parteien ernst und verständigten sich auf die Nuklearoption der parlamentarischen Maßnahmen: eine Motion des Grünen-Abgeordneten François Benoy, in der die Regierung höflich dazu eingeladen wird, die unterschiedlichen Instrumente der Bürgerbeteiligung zu „analysieren“, zu „studieren“ und zu „evaluieren“. #Bam! In your face, all ihr Politikverdrossenen!

Wenn es um Demokratie geht, verstehen Déi Gréng eben keinen Spaß. Auch die anderen Abgeordneten gingen dem Vernehmen nach später mit einem guten Gefühl nach Hause. Was aus den angekündigten Prüfungen und Analysen wurde, erfahren Sie dann wohl irgendwann auf dem Twitteraccount des Premiers. Der Tweet ist jedenfalls schon vorbereitet: „Analysen sind dafür da, Dinge zu analysieren.“

Xav raus aus der Stadt

Ein ganz anderes Demokratieverständnis haben die Parteikollegen von Xav und die CSV in der Hauptstadt. Der Premier soll bald keinen Zutritt mehr zur Hauptstadt haben. Man setze sich für ein „Bettelverbot“ ein, heißt es vom Schöffenrat. Dabei handelte es sich aber um eine schlichte Kommunikationspanne. Natürlich sollte es nicht ein Bettelverbot, sondern ein Armenverbot sein. Chefdemokrat Xav ist von der Regelung also ausgenommen.

Ach, wie schön ist unsere Hauptstadt. Geschäftsstraßen, in denen sich Luxusläden, Leerstand und schicke Betonwüsten die Hand geben, und in denen stets ein SUV-freundlicher Zugang zu den Fußgängerzonen gewährleistet ist. Diese Idylle wird allerdings seit Jahren bedroht. Böse „Bettlerbanden“ erlauben es sich doch tatsächlich, um Geld zu bitten, und das in aller Öffentlichkeit. Dabei hat man ja nach dem Rolex-Kauf gar nichts mehr über! Diese Belästigungen müssen nun endlich aufhören, findet Iron Lydie. Und auch ihr adretter Adlatus, Serge „Och dat ass d’Stad“ Wilmes, stimmt in das Lied der endlich wiederherzustellenden Stadthygiene mit ein.

Das Problem ist in der Tat akut. Denn seit 1982 ist bekannt, dass diese Banden am liebsten kurz vor den Kommunalwahlen in Erscheinung treten. Die Gemeindeverantwortlichen müssen also alle sechs Jahre so tun, als ob sie schnell und resolut handeln.

Deshalb haben sie auch schon einen genialen Plan: Die Polizei soll die Identität der Bettler feststellen und einen Bußgeldbescheid an ihre Adresse schicken. Der Haken ist nur, diese Maßnahme funktioniert nur für institutionelle Bettler, wie etwa Crédit Suisse oder ArcelorMittal. Für die anderen gilt: Ohne Wohnsitz kann man auch schlecht eine Strafe erhalten. Deshalb solle man „diese Frage gemeinsam der Justiz und Polizei stellen“, so die Bürgermeisterin. Mal schnell ein neues Reglement schreiben, das in der Praxis keine Wirkung zeigt, aber den Wählern zeigen soll, dass man irgendetwas macht: So geht erfolgreiche Kommunalpolitik. Die Masche hat immerhin schon fünf Mal geklappt, warum also nicht ein sechstes Mal, denkt sich die jung gebliebene Ortsvorsteherin.

Mars mal ganz privat

In der LSAP ist das Interesse an den Kommunalwahlen vergleichsweise gering. Die altgedienten Bürgermeister müssen nun für Homestories herhalten. Den Anfang macht der Rapporteur für alle Ausnahmezustandsfälle, Mars di Bartolomeo. Das total authentische Video „Doheem beim Mars“ hat die LSAP wohl absichtlich am Freitagnachmittag veröffentlicht, in der Hoffnung es würde der Retrospect-Redaktion nicht auffallen. Tja, dumm gelaufen.

Vier, nimmer endende Minuten lang erlaubt der junge Nachwuchspolitiker aus Dudetown einen unfassbar authentischen und definitiv nicht eingeübten Einblick in sein Zuhause. Dort zeigte Mars auch wie er mit dem Parlamentspräsidenten Fernand „Tiger“ Etgen verfährt …


Aber man erfährt auch echt wertvolle Insidestorys über das Leben des Forrest-Gump- und Harry-Potter-Fans. Etwa, dass er so oft schwimmen geht „wéi et Sprangstonne gëtt“ und, dass er hoffentlich auch für andere Dinge bekannt ist als seine täglichen parlamentarischen Anfragen und frisch gebackenen Wäffelcher.

Aber nun genug aus der knallharten Luxemburger Politikwelt. Oder wie es der Premier ausdrücken würde: Wochenenden sind zum Ausklingen der Woche da.