Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Nasenbrüche und andere Formen der politischen Selbstjustiz.

Das hatten die  – Zitat Lydie Polfer – „guten“ Juristen der hauptstädtischen Gemeindeverwaltung nicht kommen sehen. Da nahm sich Innenministerin Taina Bofferding doch tatsächlich das Recht heraus, das Bettel-Verbot der Law-and-Order-Fetischisten vom „Knuedler“ auf seine Gesetzeskonformität zu prüfen. Und siehe da: Die absolut gar nicht umstrittene Maßnahme verstößt auf gleich mehrfache Weise gegen geltendes Recht und darf demnach nicht umgesetzt werden.

Ein derart dreistes politisches Manöver wollen Iron Lydie und ihre Koalitionäre aus der Partei der Nächstenliebe (aka CSV) der sozialistischen Innenministerin aber nicht so einfach durchgehen lassen. Wo kämen wir denn da hin, wenn mit solch unpopulistischen Themen wie der Bettelei Wahlkampf betrieben würde?! Und das nur, weil mal etwas gegen nationales wie internationales Recht und dann auch noch so was Unwichtiges wie die Menschenrechtskonvention verstößt.

Zum Glück hat „Kleinherzog“ Lydie – Zitat Guy Foetz –  nicht nur gute Juristen im Haus, sie kennt auch noch bessere Rechtsanwälte. Ein solcher – mutmaßlich ein vergreister Wutbürger aus der Groussgaass – wurde nun damit beauftragt, Einspruch gegen die Entscheidung der Ministerin einzulegen. Dass das Honorar des Anwalts am Ende die Spesenabrechnung sprengt, ist nicht anzunehmen. Der bekennende Menschenfreund widmet sich erfahrungsgemäß mit Leidenschaft dem Kampf gegen Bettler und übernimmt den Fall sicherlich pro bono.

Kurzes Adrenalin, lange Wirkung

Apropos unnötige Sicherheitsdebatten: Davon gibt es für Maksymilian Woroszylo nicht genug. Der adrette Rechtsrechtsaußen der Jugendauswahl der ADR durfte im verhassten Mainstream-Medium „RTL“ seine Positionen darlegen. So viel zu Cancel Culture… Mit inhaltlichen Forderungen sparte der nebenberufliche Spaziergänger im Bahnhofsviertel bei seinem Auftritt denn auch nicht. Einbrecher soll man zum Beispiel ungestraft vermöbeln dürfen. „Mir sinn elo op deem Punkt, wann iergendeen bei mir abrëcht, ech briechen him d’Nues, jee nodeem sinn ech dann deen, deen de Prozess gemaach kritt“, so Mad Maks. Falls das mit dem Zuschlagen nicht ausreicht, schlägt die ADRenalin deshalb den Besitz von Waffen im privaten Raum vor.

Tatsächlich hat dies einen wesentlichen Vorteil. Anstatt eventuell vor Gericht zu landen, wenn man zur Selbstjustiz übergeht, ist mit Schusswaffengebrauch ein Prozess garantiert. Der Staatsrat wäre zufrieden, immerhin gäbe es dann keine „Insécurité juridique“ mehr. Eine klare Win-win-Situation. Fälle von häuslicher Gewalt oder Gewalt gegen Minderheiten werden dann ganz sicher auch nicht öfter tödlich enden. Auch Unfälle, bei denen Kinder getötet werden, nehmen nie zu, dafür gibt es absolut gar keine Beweise.

An etwas hat Mad Maks allerdings nicht gedacht: Wer kommt für die Kosten der Schusswaffen auf? Ist das steuerlich absetzbar oder können sie zumindest neben den sechs Gin Tonic und dem Brunello auf eine Spesenabrechnung gesetzt werden? So ganz durchdacht ist die Idee wohl dann noch nicht.

Was der kleine Heng nicht lernt …

Bei den ganzen (Schein-)Debatten über die ausufernde Kriminalität stets vor den Gemeindewahlen ist der Retrospect-Redaktion fast ein kleiner Streich der Polizei entgangen. Während der parlamentarischen Debatte sprach der hauptberufliche Fragensteller Henri Kox nämlich mit Vorliebe von sogenannten „Prëtëkëll“. Den Begriff Protokoll gebe es bei der Polizei nämlich nicht, so der Minister auf Nachfrage. „Prëtëkëll“, dat hunn ech geléiert vun der Police. Si soen all Prëtëkëll. Dat ass esou eng Traditioun an ech hunn dat ugeholl. Ech hunn dat esou geléiert.“ Bei den 30 Fragen an die Polizisten hat Henri Kox allerdings eine vergessen: Wollt ihr mich verarschen?

Natürlich handelt es sich hierbei um einen ausgeklügelten Scherz von frustrierten Polizisten, die auf eine Aufwertung ihrer Laufbahn warten und nun durch eine verfehlte Wohnungsbaupolitik ihres Ministers die Zinsen ihrer Immobilienkredite nicht zurückzahlen können. „Wir hätten niemals gedacht, dass er uns das tatsächlich abkaufen würde und das dann auch noch im Parlament sagen würde“, so ein kichernder Polizist im vertraulichen Gespräch mit der Retrospect-Redaktion.

Waarm Bréidecher statt sicherer Fahrradwege

Kriminalität, Sicherheitsgefühl, Prëtekëll, das sind die Themen, die den Wahlkampf bewegen. Begonnen hat er aber auch diesmal traditionell mit der Frage, wer als Erster das Wahlabkommen gebrochen hat. Die Parteien versuchen in der Wählergunst zu steigen, indem sie in den „personal space“ eindringen. Sie wollen „no bei dir“ oder sogar „méi no“ sein. Die vermeintliche Nähe zu den Bürgern zeigt sich auch in den bürgernahen Themen der DP. Wenn man die Liberalen wählt, kriegt man etwa warme Brötchen auf den Teller oder man muss seine „Gromperekichelcher“ mit dem Nachbarn teilen. Klingt komisch, ist aber so.

Was man auf jeden Fall nicht kriegt, sind sichere Radwege. Die Partei der ewigen Bürgermeisterin warb mit einem Plakat mit einem Radfahrer in der Rue des Aubépines. Also ausgerechnet in der Straße, in der erst einmal ein Fahrradfahrer angefahren werden muss, um zu beweisen, dass sie tatsächlich gefährlich ist, dixit Claude Radoux (DP). Die liberalen Autofahrer hatten schnell eine Lösung parat und den Fehler behoben. Nicht der Radweg wurde sicherer, sondern das Plakat ausgetauscht. Jetzt gibt es auch in der Rue des Aubépines warme Brötchen. Gut, dass der Fehler niemandem aufgefallen ist. Die Spesen für das Abhängen und Aufhängen eines neuen Plakats sowie die „Kippchen“ nach der Arbeit übernahm natürlich die Partei.

Luxemburg, twelve points

Dass man mit Radfahrer-Themen anno 2023 keine Wahlen gewinnt, das haben die liberalen Wahlkampfstrategen längst ausgemacht. Vielmehr muss das Wir-Gefühl gestärkt werden und das Nation Branding auf die richtige große Bühne gebracht werden. Und was wäre größer als der „Concours Eurovison de la chanson“, heute besser bekannt als ESC?! Dort wird Luxemburg nun endlich wieder teilnehmen.

Das hat die Regierung mit ihrem Frontmann Xav so beschlossen und damit endlich mal Nägel mit Köpfen gemacht, statt sich mit solchen Nebensächlichkeiten wie der Wohnungskrise oder der Armutsbekämpfung aufzuhalten. Was das Ganze kostet? „Et kascht, wat et kascht“, soll der Premier als Parole ausgegeben haben. So mancher Entwicklungsminister nahm ihn dabei wohl allzu wörtlich …

Doch die ESC-Teilnahme der Musikernation Luxemburg stößt nicht überall auf Gegenliebe. Fokus-Spaßbremse Frank Engel etwa kann dem aber mal so gar nichts abgewinnen, dass wir wieder beim „gréissten Trash-Concours vum Kontinent“ dabei sein sollen – der „idioteschster Veranstaltung, déi et gëtt, zënter weder de Camillo nach de Fausti eis do kënne retten“, so Dirty Frank auf Facebook. Dabei wäre gerade jetzt die richtige Zeit für eine Neuauflage von „Ein bisschen Frieden“.

Frank Engel scheint sich demnach sicher, mit solchem Nation Branding, das „an däraarteg Héichte gedriwwen“ wird, gewinnt man nicht die Herzen der Menschen und schon gar nicht der Luxemburger Wähler. Da fordert man besser, das Glacis-Feld umzugestalten und damit die „Schueberfouer“, noch so eine komische Veranstaltung, ein für allemal aus der Stadt zu verbannen. Aber, wer übernimmt eigentlich die Spesen von Frank Engel? Diesen Witz ersparen wir uns lieber …


Mehr Retrospect