Um die Klimaziele zu erreichen, müssen erneuerbare Energien ausgebaut werden. Ein Rechtsstreit um einen geplanten Windpark im Ösling zeigt, wie schwer das in der Praxis sein kann. Denn die belgische Nachbargemeinde Bastogne hat gegen das Projekt geklagt.

Eigentlich sollten sich die Räder der fünf Windkraftanlagen in der Stauseegemeinde längst drehen. Denn ursprünglich sollte der Windpark „Harel-Walter-Eespelt“ bereits 2018 in Betrieb gehen. Doch der Acker, auf dem der Luxemburger Betreiber „Soler“ die 11,45 Megawatt starke Anlage errichten will, ist auch fünf Jahre später immer noch verwaist – trotz abgeschlossener Genehmigungsprozedur und positiver Umweltmachbarkeitsstudien.

Offiziell befindet sich das Projekt noch immer in der Planungs- und Genehmigungsphase. Der Grund: die Lage. Genauer gesagt: die Grenzlage. Denn der geplante Windpark im Norden des Landes liegt unmittelbar an der belgischen Grenze. Nur einige Hundert Meter vom Standort entfernt beginnt das Territorium der Gemeinde Bastogne. Eine Nähe, die rechtliche Folgen haben sollte.

Im April 2020 legt die Gemeindeverwaltung von Bastogne vor dem Luxemburger Verwaltungsgericht Einspruch gegen das Projekt ein. Zuvor hatte der Betreiber Informationen von Reporter.lu zufolge vergeblich versucht, die belgischen Gemeindeverantwortlichen von dem Projekt zu überzeugen. Doch die kommunale Verwaltung sah die Gemeindeinteressen durch das Energieprojekt jenseits der Grenze gefährdet.

Bekannte Sorgen und Argumente

Vor Gericht argumentierte die Gemeinde Bastogne mit Sorgen, die auch bei anderen Windenergieprojekten öfter genannt werden. Eine davon lautet, dass durch das Projekt das natürliche Landschaftsbild beeinträchtigt werden könne. Da die wallonische Stadt ein beliebtes Reiseziel sei, sei der Tourismus durch den Windpark potenziell bedroht, so die belgische Gemeinde.

Zudem würden die geplanten Windräder Geräuschemissionen und Schattenwurf verursachen, die die Lebensqualität der direkten Anrainer der Anlagen einschränke. Demnach könne auch die Attraktivität von Bastogne als Wohnort durch das Projekt leiden. Abschließend hoben die Anwälte der Gemeinde die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt durch das Energieprojekt hervor. Demnach sei die Gemeinde nicht in die Umweltimpaktstudie eingebunden gewesen und der geplante Standort grenze an die nationale Schutzzone „Sonlez-Palmer“.

Sowohl die Betreibergesellschaft Soler als auch der Luxemburger Staat widersprachen dieser Argumentation vor Gericht vehement. So betonten die Anwälte von Soler, dass die möglichen Geräuschemissionen durch den Windpark von der „TÜV“-Gesellschaft überprüft worden seien und unter den europäischen Grenzwerten liegen würden. Außerdem seien in der Umweltimpaktstudie ausdrücklich die Auswirkungen auf das wallonische Gebiet analysiert worden. Und nicht zuletzt werde die Schutzzone Sonlez-Palmer weder durch die Windanlagen selbst noch durch die Leitungen zur Netzanbindung beeinflusst.

Einspruch zu vage und zu allgemein

Das Gericht selbst folgt nun in weiten Teilen der Argumentation des Staates und der Betreibergesellschaft. Dies geht aus dem Urteil hervor, das Reporter.lu vorliegt. Ein Grund ist, dass die Gemeinde Bastogne nicht nachweisen könne, wieso es konkret an ihr sei, gegen das Projekt zu klagen.

Für die Zweifel an der Rechtmäßigkeit liefert das Gericht gleich mehrere Argumente. Ein Punkt, den die Richter hervorstreichen: Jene, die direkt von der Anlage betroffen wären, also die Anrainer, hätten weder Einspruch gegen das Projekt eingelegt, noch sich an der Klage beteiligt. Eine mögliche Lärmbelastung oder Einschränkungen durch Schattenwurf würden aber nur sie direkt betreffen und nicht die Gemeindeverwaltung, demnach könnten auch nur sie gegen die Anlage klagen, so das Gericht.

Zudem habe die Gemeinde weder belastbare Zahlen für einen möglichen Rückgang beim Tourismus noch für einen negativen Einfluss auf Bastogne als Wohnort geliefert. Auch das Argument der Umweltbedenken der Verwaltung weisen die Luxemburger Verwaltungsrichter in ihrem Urteil zurück. Denn auch diesbezüglich blieben die Bedenken der Gemeinde zu vage und sie könne keine konkreten Bezüge zum geplanten Windpark herstellen.

Die eigenen Windparks in Bastogne

Neben den konkreten Argumenten der Gemeinde stören sich die Richter in ihrem Urteil jedoch besonders an einem Punkt: Auf dem Gebiet der Gemeinde Bastogne selbst befinden sich bereits zwei Windparks. Der erste wurde 2009 in Betrieb genommen und umfasst sechs Windräder. Der zweite wurde etwas später fertiggestellt und besteht aus sieben Windrädern.

Es ist ein Punkt, den auch die Betreibergesellschaft des geplanten Projekts in der Stauseegemeinde unterstreicht. Würde ein Windpark in der Tat dem Tourismus und der Attraktivität der Gemeinde Bastogne schaden, müsste der Schaden demnach bereits ersichtlich sein, so die Anwälte von Soler. Doch seitdem die Windkraftanlagen in Betrieb sind, ist die Bevölkerung von Bastogne gewachsen und auch beim Tourismus sei kein Einbruch festzustellen, so das Argument der Verteidigung.

Das Gericht gibt dieser Lesart in seinem Urteil recht. Die Richter lehnten den Einspruch der Gemeinde Bastogne demnach ab. Die Gemeindeverwaltung muss zudem für die Verfahrenskosten aufkommen. Ob das Windkraftprojekt in der Stauseegemeinde nun wirklich gebaut werden kann, ist noch nicht abschließend gesichert. Denn die Gemeinde Bastogne könnte noch in Berufung gehen und die übergeordnete Instanz, den Verwaltungsgerichtshof, mit der Affäre befassen. Ob sie von diesem Recht Gebrauch machen wird, ist derzeit noch unklar. Die Gemeindeverwaltung Bastogne ließ eine dementsprechende Anfrage von Reporter.lu bis Redaktionsschluss unbeantwortet.


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