Begnadeter Nachwuchspolitiker oder gnadenloser Populist: Über wenige Abgeordnete gehen die Meinungen so auseinander wie über Sven Clement. Der Erfolg seiner Piraten gibt ihm recht. Doch der Zweck des politischen Aufstiegs scheint alle Mittel zu heiligen. Ein Porträt.

Am Anfang war die Cola. Sven Clement ist damals in der 8. Klasse im „Lycée Aline Mayrisch“. Der Schülerrat der Schule will den Softdrink verbieten und aus den Getränkeautomaten verbannen. Doch „de Sven wollt sech dat net verbidde loossen“, sagt Sven Clement über Sven Clement im Gespräch mit Reporter.lu. Er sitzt in seinem Abgeordnetenbüro in der hauptstädtischen Rue de l’Eau. In zwei Stunden geht sein Flieger in die USA. Geplant sind Geschäftstermine, ein Abstecher zur Luxemburger Gemeinschaft in Wisconsin sowie ein Besuch bei Boeing und Microsoft an der Westküste.

Es hat einen Hauch von dargebotener Staatsmännlichkeit, wenn Sven Clement über seine Termine spricht. Die Reisetasche des 34-Jährigen zieren die Luxemburger Nationalfarben, in einer Ecke seines Büros bewahrt er die Mitbringsel von seinen Reisen als Parlamentarier auf. Eine Flasche Whisky aus Taiwan, eine Gedenktasse der US-Botschaft zum Jahrestag der Ardennenoffensive und eine Medaille des „Comité de Défense“ des französischen Senats. Vom politischen Mehrwert halten sich seine Reisen in Grenzen. Spötter unter den Abgeordneten bezeichnen den Spitzenkandidaten der Piraten bereits als den Außenminister des Parlaments. In seinem Büro stehen bereits eine Luxemburger und eine europäische Flagge, so als sei er schon Minister.

Politik als Geschäftsmodell

Aber zurück zur Cola. Wie Sven Clement selbst sagt, stand er damals relativ alleine da mit seiner Forderung, denn der Schülerrat sei „eher politisch links“ orientiert gewesen. Doch der Jungpolitiker gab nicht nach und startete eine Kampagne. Er besorgte sich Coca Cola zum Großhandelspreis bei einem Getränkehändler und verteilte sie unter der Schülerschaft, finanziert mit seinem Taschengeld. Er verteilte, wie er heute sagt, zwei Tabletts mit Cola-Bechern gratis unter den Schülern, um für sich und seine Kampagne zu werben.

Doch dabei blieb es nicht. Sven Clement ging noch einen Schritt weiter: „Wann et e Goldrush gëtt, verkaaf Schëppen“, sagt er im Rückblick. „Die Leute wollten Cola, aber nicht jedes Mal zum Kebab gegenüber der Schule gehen müssen. Also legte ich Trockeneis in meinen Spind und verkaufte gekühlte Cola direkt in der Schule. Andere Leute hatten Ratten im Spind und ich eben Trockeneis.“ Die Kampagne ging auf. Die Schüler bekamen ihre Cola zurück und Sven Clement feierte seinen ersten politischen Coup. Schon damals lernte er, dass populistische Forderungen ankommen. Oder wie der spätere Mitgründer der Luxemburger Piratenpartei mit einem Schmunzeln sagt: „Sagen wir so: Es ist vielleicht der Beweis, dass ich nie davor zurückgeschreckt habe, komplexe Probleme auf einen einfachen Sachverhalt herunterzubrechen.“

Populismus wird immer in die Schmuddelecke gedrängt. Aber ich finde, dass Populismus per se nicht schlecht ist.“Sven Clement

Es mag überhöht erscheinen, aus diesem ersten politischen Stunt den Kern späteren politischen Handelns zu deuten. Und dennoch fällt auf: Die Mischung aus politischem Opportunismus und Kalkül begleitet den Jungpolitiker bis heute. Denn Politik ist für den Vater einer kleinen Tochter immer auch Unternehmertum. Das Leitmotiv häufig: Wie kann ich aus möglichst allem möglichst großes politisches Kapital schlagen …