Wie viel Einfluss haben die Staatsbeamten? Nach einem Abkommen mit der Regierung im Jahr 2016 konnte sich die CGFP jetzt kurz vor den Wahlen erneut mit ihren Forderungen durchsetzen. Das ist kein Skandal, aber auch kein Ausdruck des politischen und sozialen Fortschritts. Eine Analyse.
Es ist fast so, als wäre nichts gewesen: Die 80/80/90-Regelung? Abgeschafft. Die „Stage“-Zeit? Wieder von drei auf zwei Jahre gekürzt. Kostenpunkt: Rund 53 Millionen Euro pro Jahr. Die Mächtigen der CGFP haben ihr Ziel erreicht: In der vergangenen Woche haben sie zwei wichtige Forderungen durchgesetzt und können entspannt in die Sommerpause starten.
Mit der Reform von der Reform, die am 1. Januar 2019 in Kraft treten wird, dürfen sich Berufseinsteiger beim Staat wieder über ein volles Gehalt freuen. Ein kurzer Rückblick: Die 80/80/90-Regelung ist eine Sparmaßnahme, die im Jahr 2011 vom damaligen Ressortminister François Biltgen (CSV) gemeinsam mit der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP festgelegt wurde und 2015 in Kraft trat. Die Referendariatszeit wurde damals im Rahmen der Reform für alle Laufbahnen auf drei Jahre verlängert; während der ersten beiden Jahre beziehen die Berufseinsteiger seitdem 80 Prozent und im dritten Jahr 90 Prozent des Einstiegsgehalts. Nicht nur die 80/80/90- Reglung wird jetzt abgeschafft: Die Einbußen, die durch die Regelung bei der Rentenversicherung entstanden sind, werden den Berufseinsteigern rückwirkend von Vater Staat ausgezahlt.
Der vergessene Wortbruch der Regierung
Beim neuen Abkommen wurde aber nicht nur an die Berufseinsteiger gedacht: Die Essenszulage wird um monatlich 60 Euro angehoben, sie steigt von 144 auf 204 Euro. Dabei war erst am 6. Dezember 2016 Bescherung für die Staatsbeamten – pünktlich zum Nikolaustag. Bereits damals wurde die Zulage um 34 Euro, von 110 auf die aktuellen 144 Euro angehoben.
Doch das war nicht alles: Innenminister Dan Kersch (LSAP) stimmte einem Gehälterabkommen zu, das rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft trat. Durch die Anpassung des Punktwerts um 1,5 Prozent sind die Gehälter der Beamten gestiegen. Zudem wurde eine einmalige Prämie in Höhe von einem Prozent des Jahresgehalts ausgezahlt.
Compte tenu de la situation des finances publiques, aucune nouvelle augmentation du niveau du point indiciaire n’aura lieu pendant cette législature.“Regierungsprogramm von DP, LSAP und déi gréng von 2013
Das neue Gehälterabkommen war ein Einschnitt in der blau-rot-grünen Legislatur. Denn zum ersten Mal hat die Regierung damit einen Wortbruch begangen. Im Regierungsprogramm steht ausdrücklich, dass es während der aktuellen Legislaturperiode zu keiner Punktwerterhöhung kommt. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was im Dezember 2016 vereinbart worden ist. Ganz nach dem Motto: Gesagt, aber nicht getan.
Dass es jetzt nicht noch zu einer weiteren Punktwerterhöhung gekommen ist, feiert der Innenminister als großen Erfolg. Die CGFP habe versucht eine Erhöhung durchzusetzen, habe aber als Gegenzug zur Abschaffung der 80/80/90-Regelung doch darauf verzichtet. „Eine weitere Erhöhung ist für mich nie infrage gekommen“, sagt der Minister im Gespräch mit REPORTER. „Das hätten wir nicht mitgemacht.“
Vergessen also, dass die Erhöhung des Punktwerts, die es eigentlich unter Blau-Rot-Grün nie hätte geben sollen, seit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist. Und umso merkwürdiger, dass eine weitere Punktwerterhöhung überhaupt zur Debatte stand. Unter dem Strich ist die Dreierkoalition den Staatsbeamten in einer Legislaturperiode zwei Mal mit wesentlichen Zugeständnissen entgegengekommen.
Die CGFP hat den Machtkampf gewonnen
Zugegeben, die CGFP hatte nicht immer so leichtes Spiel wie mit der aktuellen Regierung. Vor allem während und nach der Finanzkrise war ein Dialog schwierig: „Es wurde heftig gestritten“, sagte der CGFP-Vorsitzende Romain Wolff dem „Luxemburger Wort“ im November 2017. Wolff hatte den Vorsitz erst im Dezember 2016 von Emile Haag übernommen.
Laut der Auffassung der vergangenen schwarz-roten Koalition musste auch die Beamtengewerkschaft bei der Sanierung der Staatsfinanzen mithelfen. Zwar wurde unter anderem die Auszahlung einer einmaligen Prämie für 2012 von 0,9 Prozent des Jahresgehalts sowie für 2012 eine Erhebung des Punktwerts um 2,2 Prozent vereinbart. Parallel aber eben auch die Kürzung der Einstiegsgehälter während der „Stage“-Zeit. Und dennoch gab es hier zumindest ein kleines Eingeständnis von Seiten der Regierung: Die Umsetzung dieses Abkommens wurde schließlich um zwei Jahre verschoben. Damit ist 80/80/90 erst 2015, unter der neuen Regierungsmehrheit, in Kraft getreten.
Die Krise wurde nicht vom öffentlichen Dienst verursacht.“CGFP
Die CGFP stimmte der Reform zwar zu, weist aber auch stets darauf hin, dass sie mit der Finanz- und Wirtschaftskrise nichts zu tun haben will: „Die Krise wurde nicht vom öffentlichen Dienst verursacht“, heißt es in einem Schreiben aus dem Jahr 2016.
Deshalb ist die Gewerkschaft während des Antrittsbesuchs bei Dan Kersch im Januar 2014 gleich mit der Tür ins Haus gefallen und hat die umstrittene 80/80/90-Regelung sofort thematisiert. Später erhöhte die CGFP den Druck. „Ein Sozialkonflikt im öffentlichen Dienst lässt sich nur noch abwenden, wenn rasche Ergebnisse folgen“, heißt es schließlich in einem Schreiben vom 26. März 2018.
Jetzt, knapp drei Monate später hat die CGFP den Machtkampf gewonnen. Nach fast fünf Jahren konnte die CGFP jenes „Problem“ lösen, das sie mit ihrer Zustimmung zum Abkommen im Jahr 2011 selbst mit verursacht hat. Diese Tatsache wird in der Analyse von Regierungs- und Gewerkschaftsseite jedoch konsequent ausgeblendet.
Von der Sparpolitik zur Spendierlaune
Der Grund, warum sich diese Regierung überhaupt bewegen konnte, liegt an der allgemeinen verbesserten wirtschaftlichen und finanziellen Lage. Das vorletzte Abkommen stammt noch aus einer Zeit von Finanzkrise, Bankenrettungen und rapide ansteigenden Staatsschulden.
Auch beim Amtsantritt von Blau-Rot-Grün war die Stimmung noch eine andere, wie die besagte Passage im Regierungsprogramm zeigt. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit brachte die Regierung zudem ein eigenes Sanierungsprogramm, das sogenannte „Zukunftspak“ auf den Weg. Doch die Konjunktur verbesserte sich und auch die Steuereinnahmen sprudeln heute wieder kräftig. So dass der Gürtel der Sparpolitik in der letzten Zeit nicht mehr ganz so eng gezogen wurde. Unter anderem auch zur Freude der Staatsbeamten.
Wenn ich das höre, kann ich nur lachen.“Innenminister Dan Kersch
Von Druck oder einem Wahlgeschenk will Dan Kersch aber nichts wissen. „Wenn ich das höre, kann ich nur lachen“, sagt er im Gespräch mit REPORTER. Anders als manche seiner Vorgänger habe man das Geld nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern sich mit diesem neuen Abkommen vor allem für die jungen Beamten eingesetzt. Er sei selbst kein großer Anhänger der 80/80/90-Regelung gewesen.
Kerschs Argument der Jugendförderung ist nachvollziehbar. Auch die CGFP spricht wohlklingend von einem „Solidaritätsabkommen für künftige Generationen“. Beides trifft allerdings nicht auf die Erhöhung der Essenspauschale und das bereits zuvor umgesetzte Gehälterabkommen zu. Hier lachen nicht nur die neuen Angestellten, sondern die ganze Beamtenschaft. Nebenbei bemerkt profitierten die Staatsbeamten natürlich auch schon von den materiellen Erleichterungen im Rahmen der blau-rot-grünen Steuerreform.
Die Probleme der Anderen
Dass die CGFP zufrieden ist, ist für die Regierung gerade jetzt nicht ganz unwichtig. Denn: Ist die Gewerkschaft zufrieden, sind es auch die Beamten, also viele Luxemburger Wähler. Fast 40.000 Angestellte des Staates sind wahlberechtigte Luxemburger. Was aber in der Analyse oft vergessen wird: Die allermeisten Einwohner, und auch die Mehrheit der Luxemburger, arbeiten nicht beim Staat.
Jetzt werden die Anfangsgehälter im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft noch weiter auseinanderklaffen.“Jean-Paul Olinger (UEL)
Verwundert über die Einigung zeigt sich demnach auch Jean-Paul Olinger, Generalsekretär und künftiger Administrateur délégué der Unternehmensvereinigung UEL. Nicht so sehr über den Zeitpunkt, sondern dass die 80/80/90-Regelung überhaupt abgeschafft wird. „Jetzt werden die Anfangsgehälter im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft noch weiter auseinanderklaffen“, so Olinger im Gespräch mit REPORTER. Dabei seien manche dieser Gehälter bereits jetzt fast doppelt so hoch wie die bei einer privaten Firma.
Das Patronat steht nach 2016 somit wieder vor der Herausforderung, die Privatwirtschaft für Arbeitskräfte weiterhin attraktiv zu gestalten. Bei so extremen Gehaltsunterschieden wird das aber immer schwieriger, sagt Olinger. „Bei den Gehältern ist man nicht mehr konkurrenzfähig. Deshalb wird es für Luxemburger Unternehmen noch schwieriger, luxemburgische Arbeitskräfte einzustellen.“
Auf die Frage, ob beim neuen Abkommen auch an die Luxemburger Wählerschaft gedacht wurde, sagt er zurückhaltend aber deutlich: „Das ist doch offensichtlich.“ Zum Lachen ist den Arbeitgebern aus dem Privatsektor also nicht zumute.
Argumente an der Wahlurne
Auch auf die Gewerkschaften OGBL und LCGB warten jetzt neue Aufgaben. Die Einigung zwischen dem Staat und der CGFP hat nämlich auch Auswirkungen auf den parastaatlichen Sektor. Will heißen: Die Kollektivverträge der betroffenen Bereiche sollen früher oder später an die Entwicklungen beim Staat angepasst werden.
Wirklich überrascht sei man über das Abkommen nicht gewesen, sagt Christophe Knebeler, stellvertretender Generalsekretär des LCGB. An einer Diskussionsrunde konnten Vertreter der Gewerkschaften auch teilnehmen, wirklich mitreden allerdings nicht: „Uns war daher schon klar, dass das so kommen würde.“ Die Entscheidung sei jedoch gut für die Arbeitnehmer und deren Perspektiven, sagt auch Christian Sikorski, Zentralsekretär und Verantwortlicher für den öffentlichen Dienst beim OGBL.
Dan Kersch seinerseits bleibt bei seiner Meinung: „Keine Regierung ist so schnell wie wir“, sagt er. Man könnte hinzufügen: Und sei es nur bei der Änderung der eigenen, im Koalitionsprogramm dokumentierten Meinung. Doch spätestens nach den Wahlen werden sich wohl nur noch die Wenigsten an die Vorgeschichte erinnern. Und die Tausenden Staatsbeamten werden der Regierung ihren Sinneswandel an den Wahlurnen im Oktober wohl auch nicht allzu übel nehmen.