Der Großherzog verfügt auch im Jahr 2023 noch über die Möglichkeit, verurteilten Personen ihre Strafe zu erlassen oder sie zu reduzieren. Dieses Begnadigungsrecht ist in der Verfassung verankert und wurde auch bei deren Reform so aufrechterhalten. Was wie ein Relikt aus der Vergangenheit anmutet, sei vielmehr als „letztes Korrektiv im Rechtssystem“ anzusehen. So zumindest drücken es die Autoren des Gesetzentwurfs aus, der die Bedingungen des Gnadenrechts festlegt.

Diesen Entwurf hat Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) vor Kurzem im Parlament eingebracht. Der Text ist nötig, weil gemäß der Ende 2022 verabschiedeten neuen Verfassung die Bedingungen des „Droit de grâce“ via Gesetz geregelt werden müssen und nicht wie bisher auf Basis eines großherzoglichen Erlasses. Der Begründung des neuen Gesetzes ist denn auch zu entnehmen, wie viele Gnadengesuche jährlich eingereicht werden und welche Bereiche sie betreffen.

Insgesamt nimmt die Anzahl an Gnadengesuchen kontinuierlich ab. Waren es im Jahr 2012 noch 415, sank die Zahl binnen knapp zehn Jahren auf jährlich 250. Vor allem in den vergangenen fünf Jahren ist ein Abwärtstrend zu beobachten. So wurden 2017 noch 365 Gesuche gestellt, 2018 deren 326 und 2019 alles in allem 289. Im Jahr 2020 wurden nurmehr 267 Anträge verzeichnet und 2021, dem rezentesten Jahr aus der Statistik des Justizministeriums, waren es dann 250, die in dem Jahr neu eingereicht wurden.

Geprüft hat die zuständige Gnadenkommission in demselben Jahr insgesamt 259 Gesuche. Diese Kommission analysiert die Anträge und gibt ein Gutachten dazu ab. Der Großherzog entscheidet dann auf dieser Grundlage, ob er den Gesuchen stattgibt oder sie ablehnt. Die Kommission setzt sich aus vier Magistraten, einem Vertreter der Anwaltskammer sowie zwei Mitgliedern der Berufskammern zusammen.

Der Großteil der 2021 geprüften Gesuche, nämlich 226, betrafen Fahrverbote. Sie machten in dem Jahr 87,2 Prozent aller Anträge aus, was auch der Quote der Vorjahre entspricht. Die anderen Gesuche bezogen sich in 23 Fällen auf Haftstrafen (8,8 Prozent), in zwei Fällen auf Geldbußen und in einem Fall auf die Konfiszierung von Eigentum. Die restlichen sieben Anträge betrafen andersgeartete Sanktionen wie Sozialstunden oder den Entzug der Schanklizenz.

Großherzog Henri entschied 2021 über insgesamt 265 Gnadengesuche. 226 davon lehnte er ab. In 33 Fällen aber zeigte er sich gnädig und hob ein Fahrverbot auf. In sechs Fällen geschah dies auf Probe. Geldbußen oder Haftstrafen erließ oder reduzierte er in dem Jahr keine. Auch in den Vorjahren waren solche Entscheidungen die Ausnahme: 2017 und 2018 wurde jeweils nur eine Geldbuße mittels Begnadigung erlassen. (GS)