Ein Besuch in der Ardennenstadt zeigt: Die Wiltzer fühlen sich und ihre Heimat falsch wahrgenommen. Trotz vieler Herausforderungen sehen sie ihre Stadt auf einem guten Weg. Das könnte daran liegen, dass die Gemeinde zum Pionier im Sozialen geworden ist.

Natürlich kennt auch Joé Mathieu die Klischees über seine Heimatstadt. „Wenn wir mit dem Basketballverein ein Auswärtsspiel haben, dann kommen schon mal Sprüche. Wiltz, das ist doch ein Ghetto. Oder: Da läuft ja überhaupt nichts“, sagt der 28-Jährige beim Gespräch im Schreibwarenladen „Christina’s Bicherbuttek“, den er gemeinsam mit seiner Mutter betreibt. „Ich finde das schade. Denn das wird Wiltz eigentlich nicht gerecht“, so Joé Mathieu. Zwar sei schon etwas dran, dass in Wiltz weniger los sei als in der Hauptstadt oder in Esch/Alzette, aber das sei nur die halbe Wahrheit, meint er.

„Das Zusammenleben in Wiltz funktioniert gut und die Menschen sind solidarisch, das zeichnet uns aus. Die Probleme, die es hier gibt, sind eigentlich ähnlich wie in anderen Gemeinden in Luxemburg: Wie kann die Innenstadt belebt werden, wie sieht die Parkplatzsituation aus“, erklärt Joé Mathieu. Er persönlich finde, dass sich die Gemeindeverwaltung in diesen Punkten Mühe gebe. Etwa, indem sie leerstehende Geschäftsräume selbst aufkauft, um sie günstiger zu vermieten.

Es ist eine Sichtweise, die man an diesem Morgen Ende März öfters hört: Wiltz als eine Stadt, die in der öffentlichen Meinung oft missverstanden wird. Bei einer Tasse Kaffee in einer Bäckerei zeichnet auch Semsa Civic ein positives Bild ihrer Stadt: „Ich bin in den 1980er Jahren mit meinen Eltern aus Bosnien nach Wiltz gekommen. Der Anfang war schwer, vor allem in der Schule. Aber Wiltz hat mir eine Chance gegeben und ich konnte mir hier eine Familie aufbauen“, betont die 56-jährige Pflegehelferin.

Die eigentlichen Probleme

Ein Leben in einem anderen Teil von Luxemburg kann sich Semsa Civic nicht vorstellen: „Ich bin hier verwurzelt. Die Nähe zur Natur und die gelassene Lebensart in Wiltz kann man nicht so leicht ersetzen. Meine Kinder sind näher ans Landeszentrum gezogen, aber dort fühle ich mich nicht wohl“, betont Semsa Civic und lächelt. Und die Politik? Die Gemeinde sei sehr sozial, meint sie. Menschen mit finanziellen Problemen würde die Stadt aktiv unterstützen und die Integration funktioniere gut.

Ich glaube, verschiedene politische Affären überstrahlen all die positiven Entwicklungen in der Gemeinde.“Laurent Roder, Direktor des „Kannerhaus“

Sorgen bereiten Semsa Civic derweil die unsicheren Zukunftsaussichten. Einerseits frage sie sich, wie Wiltz das geplante Wachstum in den kommenden Jahren verkraften werde. Mit dem Großprojekt „Wunne mat der Wooltz“ werde sich die Einwohnerzahl drastisch erhöhen, eine Herausforderung für alle Wiltzer, meint die 56-Jährige. Zudem macht sie sich generell Sorgen, wie die wirtschaftliche Lage in Luxemburg sich entwickelt. „Viele Menschen in Wiltz arbeiten auf dem Bau oder im Immobilienbereich und man hört schon jetzt, dass alles langsamer dreht. Da macht man sich schon seine Gedanken“, so die Pflegehelferin.

Etwas weiter unten in der Grand-Rue betreibt Vinciane Grandjean das Modegeschäft „Oscar“. Ähnlich wie Joé Mathieu beklagt auch die Geschäftsfrau das schlechte Image, das Wiltz in der öffentlichen Meinung manchmal hat …