Weltweit ist das Militär einer der größten Klimasünder. Doch die Verteidigung ist von jeglichen Verpflichtungen ausgenommen. Luxemburg will nun zum Vorreiter werden. Nachdem erste Zahlen veröffentlicht wurden, soll künftig ein eigenes Klimaziel folgen.
Aller Anfang ist schwer. Rund ein Jahr nach seiner Amtsübernahme als neuer Verteidigungsminister versprach François Bausch (Déi Gréng): „Auf nationalem Plan wollen wir unsere Hausaufgaben machen.“ Damit war nicht die Erfüllung der NATO-Ziele bei den Rüstungsausgaben gemeint, sondern der Klimaschutz. Luxemburgs Militär solle umweltschonender werden, so der Minister Anfang 2020 im Rahmen einer internationalen Konferenz über Sicherheit und Klimawandel.
François Bauschs Versprechen wird nun etappenweise erfüllt. Nach der Veröffentlichung einer ersten Bilanz über die Treibhausgasemissionen der Luxemburger Armee soll der CO2-Ausstoß nun erstmals über Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Doch das ist nur ein erster Schritt.
An der Spitze der Klimasünder
Weltweit steigen die Militärausgaben. So auch in Luxemburg. Für 2028 soll das jährlich steigende Budget ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. In Zahlen: 994 Millionen Euro. Gleichzeitig steigen auch die CO2-Emissionen der Armee. Doch niemand weiß, um wie viel genau. Denn die Verteidigung bleibt beim Kampf gegen den Klimawandel weitgehend außen vor.
Der Ausstoß klimaschädlicher Gase jedes Haushalts, jedes Unternehmens und jeder Verwaltung fließt in eine große Rechnung mit ein. Doch das Militär ist als einziger Sektor durch das 1997 unterzeichnete Kyoto-Protokoll von jeder Rechenschaftspflicht ausgenommen. Und dies, obwohl Armeen global gesehen zu den größten Erzeugern von Treibhausgasen gehören. Der ökologische Fußabdruck des Militärbereichs der EU-Mitgliedstaaten allein betrug einer europäischen Studie zufolge 25 Millionen Tonnen CO2. Das ist knapp doppelt so viel wie der gesamte CO2-Ausstoß Luxemburgs.
Es ist unklar, wie viele Emissionen auf militärische Aktivitäten zurückgeführt werden können. Das befreit den Verteidigungssektor von jeglicher Verantwortung.“Linsey Cottrell, „Conflict and Environment Observatory“
Doch das seien noch konservative Schätzungen, sagt Linsey Cottrell, Co-Autorin der Studie und Forscherin am britischen „Conflict and Environment Observatory“. Ohne verpflichtende Richtlinien vonseiten der Vereinten Nationen erstellen Armeen lückenhafte Berichte – wenn sie überhaupt Werte zu ihren Emissionen veröffentlichen. „Es ist unklar, wie viele Emissionen auf militärische Aktivitäten zurückgeführt werden können. Das befreit den Verteidigungssektor von jeglicher Verantwortung“, sagt die Forscherin im Gespräch mit Reporter.lu.
19.330 Tonnen CO2 im Jahr 2019
Dabei steht es jedem Land frei, wie und ob es über seine militärischen Emissionen berichtet. Auch in Luxemburg entscheidet das Verteidigungsministerium allein, welche Informationen es zu den Treibstoffgasen veröffentlicht. Im Dezember 2021 gab das Ministerium zum ersten Mal Zahlen bekannt: 2019 stieß das Militär inklusive seiner Verwaltung insgesamt 19.330 Tonnen CO2 aus. Dies entsprach laut dem Ministerium 1,5 Prozent aller nationalen Emissionen.
Zu den Jahren vor 2019 und danach gibt es jedoch keine vollständigen Angaben. „Am Anfang wollten wir uns eine Übersicht verschaffen, bevor wir die Details analysierten. Aufgrund unserer knappen Personalressourcen haben wir bisher jedoch nur die Hauptbereiche der Emissionen analysieren können“, erklärt der stellvertretende Direktor der Verteidigungsdirektion, Rol Reiland, im Interview mit Reporter.lu. Deshalb würden die Zahlen auch noch keine genauen Schlussfolgerungen erlauben.

Dennoch gewähren die verfügbaren Zahlen interessante Einblicke. Als die meisten Industriebereiche aufgrund der Covid-19-Pandemie weniger Emissionen ausstießen, verzeichnete die Armee etwa einen Anstieg. Für medizinische Evakuierungen wurden zusätzliche Flüge durchgeführt. 2020 verdreifachten sich die Emissionen der Flugzeuge so fast.
Hinzu kam zudem ein weiterer Frachtflieger, der zusammen mit sieben anderen aus Belgien eine gemeinsam genutzte Flotte bildet. Doch da dieser erst im Oktober geliefert wurde, „fällt er nicht weiter in den Gesamtemissionen auf“, so Rol Reiland. Jedenfalls nicht für das Jahr 2020. Der Airbus A400M Atlas verbraucht bis zu 5.000 Liter Kerosin pro Stunde.
Mehr Emissionen, neue Methode
Wie in anderen Bereichen kann jede Aktivität Treibhausgase verursachen: von der Stromnutzung und der Abfallentsorgung bis zum Import von Ausrüstung und Vorführungen von Material. Zur Berechnung dieser Emissionen setzt das Ministerium auf eine Methodologie des „Life Cycle Assessment“ (LCA). Diese Lebenszyklusanalyse berücksichtigt Emissionen, die während der Produktion, der Nutzung und der Entsorgung eines Produktes entstehen. Sie wird bereits im Industriebereich benutzt.
Neben Luxemburg wendet noch das norwegische Verteidigungsministerium die gleiche Methodologie an. „Luxemburg ist hier Vorreiter“, sagt Rol Reiland stolz. „Es gab und gibt immer noch keine etablierte und geprüfte Methodologie für das Militär, demnach kein Modell, dem wir folgen konnten. Alles haben wir selbst getestet. Die LCA-Methode erlaubt es uns, direkte sowie vor allem auch indirekte Emissionen zu erfassen.“
Wir müssen auch sehen, wie wir neue, durch Umwelt oder Ressourcen bedingte Konflikte in der Welt und vor allem in Europas unmittelbarer Nachbarschaft verhindern können.“Rol Reiland, Verteidigungsministerium
Zur Berechnung werden die Emissionen in drei Bereiche eingeteilt. Sogenannte „direkte Emissionen“, die unmittelbar durch Aktivitäten, wie einen Flug, verursacht werden. Diese werden dem „Scope 1“ angerechnet. Indirekte Emissionen, die entweder beim Stromverbrauch oder bei der Produktion und Lieferung von Produkten sowie Dienstleistungen ausgestoßen werden, fallen jeweils unter die Kategorien „Scope 2“ und „Scope 3“. Dies erlaubt, die emissionsintensivsten Bereiche zu identifizieren.
Die Forscherin Linsey Cottrell sieht die Methodologie als einen ersten, aber unzureichenden Schritt. Sie empfiehlt die Einbindung eines zusätzlichen Bereiches, den „Scope 3 Plus“: „Weil das Militär so viele verschiedene Aktivitäten verfolgt, wird ein Großteil der Emissionen noch nicht in den drei ersten ‚Scopes‘ berücksichtigt. Diese müssten jedoch erfasst werden“, sagt sie. Brände, Entwaldungen, Schäden an Infrastrukturen: die Emissionen weiterer indirekter Folgen militärischer Aktivitäten seien erheblich.
Reduzieren, innovieren, ausgleichen
Derzeit plant das Luxemburger Verteidigungsministerium allerdings nicht, Emissionen, die unter diese Kategorie fallen, für kommende Bilanzen in Betracht zu ziehen. „Wir wissen, wir befinden uns in einem Klimanotstand. Es geht uns in erster Linie darum, Hauptemissionsquellen zu erkennen und zu erfassen und, soweit die verfügbaren Technologien es erlauben, so weit wie möglich zu reduzieren. Dann werden wir versuchen, möglichst viele Emissionen aus der Atmosphäre zu binden“, sagt Rol Reiland vom Verteidigungsministerium.
Deshalb habe die Luxemburger „Défense“ ein erstes Kompensationsprojekt ins Leben gerufen. Die Idee ist ähnlich wie bei einem Urlaubsflug: Man bezahlt etwas mehr, um etwa durch das Pflanzen von Bäumen seinen CO2-Austoß auszugleichen. Zu diesem Zweck ist das Ministerium auf der Suche nach einem Langzeitprojekt im Bereich der Forstwirtschaft. Dadurch sollen die direkten Emissionen für 2021 kompensiert werden. Geplant ist, dass 400.000 Euro investiert werden.

Für 2021 geht das Verteidigungsministerium aktuell von 12.500 Tonnen CO2 aus – fast doppelt so viele wie 2019, als die direkten Emissionen etwa 7.100 Tonnen CO2 betrugen. Die Berechnungen der indirekten Emissionen sind indes noch nicht abgeschlossen. Ende dieses Jahres will die Armee eine komplette Bilanz über ihre Emissionen für 2021 veröffentlichen. Zudem verweist Rol Reiland auf die energetischen Sanierungen der Kasernen auf dem Herrenberg in Diekirch. Sind diese fertiggestellt, soll der Verteidigungssektor künftig jährlich 1.500 Tonnen CO2 einsparen.
Dabei lagen etwa 60 Prozent der Emissionen des Jahres 2019 im „Scope 3“, wurden also durch den Verbrauch dritter Waren und Dienstleistungen ausgestoßen. Diese zu reduzieren, sei schwierig, so Rol Reiland. Der Bereich, der unter anderem den Erwerb militärischer Ausrüstung einschließt, ist in den meisten Armeen am emissionsstärksten. Deswegen sind genau in diesem Bereich Reduzierungen fällig, sagt Linsey Cottrell. „Wir können nicht nur auf Ausgleiche setzen. Eine Möglichkeit, die Emissionen in den Lieferketten zu reduzieren, ist es, diese vertraglich festzulegen.“
„Enormer Druck“ auf NATO-Ebene
Ob Emissionen weiterhin steigen, schwinden oder kompensiert werden, wird sich in den kommenden Jahren herausstellen. Was die Bezifferung von Emissionen betrifft, hofft das Verteidigungsministerium im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz im November 2022, dass die LCA-Methodologie von anderen Ländern aufgegriffen und weiterentwickelt wird.
Doch hier zeigt sich der stellvertretende Direktor auch skeptisch. Es bestehe das Risiko, dass man sich in der NATO nur auf „Scope 1“ einigt, also nur die direkten Emissionen berichten will, erklärt Rol Reiland. Denn verschiedene Staaten würden „enormen Druck“ ausüben. Auch Linsey Cottrell ist nicht optimistisch, was die Ausbreitung der Methodologie angeht. „Es geht uns in erster Linie darum, das Thema auf den Tisch zu bringen und immer weiter Rechenschaftspflicht zu fordern“, sagt die Forscherin vom „Conflict and Environment Observatory“.
Das Errechnen der Emissionen ist dabei nur ein Teil des neuen Ansatzes, den die luxemburgische Verteidigung hinsichtlich des Klimaschutzes verfolgt. Laut Rol Reiland gehe es zunächst darum, zu erkennen, wie die Verteidigung zu den Umweltveränderungen beiträgt. Dann müsse man aber auch analysieren, „wie sich der Sektor anpassen kann, ohne an militärischer Schlagkraft zu verlieren“. Und schließlich: „Wir müssen auch sehen, wie wir neue, durch Umwelt oder Ressourcen bedingte Konflikte in der Welt und vor allem in Europas unmittelbarer Nachbarschaft verhindern können.“
Dementsprechend wird das Verteidigungsministerium im Rahmen einer neuen EU-Strategie 2023 einen ersten Aktionsplan vorlegen. Zum ersten Mal wird der Luxemburger Verteidigungssektor dann auch ein eigenes Klimaziel festlegen. Es sind erste Schritte einer „grüneren“ Verteidigungspolitik. Minister François Bausch verkündete bei seiner Amtsübernahme: „Wenn ein Grüner eine grüne Truppe übernimmt, dann kann das kein schlechtes Zeichen sein!“