Die Stadt Luxemburg will sich für Jungunternehmer einsetzen und betont immer wieder, dass sie ihre eigenen Gewerbeflächen bevorzugt an kleine Betriebe zu vernünftigen Preisen vermietet. Doch die Kriterien sind dabei nicht immer nachvollziehbar. REPORTER erklärt, wie die Auswahl stattfindet und welche Preise gezahlt werden.
Die Mietpreise von Gewerbeflächen in der Hauptstadt sind bekanntlich schwindelerregend. Entgegenwirken will die Stadt Luxemburg dem unter anderem, in dem sie den Geschäftsleuten Lokale vermietet, die sich in ihrem Besitz befinden.
Das läuft folgendermaßen: Die verfügbaren Lokale sind Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung. Ausschlaggebende Kriterien sind dabei offiziell die Originalität des Angebotes sowie der Wille der Stadt Luxemburg, Jungunternehmer bei der Eröffnung eines Gewerbes zu unterstützen.
Dass dies nur die Theorie ist, zeigen mehrere Beispiele. So etwa die französische Nobel-Konditorei „Ladurée“, die vor einigen Jahren den Zuschlag der Gemeinde erhielt, um eine Filiale im ehemaligen Tabaklokal der Rue Philippe II zu eröffnen. Und dies, obwohl REPORTER-Informationen zufolge auch Kleinunternehmer Projekte eingereicht hatten, diese aber dann im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt wurden.
Teure Miete – auch an die Stadt Luxemburg
Heute wird das Lokal zwar von zwei Luxemburgerinnen und ihrer Marke „Voltage“ betrieben. Doch ist der Mietpreis alles andere als „sozial“. 2016 wurde ein Mietpreis von 4.000 Euro im Monat für die 45-Quadratmeterfläche festgehalten. Seitdem steigt der Preis regelmäßig gemäß Lebenshaltungskostenindex. Mit umgerechneten rund 90 Euro pro Quadratmeter und Monat liegt die Miete des Lokals nicht weit unter dem 2017 im Gemeinderat zitierten Marktpreis von etwa 100 Euro pro Quadratmeter in den Hauptgeschäftsstaßen.
Da wurde sich nicht strikt an die Regeln gehalten.“Guy Foetz, ehemaliges Gemeinderatsmitglied
Mehrfach hat die Stadt Luxemburg bereits gegenüber Journalisten betont, sich keinesfalls mit ihren Gewerbeflächen auf Kosten der Geschäftsleute zu bereichern. Im Fall von „Voltage“ hat sich die Wahl des Schöffenrats nicht nach dem meistbietenden Angebot gerichtet. Eingegangen waren 18 Bewerbungen für die Nutzung des Lokals – angeboten wurde eine Mietpreisspanne zwischen 1.800 Euro und 9.900 Euro, wie der damals zuständige Schöffe Patrick Goldschmidt (DP) in jener Gemeinderatssitzung bekannt gab, in der 2016 die Vermietung an die Luxemburgerinnen aktiert wurde.
Nach dem Motto: Geschäftsleute sind durchaus gewillt hohe Mietpreise zu zahlen – sogar an die Stadt.
Politisch gedrückter Quadratmeterpreis
Fairerweise: Nicht alle Lokale sind dennoch so teuer. Jüngster Mieter der Stadt Luxemburg ist der Betreiber von „Kumpir“, der seit etwa drei Wochen ein an die britische „baked potato“ angelehntes türkisches Street Food anbietet. Für die Fläche von 23 Quadratmetern im ehemaligen Kiosk des Theaterplatzes zahlt er 550 Euro im Monat (Quadratmeterpreis: 24 Euro). Geführt wird die Firma von der Türkin Yeliz Aktepe. Sie kocht, ihr luxemburgischer Lebenspartner Thomas Boulois kümmert sich um das Tagesgeschäft vor Ort.
33 Geschäftslokale sind gegenwärtig im Besitz der Gemeinde – wobei sich längst nicht alle in der Innenstadt befinden. Die Mehrheit der Lokale wird allerdings an Restaurants und demnach nicht an Jungunternehmer vermietet, die mit ihrem Angebot einen Mehrwert zu den Luxusmarken im „Goldenen Dreieck“ der Innenstadt bieten könnten.

Apropos Theaterplatz: Hier hält die Stadt mindestens drei weitere Lokale, darunter das Kleidergeschäft „Fabienne en ville, dessen 22 Quadratmeter 2014 zu einem Preis von 1.300 Euro vermietet wurden (Quadratmeterpreis 24 Euro). Das gegenwärtig leerstehende Lokal des früheren alternativen Kleidergeschäftes „Retrorevolver“ befindet sich auch im Besitz der Stadt Luxemburg und soll nach der Ausschreibung vergangenes Jahr bald neu genutzt werden.
Der Fall des „Café des Capucins“
Hinzu kommt das „Café des Capucins“, dessen 180-Quadratmeterfläche zum Preis von knappen 4.000 Euro pro Monat vermietet wird. Im Sommer profitiert das Café zudem von einer 90-Quadratmeterterrasse im Innenhof des Theaters. Der 2014 festgelegte Preis von 22 Euro pro Quadratmeter – bei einer Preisberechnung unter Ausschluss der Terrasse – wurde zwar seitdem an den Index angepasst, fällt aber zugegebenermaßen äußerst günstig aus.
Kritisiert wurde im öffentlichen Bericht des Gemeinderats bei der Zusage an die Betreiber der Umstand, dass es sich bei dem Betreiber nicht um einen Jungunternehmer, sondern um Geschäftsleute handelt, die bereits ein anderes Lokal in der Hauptstadt betreiben. Das Lokal ging an die Firma, in der die Vize-Präsidentin der „Union commerciale de la Ville de Luxembourg“ (UCVL), Mireille Rahme-Bley, und ihr Sohn seit 2009 Teilhaber sind. Es sei nicht das erste Mal, dass eine gewisse Nähe zwischen der UCVL und dem DP-geführten Schöffenrat der Hauptstadt offen zutage tritt, kritisieren andere Geschäftsleute in der Stadt hinter vorgehaltener Hand.
So hatte die LSAP-Opposition im Gemeinderat der Konvention zwischen der Stadt und den Betreibern des besagten Cafés nicht zugestimmt. Der Gemeinderat Marc Angel (LSAP) damals: „Die LSAP ist in ihrem Wahlprogramm dafür eingetreten, dass Lokale, die von der Stadt Luxemburg vermietet werden, nicht an größere Gesellschaften, die bereits mehrere Lokale betreiben, vergeben werden sollten, sondern an interessierte Personen, die ein erstes Gewerbe eröffnen möchten.“ Die neuen Betreiber hatten zudem, noch bevor die beratende Kommission und der Gemeinderat mit der Auswahl befasst wurde, die Eröffnung in der Presse bekannt gemacht.
So hatte die LSAP-Opposition im Gemeinderat der Konvention zwischen der Stadt und den Betreibern des besagten Cafés nicht zugestimmt. Der Gemeinderat Marc Angel (LSAP) damals: „Die LSAP ist in ihrem Wahlprogramm dafür eingetreten, dass Lokale, die von der Stadt Luxemburg vermietet werden, nicht an größere Gesellschaften, die bereits mehrere Lokale betreiben, vergeben werden sollten, sondern an interessierte Personen, die ein erstes Gewerbe eröffnen möchten.“ Die neuen Betreiber hatten zudem, noch bevor die beratende Kommission und der Gemeinderat mit der Auswahl befasst wurde, die Eröffnung in der Presse bekanntgemacht.
Es reicht aus, dass dein Projekt einer Person im Schöffenrat nicht gefällt, um den Zuschlag zu verlieren.“Geschäftsmann aus der Hauptstadt
Sechs der eingegangenen Angebote für das Lokal waren damals im Gemeinderat in die engere Auswahl gekommen und führten zu einem Vorstellungsgespräch im Rathaus, bevor der heutige Betreiber den Zuschlag erhielt. Der damals für die Geschäftsflächen zuständige DP-Schöffe Patrick Goldschmidt wischte jegliche Bedenken vom Tisch und betonte, dass die Auswahl auf der Grundlage festgelegter Kriterien erfolgt sei Der Betreiber musste unter anderem gewährleisten, das Café sieben Tage die Woche zu öffnen. Ausschlaggebend seien auch die vom künftigen Betreiber geplanten Renovierungsarbeiten gewesen, welche die im Lastenheft vorgeschriebenen Kriterien erfüllten. Die von den Kandidaten eingereichten Mietpreisangebote schwankten damals zwischen 2.600 Euro und 5.000 Euro.

Goldschmidt betonte des Weiteren auch, dass bei der damaligen Ausschreibung von besagtem Lokal leider keine Angebote von Start-up-Firmen eingegangen waren. Auf die Kritik hin, dass die Ausschreibung womöglich nicht sichtbar genug war, versprach der zuständige Schöffe: „Beim nächsten Mal werden wir auch per Inserat in einer Horesca-Zeitschrift auf die Ausschreibung aufmerksam machen.“
Der lukrativste Deal überhaupt
Den weitaus lukrativste Deal einer Gewerbefläche im Besitz der Gemeinde hat sicherlich die „Brasserie Guillaume“ auf dem Knuedler, direkt gegenüber vom Rathaus, herausgeschlagen. Die Betreiberfirma „Guillaume S.A.“, die 2016 einen jährlichen Gewinn von 400.000 Euro verzeichnete, zahlt für die großräumige zweistöckige Brasserie knapp 7.800 Euro im Monat. Die Terrasse besagter Brasserie wird bekanntlich von Regierungs-, Parlaments- und Gemeinderatsmitgliedern, und nicht zuletzt von Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) selbst, als „the place to be“ betrachtet.
Auffällig ist, dass der Mietvertrag im Gegensatz zu der Regel nicht für drei, sondern für neun Jahre abgeschlossen wurde. Begründet wurde dies 2015 im Gemeinderat damit, dass der Betreiber größere Renovierungsarbeiten in der „Brasserie Guillaume“ plane und angab, dass ihm die Bank den diesbezüglichen Kredit lediglich gewähren würde, wenn er einen langfristigen Mietvertrag vorzeigen könnte.
Wundern mag diese Argumentation einerseits angesichts des im Restaurant verzeichneten Gewinns. Andererseits aber auch, weil der Geschäftsführer noch andere Lokale betreibt – darunter das unmittelbar angrenzende und ebenfalls gewinnbringende Lokal mit beliebter Terrasse „L’Osteria“.
Wird der Mietvertrag bereits vor oder erst nach dem Votum im Gemeinderat unterzeichnet?“CSV-Gemeinderätin Martine Mergen
Der Geschäftsführer der „Brasserie Guillaume“, Sébastien Sarra, ist mittlerweile auch Hauptaktionär der Firma „Qui.Lu.Cru“, die auf der Anlage des Tennisclubs in Bonneweg das Lokal „L’Altra Osteria“ betreibt. Auch diese Gewerbefläche gehört der Stadt Luxemburg. Der Mietpreis wurde im Dezember 2015 von 2.500 Euro pro Monat auf 1.500 Euro nach unten revidiert. Der Umsatz sei wetterabhängig und in den Wintermonaten bei nicht benutzbarer Terrasse gering, so die Rechtfertigung.
Bei der Unterzeichnung der neuen Konvention kritisierte der damalige Gemeinderat Guy Foetz (Déi Lénk) allerdings folgenden Umstand: Es konnte kein Interessent für die im Lastenheft geforderte Minimalmiete von 2.000 Euro gefunden werden. „Danach wurde die Vergabe aber nicht erneut zu einem niedrigeren Mietpreis von 1.500 Euro, den der jetzige Betreiber des Restaurants geboten hat, ausgeschrieben. Da wurde sich nicht strikt an die Regeln gehalten“, kritisierte Guy Foetz.
Im Endeffekt wurde diese Konvention im Gemeinderat von allen Parteien einstimmig mitgetragen – um die Vergabe nicht noch weiter hinauszuzögern.
Gemeinderat darf nur am Ende entscheiden
Die Gemeinde gibt in der Regel keinen genauen Mietpreis im Lastenheft vor. In den Ausschreibungen wird lediglich manchmal ein gewünschter Mindestpreis genannt. Dementsprechend sollen die Bewerber selbst einen Mietpreis vorschlagen, der dem Businessplan entspricht, lautet die Regel. Hinter vorgehaltener Hand erzählen Geschäftsleute, die bereits Bewerbungen für entsprechende Lokale eingereicht haben, dass man bei beliebten Gewerbeflächen sehr wohl davon ausgehe, dass man der Stadt ein attraktives Angebot unterbreiten müsse, um überhaupt eine Chance auf den Zuschlag zu haben.
Der angebotene Mietpreis spielt also sehr wohl eine Rolle. Deutlich wird dies unter anderem am Beispiel des „Pavillon de Merl“, das im Mereler Park vor kurzem nach Renovierungsarbeiten und unter neuer Leitung eröffnete. Die zu zahlende Miete ist hier 6.500 Euro. Im Lastenheft war eine Minimalsumme von 4.000 Euro festgehalten worden. „In der Kommission wurde uns mitgeteilt, dass die Firma ‚Quintus Restauration‘ das höchste Angebot gemacht habe. Ich bin keineswegs damit einverstanden, dass immer der Höchstbietende den Zuschlag erhalten soll“, kritisierte 2016 die damalige ADR-Rätin Marceline Goergen.
Die Verkündung des Gewinners der Ausschreibung sorgte auch bei der CSV-Rätin Martine Mergen für Verblüffung. So erkundigte sich die damals noch in der Opposition agierende Kommunalpolitikerin danach, wieso denn das endgültige Votum für die Unterzeichnung der Konvention erst am 11.06.2016 stattfand, obwohl der Gewinner bereits in der wenige Tage zuvor erschienenen Publikation „Explorator City Guide Luxembourg“ verkündet wurde. Zumindest implizit stellte sie die Frage nach einer möglichen Alibiabstimmung. „Wird der Mietvertrag bereits vor oder erst nach dem Votum im Gemeinderat unterzeichnet?“, echauffierte sich Mergen.
Marceline Goergen pflichtete ihr bei: „Auch ich stelle mir die Frage, ob wir Gemeinderäte nur noch Statisten sind oder ob wir über ein reelles Mitspracherecht verfügen.“ Als Erklärung wurde seitens der DP angeführt, dass der Schöffenrat die engere Auswahl der Kandidaten treffe und den Gemeinderat danach mit seiner Entscheidung befasse. Dieser könne diese entweder gutheißen oder verwerfen.
Transparenz ist bei den Entscheidungen also nicht gegeben. Ein Geschäftsmann, der nicht genannt werden möchte, formulierte es im Gespräch mit REPORTER folgendermaßen: „Es reicht aus, dass dein Projekt einer Person im Schöffenrat nicht gefällt, um den Zuschlag zu verlieren.“ Welche Kriterien letztlich den Ausschlag geben, ist oft nicht nachvollziehbar.
Bei einer Aufzählung von ausschlaggebenden Kriterien für den Erhalt des Zuschlags nannte der DP-Schöffe Patrick Goldschmidt im Gemeinderat im Jahr 2014 „das Mietpreisangebot der Kandidaten“ ganz offen als eines der Kriterien. 2016 wurde er dann in einer Gemeinderatssitzung zumindest etwas deutlicher: „Das Kriterium ‚Miete‘ (zählt) zu 10 Prozent in der Bewertung.“