Der „Conseil Supérieur des Maladies Infectieuses“ empfiehlt bei AstraZeneca die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff. Ein entsprechendes Gutachten wurde dem Gesundheitsministerium vorgelegt. Die Regierung zögert jedoch noch mit einer Anpassung der Impfstrategie.

Laut Informationen von Reporter.lu rät der „Conseil Supérieur des Maladies infectieuses“ (CSMI) der Regierung, die Impfkampagne mit dem AstraZeneca-Impfstoff anzupassen. Das Beratergremium spricht sich in einer neuen Empfehlung dafür aus, die Zweitimpfung bei Personen unter 54 Jahren nicht mehr mit dem Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers durchzuführen. Für die zweite Dosis solle demnach auf einen mRNA-Impfstoff zurückgegriffen werden. Aktuell werden in Luxemburg zwei mRNA-Wirkstoffe genutzt: das Vakzin von BioNtech-Pfizer und jenes von Moderna.

Die Präsidentin des Expertengremiums, Dr. Thérèse Staub, bestätigt im Gespräch mit Reporter.lu, dass der CSMI ein neues Gutachten verfasst hat. Als Grund für die Empfehlung einer sogenannten Kreuzimpfung nennt die Leiterin der Infektiologie des „Centre Hospitalier de Luxembourg“ (CHL) neue wissenschaftliche Erkenntnisse und eine veränderte Datenlage.

Die Empfehlung liege dem Gesundheitsministerium vor, so Thérèse Staub weiter. Sie sei bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden, weil die Zustimmung der zuständigen Ministerin Paulette Lenert (LSAP) noch nicht erfolgt sei. Laut Informationen von Reporter.lu soll der CSMI seine Empfehlung bereits vor über einer Woche verfasst haben. In der Regel werden die Empfehlungen des CSMI binnen weniger Tage auf der Webseite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht.

Erste positive Studienergebnisse

Der Direktor der Gesundheitsbehörde, Jean-Claude Schmit, erklärt im Gespräch mit Reporter.lu, dass sogenannte Kreuzimpfungen, also das Verabreichen von unterschiedlichen Vakzinen, den CSMI seit geraumer Zeit beschäftige. Der Grund sei, dass erste Studien vorliegen würden, etwa aus Spanien, Großbritannien und Deutschland.

So haben etwa Forscher der Universität des Saarlandes herausgefunden, dass Menschen, die zunächst mit AstraZeneca und dann mit BioNTech-Pfizer geimpft wurden, eine stärkere Immunantwort entwickeln als jene, die zwei Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes erhielten. Bei dieser und anderen Studien handelt es sich jedoch um vorläufige Untersuchungsergebnisse. In Deutschland erhalten mittlerweile viele Menschen eine Kreuzimpfung aus AstraZeneca und BioNTech, auch Kanada hat die Praxis zugelassen.

Die verschiedenen Impfstoffe

In der Impfstrategie gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 werden verschiedene Wirkstoffe eingesetzt. Der Impfstoff AstraZeneca (Vaxzevria) ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, der eine harmlose Version eines Virus benutzt, um menschlichen Zellen – vereinfacht ausgedrückt – beizubringen, Antikörper gegen das Coronavirus zu produzieren. Auch der Impfstoff Janssen bzw. Johnson & Johnson ist ein Vektorimpfstoff. Der BioNTech-Impfstoff (Cominarty) oder auch der Moderna-Impfstoff sind dagegen neuartige, sogenannte mRNA-Vakzine. Solche Impfstoffe lehren unsere Zellen, selber ein Protein zu produzieren, das eine Immunreaktion und die Herstellung von Antikörpern gegen das Virus anregt.

Warum geht Luxemburg nicht den gleichen Weg? Jean-Claude Schmit erklärt das Abwarten des Ministeriums mit einem möglichen europäischen Ansatz: „Gegenwärtig laufen Gespräche auf EU-Ebene, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Diese Gespräche wollen wir abwarten, damit es zu einer einheitlichen Regelung kommen kann.“

Allerdings soll die Impfung mit verschiedenen Wirkstoffen von der EU im Rahmen des digitalen Impfpasses bereits anerkannt werden. Eine Kreuzimpfung, auch „Mix-and-Match-Impfung“ genannt, sei „ausdrücklich eingeschlossen“, berichtete der „WDR“ unter Berufung auf einen Sprecher der Europäischen Kommission.

Regierung ignorierte CSMI-Gutachten

Zusätzliche Brisanz bekommt die neue Empfehlung in Anbetracht der andauernden Impfstrategie der Regierung. Denn bei der Impfkampagne mit dem Wirkstoff von AstraZeneca setzt die Regierung seit dem 16. April auf Freiwilligkeit. Personen zwischen 30 und 54 Jahren können sich seitdem auf einer Liste eintragen, um mit dem Vakzin geimpft zu werden. Hintergrund der damaligen Entscheidung war ebenfalls ein offizielles Gutachten des CSMI.

Damals hatte das Gremium ausdrücklich von einer Impfung mit diesem Impfstoff bei Unter-54-Jährigen ohne Vorerkrankung abgeraten. Begründet hatte der CSMI die Entscheidung damals mit schweren, wenn auch sehr seltenen Nebenwirkungen. So soll es laut damaliger Studienlage europaweit bei 34 Millionen durchgeführten Impfungen zu 222 Fällen von Thrombosen gekommen sein, die wiederum in seltenen Fällen tödliche Folgen haben können.

Die Regierung setzte sich damals bewusst über die Empfehlung des CSMI hinweg. Premierminister Xavier Bettel (DP) begründete die Entscheidung vor der Presse mit der generellen Impfstoffknappheit: „Im Wettlauf mit der Pandemie ist es unverantwortlich, Zehntausende nachweislich wirksame Impfdosen im Kühlschrank stehen zu lassen und nicht zu verabreichen.“ Die Regierung habe eine ernsthafte Abwägung durchgeführt und das Risiko von folgenreichen Nebenwirkungen müsse man mit dem einer schweren Covid-19-Erkrankung abwägen, so Xavier Bettel im vergangenen April.

Kehrtwende bei der Zweitimpfung

Die Zweitimpfung mit einem anderen Impfstoff war ebenfalls Thema bei der damaligen Pressekonferenz. Der Premier hatte sich unmissverständlich gegen ein Mischen von Impfstoffen ausgesprochen: „Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Konsens, dass ein Mix von Impfstoffen die gleichen Wirkgarantien hat wie ein einziger Impfstoff.“ Damit folgte Xavier Bettel den Empfehlungen des CSMI, die damals noch festhielten: „Le CSMI ne peut pas se prononcer sur le recours à un vaccin à ARNm (Comirnaty, COVID-19 Vaccine Moderna) pour la 2ème dose après une 1ère dose de Vaxzevria.“

Nun hat der CSMI seine Empfehlung offenbar angepasst und rät ausdrücklich zu einer Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff. Die Politik setzt jedoch weiterhin auf die Strategie von Anfang April. Erst in der vergangenen Woche hat die Regierung die freiwillige Impfung mit dem AstraZeneca auch für Personen unter 30 Jahren freigegeben. Ob es zumindest bei diesen Impfwilligen zu einer Anpassung bei der zweiten Dosis kommen wird, ist noch unklar.


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