Es ist einer der größten Finanzskandale Europas. Der Schaden beläuft sich auf mindestens 55 Milliarden Euro. Doch was ist ein Cum-Ex-Deal und was hat Luxemburg damit zu tun? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Was sind Cum-Ex-Deals?

Es geht um dubiose Aktiendeals, die zur Steuervermeidung oder gar Steuerbetrug dienen. Es gibt kein einheitliches Modell, doch die unterschiedlichen Vorgehensweisen haben mehrere Punkte gemeinsam. Der Hebel ist die Quellensteuer auf Erträge aus einem Aktienbesitz, sprich Dividenden. Diese Steuer soll vermieden oder ausgenutzt werden. Dafür verkauft sich ein Kreis von Investoren in großem Stil gegenseitig Aktien rund um das Datum, an dem Konzerne Dividenden auszahlen. Vor diesem Tag beinhalten die Aktien ein Anrecht auf die Dividende („cum“, lateinisch „mit“), danach nicht mehr („ex“, also ohne) – daher der Name „Cum-ex“. Das Ziel ist, die Steuerbehörden zu verwirren, wem eine Aktie gehört. Der Oberbegriff lautet Dividendenstripping.

Wie lässt sich damit Geld machen?

Der Trick ist, sich vom Staat die Quellensteuer erstatten zu lassen, die jedoch nie gezahlt wurde. Der Hintergrund: Da diese Steuer an der „Quelle“ greift, wird sie abgeführt, sobald ein Unternehmen eine Dividende auszahlt. Dabei besteht das theoretische Risiko, dass die gleiche Summe nochmals besteuert wird, wenn ein (ausländischer) Aktienbesitzer sie in seiner Steuererklärung angibt. Deshalb erstatten Steuerbehörden in vielen Ländern die Quellensteuer entweder vollständig oder teilweise an Aktienbesitzer zurück. Die Cum-Ex-Deals haben zum Zweck, künstlich für eine Aktie mehrere Besitzer vorzutäuschen, sodass der Staat die Quellensteuer mehrmals erstattet.

Ist das illegal?

Das müssen Gerichte noch endgültig entscheiden, gerade in Deutschland, wo mehrere strafrechtliche Verfahren laufen. Der „Erfinder“ dieses Steuertricks, der deutsche Anwalt Hanno Berger, betont immer wieder, die Deals würden lediglich ein Schlupfloch im Gesetz ausnutzen – alles legal demnach. Die in Luxemburg ansässige Anwaltskanzlei Schaffelhuber Müller & Kollegen vertritt offenbar Berger sowie US-Pensionsfonds, die in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt waren. Allerdings hatten die Transaktionen als einziges Ziel, eine Rückerstattung vom Staat zu erhalten, was zumindest ein Indiz für einen Missbrauch vom Steuerrecht ist. Doch in manchen Fällen gingen die Cum-Ex-Fälle noch einen Schritt weiter und damit klar in Richtung von Steuerbetrug: Die Transaktionen von Aktien waren rein fiktiv. Das war offenbar die Vorgehensweise des Briten Sanjay Shah in Luxemburg.

Um welche Summen geht es?

Die europäischen Staatskassen wurden um mindestens 55 Milliarden Euro betrogen. Das ergaben Recherchen von 19 Medien aus 12 Ländern unter dem Namen „CumEx Files“. Seit den 1990er Jahren sollen solche Aktiendeals existiert haben, oft dauerte es jahrzehntelang, bis die Staaten diese Geschäfte unterbanden und Gesetzeslücken schlossen. In Deutschland wurde die Deals ab 2012 deutlich schwieriger, weshalb sich die Beteiligten ab da auf andere Länder konzentrierten – etwa Dänemark.

Was hat das mit Luxemburg zu tun?

Das ist noch weitgehend unbekannt. Die Spuren deuten jedoch an, dass Luxemburg als wichtiger Finanzplatz sozusagen die Infrastruktur zur Durchführung dieser Deals stellte. Einer der Hauptakteure, der Brite Sanjay Shah, betrieb mehrere Firmen in Luxemburg. Laut Recherchen von REPORTER betrog er den Luxemburger Staat um über 10 Millionen Euro. Außerdem nutzte er seine Luxemburger Strukturen, um das anderswo erbeutete Geld zu verteilen.

Mehrere deutsche Banken nutzten ihre Luxemburger Töchter, um Cum-Ex-Geschäfte durchzuführen, und zahlten deshalb bereits Millionenstrafen an den deutschen Staat, wie das „Luxemburger Wort“ zusammenfasste.

Mediale Aufmerksamkeit bekam der Luxemburger Fonds Sheridan, in den deutsche Promis wie der Unternehmer Carsten Maschmayer, der Fußballtrainer Mirko Slomka und der Drogerieunternehmer Erwin Müller investierten. Dieser Fonds sollte für die Bank Safra Sarasin Cum-Ex-Geschäfte durchführen. Die prominenten Kunden sagen, sie hätten nicht gewusst, dass der Fonds mit Steuertricks arbeitete. Sie fordern Schadensersatz von der Bank Sarasin.

Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen einen Manager von Clearstream. Er soll Cum-Ex-Geschäfte via Clearstream als Dienstleister ermöglicht haben – auch am Luxemburger Standort, berichtete das „Handelsblatt“.

Wenn das so wichtig ist, warum greifen Politik und Medien den Skandal nicht auf?

Das hat mehrere Gründe. Die Ermittlungen in vielen Ländern dauern weiter an. Der Umfang und die Art der Verstrickungen am hiesigen Finanzplatz bleiben deshalb unklar. Außerdem steht Luxemburg anders als bei Luxleaks nicht im Rampenlicht. Die Regierung und die Finanzaufsicht CSSF blieben bisher äußerst schweigsam, was das Dossier angeht. In zwei Antworten auf parlamentarische Anfragen schreibt das Finanzministerium, es könne nicht einschätzen, „ob und wieviel Steuergelder dem luxemburgischen Fiskus durch solche Praktiken verloren gingen“.

Luxemburg sei mit Rechtshilfeersuchen aus Deutschland, Österreich, Dänemark und Belgien befasst, heißt es weiter. Die CSSF überwache das Dossier ebenfalls.

Update vom 14. Januar 2019 mit neuen Entwicklungen. 


Die ganze Story über einen der Drahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte und dessen Firmen in Luxemburg lesen Sie hier: Die Spuren des Sanjay Shah